Körperpflege:Pechsträhne

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Sie kennen einen hippen Herrenfriseur? Glückwunsch! Doch für den Schnitt macht auch das erfahrungsgemäß nur höchst selten einen Unterschied. (Foto: Frédéric Cirou/imago images/PhotoAlto)

Wenig Haar, viele hilflose Erklärungsversuche - und am Ende sieht das Ergebnis sowieso jeden Monat gleich aus. Warum es für Männer beim Friseur nichts zu gewinnen gibt.

Von Max Scharnigg

In dem sehr schönen Film "Der Mann der Friseuse" von 1991 fasst ein zwölfjähriger Knabe den festen Entschluss, seine Friseuse zu heiraten. Weil ihm ihre liebevolle Behandlung, aber auch die ganze Atmosphäre in dem kleinen Salon (es spielt in der Provence) so zauberhaft vorkommen und natürlich alles auch ein bisschen erotisch ist. Das ist einerseits ein nachvollziehbarer Wunsch, der andererseits doch deutlich ins Reich der Fiktion zu sortieren ist. Es mag Männer geben, die im Laufe ihres Lebens ein liebenswürdiges Vertrauensverhältnis zu ihrem Friseur aufbauen und ihn über Jahrzehnte treu alle vier Wochen aufsuchen. Glückwunsch, so sollte es sein. Die Regel ist es eher nicht.

Viel wahrscheinlicher ist, dass man als Mann seit dem zwölften Lebensjahr Dutzende Friseure besucht, aber keinen davon geheiratet hat, ja sich sogar bei keinem hundertprozentig verstanden fühlte. Man bleibt eben bei dem, der redlich bemüht ist, die Sache zügig erledigt, nicht nervig plaudern möchte oder der praktisch auf dem Weg liegt. Und egal, wie nett der monatliche Pflichttermin dort jeweils abläuft, es bleibt oft zwischen den Haarspitzen am Boden auch Unausgesprochenes liegen, in der Art von: Ginge da noch mehr? Ist dieser Haarschnitt das, was mir lebenslang maximal zusteht, oder gäbe es noch, äh, Behandlungsmethoden, die mal ein erfrischend anderes Spiegelbild liefern würden?

Die milde Unzufriedenheit liegt vielleicht daran, dass so ein Besuch beim Herrenfriseur ein seltsam limitierter Vorgang ist. Man weiß als erwachsener Mann oft immer noch nicht genau, was man dabei erwarten oder einfordern kann und welche Hoffnungen angemessen oder überzogen sind, was für Haar man eigentlich hat und welche frisürlichen Eigenheiten. Es fehlt, ganz grundsätzlich, das Vokabular und so etwas wie eine realistische Einschätzung dessen, was eigene Kopfform und Haarmaterial überhaupt noch hergeben.

Ein Programm wie in der Autowaschanlage

Sagt einem ja niemand so richtig. Früher gab es in amerikanischen Salons Aushangtafeln mit sieben Herrenfrisuren zur Wahl, sie hießen "Butch", "Crew" oder "Forward combed Boogie", von denen konnte man sich dann eine bestellen. Das ist sehr pragmatisch und wäre eigentlich immer noch eine serviceorientierte Methode - Frisuren ordern wie ein Programm in der Autowaschanlage. Es würde jedenfalls Klarheit in das Beratungsgespräch bringen, das sich sonst doch meist sehr albern entwickelt: "Und, wie machen wir es heute?" - "Also, oben nicht so kurz und an den Seiten dachte ich, vielleicht so ein bisschen höher schneiden und hinten also, wenn das da so leicht schräg runter ginge ...?"

Sicher, das Minimalziel ist klar: Hinterher sollen die Haare kürzer sein als vorher. Und zwei bis drei Generationen von Gentlemen genügte deshalb auch das klassische Kommando "Short on back and sides, please!", um inniges Einvernehmen mit ihrem Hairdresser herzustellen. Im Grunde ist das bis heute die Herren-Basisfrisur geblieben und vielleicht liegt es nur an der medialen Überreiztheit, dass man sich heute damit nicht mehr zufriedengeben möchte und sich jedes Mal wieder neu um Kopf und Kragen fabuliert.

Warum muss man als Laie überhaupt immer anfangen zu erklären? Warum hat es sich nicht eingebürgert, dass der Friseur mit Profiblick sagt, was in dieser verwachsenen Situation das Vorteilhafteste wäre? Warum können sie nicht ein bisschen mehr wie Chirurgen sein, die ein Röntgenbild betrachten? Stattdessen muss man mit verzweifelten Gesten und Hilfswörtern die eigenen Strähnen zu Markte tragen und über Stufen und Übergänge schwadronieren. Und nennt man das Haar oben wirklich Deckhaar oder hat man sich das selbst ausgedacht? Und wie heißt es, wenn man den Hinterkopf mal so in Kennedy-Manier geschnitten haben möchte, damit es nicht immer aussieht, als käme man direkt aus der Kaserne und hätte die Nackenlinie mit dem Rasenmäher gezogen gekriegt? Es ist eine Sprachwüste, ein Erklärungselend, das zuverlässig nur von der einzigen Nachfrage unterbrochen wird, die bei einem Herrenhaarschnitt von Belang zu sein scheint: Ohren frei oder nicht? Aber ist das nicht auch eine seltsame Frage? Sollte nicht eigentlich die Gesamtfrisur vorgeben, wie mit dem Grenzgebiet zu verfahren ist? Man hat jedenfalls den Eindruck, als gäbe es in Wahrheit nur zwei Frisuren für den durchschnittlich behaarten Mann, und die unterscheiden sich an den Ohren.

Das Ergebnis steht im Grunde schon fest, wenn man den Salon betritt

Einfluss auf den Haarschnitt hat das eigene Gerede kaum, schon gar nicht, wenn man schon länger hingeht. Das Ergebnis steht im Grunde fest, wenn man den Salon betritt. Das wäre nicht so schlimm, wenn nicht vorher lang im Haar gewühlt werden müsste und sich beim Kunden stets die senile Hoffnung breitmachte, dass es nach 30 Jahren und trotz stetig schwindender Haarmenge doch noch mal einen Aha-Effekt geben könnte. Und manchmal hat man ja auch Besuche, nach denen man sich verjüngt und vergnügt in den Schaufenstern spiegelt. Leider sind diese Glücksgriffe auch bei den besten Friseurinnen und Friseuren nicht reproduzierbar. Wenn es dann wieder nur der übliche Strohdeckel geworden ist, sucht man die Schuld bei sich: Ich habe es wieder nicht richtig erklärt.

Wie auch immer, es wäre an manchen Tagen angenehm, in den Salon zu kommen und einfach nur zu sagen: "Heute einmal Haarschnitt Nummer 5, heute mal 'Butch', mir ist danach." Dann könnte der Friseur immer noch sagen: "Verzeihung, Sie haben hier drei Wirbel und eine kahle Stelle, die gewünschte Frisur 5 ist technisch nicht möglich. Ich würde Nummer 7 empfehlen."

Aber so eine fachlich-anatomische Auskunft vernimmt man selten. Es wird einem auch nichts vorgeschlagen, zumindest theoretisch könnten die Meister ja mal in ihre Palette blicken lassen und irgendwas Verrücktes in den Raum stellen: Farbe, Undercut, neue Scheitellinie, Brillantine, Fransenpony, Wuschelkopf und so weiter. Kommt aber nie, offenbar ist das mitgebrachte Haupthaar also einfach nicht satisfaktionsfähig. Den Verdacht hatte man ja schon, als man als Heranwachsender einmal tapfer das Bild eines Prominenten zum Friseur trug, mitsamt der Bitte, einen Bon-Jovi-Cut zu bekommen. Das wurde damals so ernstgenommen, als hätte ein Kleinkind seine Berufswünsche aufgezählt. Und an der Reaktion auf eigene Vorschläge hat sich bis heute wenig geändert.

Dann lieber gleich zum Schnellbarbier

Aus dieser Malaise rührt der grundsätzliche Wechselwille, die sinnlose Suche nach der perfekten Föhnwelle, die einen übrigens auch an einem interessanten Preishorizont entlangführt. Der Autor hat für Haarschnitte im Stadtgebiet zwischen zehn und 85 Euro bezahlt, bei denen die Mäharbeiten zwischen zehn Minuten oder einer ganzen Stunde in Anspruch nahmen (keine Preis/Zeit-Korrelation feststellbar) und die trotzdem ein stets sehr ähnliches Ergebnis zeitigten. Ist das nicht kurios? Selbst die Starcoiffeurs in der Innenstadt boten keine Überraschungen. Bei denen landet man irgendwann, weil man denkt: Wer Fußballerfrisuren entwirft, der kann wohl mit kreativer Höchstleistung schwache Kundenrhetorik ausgleichen. Aber was in diesen Shampoopalästen stattfindet, ist im Grunde nur, dass von allen Seiten so getan wird, als wäre der einfache Männerhaarschnitt ein ähnlich komplexes Event wie bei den Frauen.

Frauen gehen im Schnitt so ein- bis zweimal im Jahr zum Friseur und können bei diesem Anlass eine ganz andere fachliche Ernsthaftigkeit, Eigenexpertise und Behandlungstiefe abrufen, angefeuert von Trendfrisuren und neuen Techniken. Farben, Formen, Stuckaturen, 3-D-Effekte, Typveränderungen, die mit einem halben Meter Haar möglich sind, haben nichts mit dem zu tun, was die fingerlange, dünne Haarschicht des Durchschnittsmannes so hergibt. Nein, Frauen investieren viel Zeit, Geld und Recherche und haben im Laufe ihres Lebens eine Reihe aufregender Frisurmomente. Bei ihnen ist jeder Besuch beim Friseur tendenziell ein Lebensereignis. Beim Mann eine Notwendigkeit, die eher dem Nagelschneiden ähnelt. Daran kann auch der Starcoiffeur nicht viel ändern.

Sinnstiftender ist der Besuch bei einem der zahlreichen Schnellbarbiere in der Bahnhofsgegend. Traut man sich in die von Stammkunden und anatolischer Verwandtschaft umlagerten Geschäfte, erfährt man meist einen wohltuend maskulinen und schnörkelfreien Umgang mit Körperhaar. Hier wird auf die Anhörung von Kundenwünschen gleich ganz verzichtet und zwischen zwei Hinterköpfen nicht mal die Haarschneidemaschine ausgemacht. Das Ergebnis nach 15 Minuten ist entweder ein interessanter Totalschaden, viel häufiger aber ziemlich in Ordnung und vor allem: Es ist das, was ein anderer Mann in einem sieht. Dabei sind angenehme Überraschungen und frisurtechnische Quantensprünge noch am ehesten möglich. Und die Akkordabfertigung in diesen Läden passt irgendwie gut zum banalen Akt, den das stete Nachwachsen und Trimmen der alten Hornfäden nun mal darstellt.

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