Ladies & Gentlemen:Die falschen, echten Shopping-Bags

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Banal ist angesagt: Auf einmal sehen Handtaschen der großen Labels deshalb aus wie Papiertüten vom Bioladen.

Für sie: Bioladen-Tüte von Acne

(Foto: PR)

Ja, die Mode mag gerade ein bisschen in der Krise stecken. Aber zum Lachen bringt sie einen ja trotzdem immer wieder. Welche Disziplin sonst vermag es schon, die Leute dazu zu verführen, für die banalsten Dinge plötzlich Hunderte von Euro auszugeben? Kurze Fashion-Prognose: In der nächsten Saison werden nicht wenige Verrückte die Maximilianstraße in Crocs von Balenciaga unsicher machen und das ganz logisch finden. Diese Herrschaften haben wahrscheinlich auch längst schon die Balenciaga-It-Bag des Frühlings, ein dem blauen Ikea-Shopper täuschend ähnliches Modell. Der aktuelle Trend, Taschen schnöden Billigtransportmitteln nachzuempfinden, ist natürlich praktisch: Man kann damit den Gang über die Pracht-Shoppingmeile und zum Leergut-Container in einem erledigen! Die Verrückten sind damit also schon mal einen Schritt weiter als all jene, die ihr Selbstwertgefühl immer noch aus einer herkömmlichen It-Bag ziehen. Auch andere Labels setzen jetzt auf dieses vereinfachte Lebensgefühl. Das Modell aus Leder von Acne Studios (etwa über net-a-porter.com) besticht durch die Bioladen-Papiertüten-Form und dazu noch einen bunten Print, der das Cover des labeleigenen Magazins zeigt. Das ist natürlich ein doppelter Kunstgriff der Distinktion, denn Printerzeugnisse würdigt ja sonst auch keiner mehr. Ob das nun zum Mainstream wird, wissen wir natürlich nicht. Nur, dass es derzeit eben nichts Schickeres gibt als die Vortäuschung, ein ganz normaler Mensch zu sein, der in Supermärkte und Möbelhäuser geht. Julia Werner

Für ihn: Fake-Papier von Balenciaga

(Foto: PR)

Den Effekt kennen auch Menschen, die nicht täglich bei Chanel klingeln: Sobald man beim Einkaufen eine Boutique-Tasche überreicht bekommt, aus schwerem Papierkarton und mit eleganten Seilkordeln, stellt sich ein urbanes Wohlbefinden ein. Man trägt diesen Behälter achtsam, als würde ein kleiner Einkaufs-Verdienstorden darin liegen, auch wenn es nur Strümpfe sind. Je mehr solcher feinen Papptaschen sich bei einem Spaziergang in die eigene Faust verirren, desto berauschender, da muss man den Shopaholics aus "Sex and the City" und dem Nahen Osten ausnahmsweise recht geben. Klar, dass dieser Konsumbehang einen Banalitäts-Zauberer wie Demna Gvasalia zu einer Pointe inspirierte. Aus Leder und "Made in Italy" formte der Designer die Balenciaga-Tüte nach, für imposante 1100 Dollar Stückpreis. Die erste Auflage der Sonderkollektion war trotzdem so schnell vergriffen, als wären es Papiertüten. Bei allem Kopfschütteln muss man zugeben, dass die auf maximalen Stauraum bedachte Taschenform gar nicht so unpraktisch ist. Weiß jeder ambitionierte Shopper, wie gut sich diese weit offenen Behälter als Auffangbehälter für, tja, alles eignen, was man schnell ablegen möchte. Ironisch oder nicht, es ist das simpelste Design, das eine Tasche haben kann. Kein Wunder, dass etliche Luxusausstatter statt komplizierter Show-Täschchen derzeit einfach Nutzaccessoires nachformen. Und die Verkäufer in den Boutiquen können endlich ihre Lieblingsfrage dazu stellen: Brauchen Sie eine Tasche - oder geht das so? Max Scharnigg

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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