Ladies & Gentlemen:Die zweite Reihe

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Die Stars der Inauguration wurden schon ausgiebig betrachtet. Aber wie traten eine ehemalige First Lady und der neue Second Gentleman bei dem historischen Akt in Erscheinung?

Von Julia Werner & Max Scharnigg

(Foto: AFP)

Auch dabei: Hillary Clinton

Mode und Politik - eine symbolträchtige Beziehung. Die Symbolik der Ex-First-Lady Melania Trump drehte sich leider immer nur um sie selbst. Trotzdem war sie am Inauguration Day die Einzige, die man als perfekt angezogen bezeichnen konnte. In Washington noch makellose Trauernde in Chanel, in Palm Beach ein paar Stunden später: Slim-Aarons-Girl in einem Kaftankleid von Gucci. Und auch ihre Frisur, ein lässiger Chignon, muss hier als tadellos elegant anerkannt werden. Das kann man von dem vielen überondulierten Haar am Kapitol nicht sagen. Die beiden Damen, die am Mittwoch ins Weiße Haus einzogen, quälten sich außerdem in High Heels die lange Treppe des Kapitols hinunter. Und weil jede Frau weiß, dass Absätze und Treppen die gesamte Hirnkapazität auslasten, können die modischen Entscheidungen von Jill Biden und Kamala Harris nicht als modern bezeichnet werden - feministisches Violett hin oder her. Apropos Violett, diese Farbe trug auch Hillary Clinton, in einer zusammengewurschtelten Kombi aus Hosenanzug, Altkleidersammlungsmantel, Althippieschal und bequemen Arbeitsschuhen. Die Wegbereiterin der jetzigen Vizepräsidentin ist ein so müder Hase im Politgeschäft, dass sie sich längst nach einem Kaffeetassenspruch kleidet, der lautet: Is' mir egal, ich lass das jetzt so. Damit hat sie als Einzige den Zeitgeistnagel auf den Kopf getroffen. Denn die Pandemie hat weibliche Posen aller Art weggewischt wie der Pultdesinfizierer die Pastorenspucke während der Vereidigung.

(Foto: AP)

Nette Kulisse: Douglas Emhoff

Der Mann von Kamala Harris heißt Douglas Emhoff, und dass die Emhoffs eine interessante Sippe sind, das war eine der vielen Erkenntnisse bei der Inauguration am Mittwoch. Harris' Stieftochter Ella Emhoff dürfte jedenfalls relativ problemlos zum intellektuellen Postergirl der Generation Z werden, so cool stürmte sie im Familienverband das Kapitol. Ihr Vater und "Second Gentleman" Douglas versuchte es zum Glück gar nicht erst mit cool - er strahlte mit und ohne Maske rundum befreit, als seine Frau in präsidiale Würden aufstieg. Wie schön! Irgendwie hatte man dieser neuen Rollenbesetzung etwas ängstlich entgegengesehen - wie würde ein gestandener Rechtsanwalt aus New York den ersten US-Prinzgemahl geben und wie verhindern, schon rein körperlich gleich ein bisschen zu präsent zu sein? Unterstellt man guten Willen, fehlt Männern ja oftmals trotzdem in Statur und Körpersprache die Kunst der Zurückgenommenheit. Aber Douglas Emhoff machte die Sache gut. Sein Ralph-Lauren-Outfit, von dem vor allem der doppelreihige Wollmantel mit Herringbone-Muster zu sehen war, war derart felsdunkel und monochrom, dass es wie eine mobile Bühne für die strahlende Violett-Robe seiner Frau wirkte. Klare Botschaft: Ich bin nur Kulisse! Verschüchtert sah Emhoff trotzdem nicht aus, der anhaltende Trend zum Doppelreiher gründet ja in der starken Präsenz dieser Mäntel, sie lassen einen Mann solide dastehen, egal wie wacklig seine Knie auch sein mögen. Man sah es kaum, aber drunter trug Emhoff einen Glencheck-Schal und eine Polkadot-Krawatte, was mit dem Fischgrat-Mantel eigentlich ein bisschen viel ist. Aber sympathisch, denn genau so eine aufgeregte Musterkombi ziehen auch Väter auf der ganzen Welt zum Abschlussball ihrer Töchter an - um darin dann den ganzen Abend gerührt und tränenreich zu strahlen.

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