Ladies & Gentlemen:Am englischen Spielfeldrand...

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...finden sich die Kult-Weste von Trainer Gareth Southgate und die banale Spielerfrauen-Erotik von Ruby Mae.

Mit falschen Wimpern klimpern: Ruby Mae

Es ist schmerzhaft, aber nötig, ab und zu mal über den feministischen Tellerrand zu schauen. An den Spielfeldrand der Weltmeisterschaft zum Beispiel. Genau hier nämlich stößt "Me Too" an seine natürlichen Grenzen. Mit einem Blick kann man hier stundenlange Diskussionen über die Berechtigung weiblichen Achselhaars zunichte machen. Oder den Konsens darüber, dass übertriebener Schönheitskult nichts anderes ist als ein Mechanismus der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts. Leute, die Ruby Mae heißen (die Flamme des englischen Mittelfeldspielers Dele Alli) haben mit derlei Gedanken nichts am Hut: Hier, auf den Rängen des modernen Kolosseums, werden noch laszive Haarextensions an die Kopfhaut geschweißt, Plastiknägel angeklebt und die Instagram-Braue, also der akkurat gezupfte und dann flächig ausgemalte Balken, mit falschen Wimpern kombiniert. Ganz so, als wäre die Frau wieder eine Plastikpuppe - nur dazu da, dem Gladiator unten durch die aufgepumpten Lippen Laute der Bewunderung zukommen zu lassen. Dass an so einem Körper selbst ein weißes T-Shirt, zur Betonung in der Taille gebunden, nicht mehr unschuldig wirkt, hätte selbst die wohl berühmteste Fußballergattin Victoria Beckham nicht hinbekommen. Die räumte 2006 mit den anderen Gattinnen die Luxusboutiquen in Baden-Baden leer, hat sich aber mittlerweile gefangen und ist selbst nicht nur Stilikone, sondern auch Geschäftsfrau geworden. Feminismus fängt also doch irgendwann alle ein, oder? Ja, bis auf die Saboteurinnen. Julia Werner

Mit Weste in den Osten: Gareth Southgate

Keine Frage, Fußballtrainer Gareth Southgate macht derzeit eine gute Figur. Er sieht ja im besten Sinne englisch aus, mit seiner markanten und leicht windschiefen Erscheinung, in der man einen Public School Boy vermutet (der er nicht ist). Sein Hang zur offen getragenen Anzugweste hat bei Marks&Spencer für gestiegene Absätze des Kleidungsstücks gesorgt. Im Mutterland des dreiteiligen Anzugs ist nun eine Weste keine Unbekannte, ihre frontale Zurschaustellung am Spielfeldrand wirkt aber doch beinahe exzentrisch. Dabei balanciert der Look gut zwischen seriösem Auftritt und der Hitze des Spiels. Southgates Botschaft: Ich bin als Chef hier im guten Anzug, aber ich gehöre auch zu meinen Jungs! Optisch ist eine passende Weste immer ein Geschmacksverstärker. Sie streckt den Oberkörper, räumt alles auf und wirkt konsolidierend, wie ein urbaner Brustharnisch. Tatsächlich fühlt sich Southgate dem englischen Militär eng verbunden, sein Großvater war bei den Royal Marines, und manche Zeitungen spekulieren, dass die Weste eine Reverenz daran sein soll. Three Lions als paramilitärische Einheit? Na ja. Und all jenen, die jetzt "Go west!" summend zu Marks&Spencer laufen, sei doch gesagt: Weste ist kein Selbstzweck. Um den Southgate-Effekt zu erzielen, müssen Krawatte und Jackett in Reichweite sein. Anzug macht nur kurz Pause! Denn solo und allzu lässig getragen bewegt man sich leider schnell Richtung Akustikmusiker auf Barhocker. Und mit solchen Boho-Kram bringt man jeden echten Engländer gegen sich auf. Max Scharnigg

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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