Ladies & Gentlemen:Fesselspiele

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(Foto: AFP, AP)

Bei den Grammys zeigte sich Kylie Jenner in der Zwangsjacke und der Gitarrist Bombino in einem zwanglosen westafrikanischen Outfit.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Kylie Jenner und die Zwangsjacke

Sexbombe, bleib bei deinen Waffen. Das gilt für Designer und für Reality-Stars gleichermaßen. Vor ein paar Wochen nämlich vergaß Olivier Rousteing, seine erste Haute-Couture-Kollektion für Balmain als Modesatire zu deklarieren. Weswegen seine treuen Sexbomben-Kundinnen jetzt auf den roten Teppichen bisweilen aussehen, als seien sie verrückt geworden. Wobei das ja auch wirklich sein könnte bei Kylie Jenner, der 21-jährigen Make-up-Milliardärin, die aussieht wie eine 50-jährige Milliardärsgattin. Ihr Gesicht ist nämlich schon jetzt so gut mit Fillern gepolstert, dass ihr im Falle einer Einweisung beim Kopf-gegen-die-Wand-Hauen rein gar nichts passieren würde. Der seltsame Zwangsjacken-Look scheint also eine folgerichtige Entscheidung. Aber natürlich nur unterbewusst, denn die Wahnsinnigen haben bekanntlich keinen Schimmer, dass sie es sind. Die Sexbombe wollte also einfach einen auf neue Avantgarde-Königin machen. Was noch schlimmer ist als Sexbomben, die einen auf seriös machen wollen. Denn man muss eine Kreation, die Kurven nicht betont, sondern entstellt, natürlich auch ausfüllen können. Und so wirkt es auf den Betrachter eher, als würde hier dieses hybridschweinrosafarbene Textilmonster die Kylie tragen und nicht umgekehrt. Das Lustige ist nämlich, dass der Modehimmel jetzt voller Geigen hängen würde, hätte zum Beispiel die übercoole Tilda Swinton diesen Horror getragen. Aber so bleibt nur festzuhalten, was überhaupt nicht neu ist: dass einen schönen Menschen wirklich nichts entstellen kann. Julia Werner

Bombino und die Zwanglosigkeit

Es ist wohltuend, wenn man neue Annäherungen an festliche Herrenmode sieht. Der Gitarrist Bombino erschien bei der Grammy-Verleihung in einer imposanten Auslegung seiner Volkstracht, er gehört zum Stamm der Tuareg. So exotisch das auf dem roten Teppich wirkt, im Grunde ist es wie auch der in Westafrika verbreitete Boubou ein einfacher und leicht zu adaptierender Aufzug, der einen großen Vorteil hat - er ist komfortabel, ohne banalgemütlich zu wirken. Ein weites, an den Seiten geschlitztes Überhemd, das bis zu den Knöcheln reichen kann, darunter eine großzügig geschnittene Hose, das ganze vielleicht aus Seide, ergeben einen zivilisierten Look, der noch dazu streckt und auch schwierige Körperstellen sacht umwallt. Dagegen wirken unsere mit Lederriemen am schwierigsten Platze festgegurteten Baumwollhosen und die auf Kneif gefitteten Hemden, Kragen und Anzugjacketts eher wie eine rückständige Schikane. Jeder Mann sollte probehalber mal in eine der orientalischen oder afrikanischen Alternativen steigen, es muss ja nicht gleich bei einem öffentlichen Termin sein - aber vielleicht bietet der nahende Fasching Gelegenheit? Es ist eine Befreiung aus dem Korsett! Kritik entzündete sich allerdings am Schuhwerk des Bombino, der sein Outfit mit Sandalen und nackten Füßen abgerundet hatte. Das wäre, so einzelne Kommentatoren, bei aller Ethno-Aufgeschlossenheit nicht passend für einen glanzvollen Abend. Tja, was soll er denn tragen? Polierte Lackschuhe? Wenn schon Befreiung, dann für alle Körperteile. Max Scharnigg

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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