Ladies & Gentlemen:Der Kniefall

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In aller Welt knien Menschen auf dem Boden, um an George Floyd zu erinnern, auch viele Weiße haben die Geste übernommen. Hier: Demokratin Nancy Pelosi und Republikaner Gregg Donovan.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Nancy Pelosi kniet in Washington D.C. im Gedenken an George Floyd. (Foto: AFP)

Für sie: Eleganz als Waffe

Wer schon mal aktiv in der Kirche war, weiß: Auf Knien können sich Minuten so ziehen wie stundenlang gekautes Kaugummi. Als führende Mitglieder der Demokratischen Partei, ausgestattet mit Schals aus afrikanischem Kentestoff als Solidaritätssymbol, neulich niederknieten, um in Anlehnung an die Geste schwarzer Demonstranten der Opfer von Polizeigewalt zu gedenken, war das zunächst einmal ein politischer Akt - der ganze acht Minuten und 46 Sekunden dauerte, also genauso lange, wie George Floyd von einem Polizisten auf den Boden gedrückt wurde, bis er starb.

Während manche der Anwesenden schwankten und immer weiter in sich zusammensackten, hatte eine die unbesiegbare Colin-Kaepernick-Haltung, die man für so eine Geste braucht: Madame Speaker Nancy Pelosi. Und dabei balancierte die 80-Jährige auch noch auf Pumps! Die Tatsache, dass man ihr danach wieder auf die Füße helfen musste, lachte sie einfach weg, indem sie das Problem auf die Schuhe schob. Sie hätte zu diesem Anlass natürlich auch flache Ballerinas anziehen können. Und sie hätte die Farbe ihres Hosenanzugs gewiss nicht unbedingt auf den ghanaischen Königsschal abstimmen müssen. Es gab zahlreiche Afroamerikaner, die den Kenteschal als kulturelle Aneignung und Verkleidung heftig kritisierten. Und es gab Beobachter, die Pelosis elegantes Outfit als oberflächlich abtaten. Doch Eleganz schwächt eine kraftvolle Geste nicht ab, sondern macht sie noch stärker. Eleganz um jeden Preis kann eine sehr effektive Waffe sein. Julia Werner

Für ihn: Trauriger Clown

Gregg Donovan kniet in der klassischen Uniform eines Concierge. (Foto: dpa)

Man sieht es nicht, aber dieser Mann kniet auf dem Hollywood Boulevard, denn das ist sein Arbeitsplatz. Gregg Donovan hat an der US-Westküste eine gewisse Bekanntheit erlangt, weil er seit zwanzig Jahren einen Job macht, der für das alte und eben leicht verrückte Amerika steht. Donovan ist ein öffentlicher Concierge, ein Greeter, ein Gästebegrüßer. Er kann Passanten in knapp hundert verschiedenen Sprachen etwas Nettes sagen, zeigt ihnen den Weg, macht Späße, poliert nebenbei ein paar Sterne auf dem Walk Of Fame und wünscht allen nonstop einen fantastischen Tag.

Er ist auf diese Weise mit vielen Stars per Du geworden, hat in ein paar Filmen mitgespielt und sogar für Trump getrommelt, was bei einem hauptamtlichen Weltbegrüßer wohl zu den schwer verständlichen Amerikanismen gehört. Jeden Tag trägt Donovan dabei etwas, das als Zirkuskostüm missverstanden werden könnte, in Wahrheit aber vermutlich zu den wenigen Dingen mit historischer Belegbarkeit in Hollywood gehört - eine klassische Concierge-Uniform, wie sie selbst in London nur selten anzutreffen ist. Sie besteht aus rotem Mantel oder Gehrock, einem black top hat und weißen Handschuhen und darunter einem schwarzen Anzug, der bei Donovan von Brioni kommt. Jedenfalls, diese würdevolle Uniform unterstreicht sehr passend eine würdevolle Geste wie den Kniefall. Was aber viel bemerkenswerter ist: Donovan schafft, was sein Idol Trump seit Wochen nicht mal ansatzweise hinbekommt - ein öffentliches Zeichen der Anteilnahme. Max Scharnigg

© SZ vom 13.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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