Eismacher-Kunst in Deutschland:Eisliebe - auch in Hamburg

Lesezeit: 7 min

Eine Leidenschaft, die einen in der Kindheit infiziert, die lange im Verborgenen schlummert und irgendwann ausbricht. So war es bei De Giglio. Und so ist es bei Franz Hansert aus Hamburg, bei dem bereits der Namen des Ladens Programm ist: Eisliebe.

In der "Eisliebe" ist an diesem Wochentag offenbar ganz Hamburg-Ottensen zu Gast. Die Schlange vor Hanserts alter Theke scheint den ganzen Nachmittag über länger zu werden. Wenn er mal wieder Crema di Riso gemacht hat, sein unvergleichliches Milchreiseis, dann postet er das auf Facebook, und die Liebhaber strömen aus der ganzen Stadt herbei. Genauso wie für sein Pampelmuse-Sorbet, für das er in seiner winzigen Werkstatt sorgsam die herben Früchte öffnet und ihr rotes Fleisch herauslöst, so vorsichtig, dass die kleinen Fruchtfleisch-Schiffchen unverletzt in seinem Eis ruhen und einem auf der Zunge zergehen, herb und süß zugleich.

Was ist wichtig beim Eis? Alles - vom Futter der Milchkühe bis zur Molekülkette in der Zuckermischung

Hansert hat einst Deutsch auf Lehramt studiert, dann ließ er sich von der 68er-Revolution packen, organisierte ein linkes Tagungszentrum am Bodensee, später holten ihn Freunde nach Hamburg, wo er Technik zur Texterfassung verkaufte. Immer wenn er auf Dienstreise war, hielt er sich mit Besuchen in Eisdielen bei Laune. Was er dort sah und schmeckte, gefiel ihm immer weniger. Viele deutsche Eisdielen waren angestaubt, viele italienische gingen in die dritte Generation über, die oft die Leidenschaft verloren hatte. Vor 15 Jahren fing Hansert wieder einmal neu an. Er eröffnete seine kleine Eisdiele im Einmannbetrieb. "Ich habe gedacht, auf dem Eissektor kann man noch etwas Feuer machen." Seine Qualifikation? "Jahrzehntelanges Eisessen."

Inzwischen beglückt er einen ganzen Stadtteil, indem er sein Erdbeereis aus frischen Früchten vom Wochenmarkt herstellt. Indem er sein Schokoladeneis aus drei Schokosorten und Kakaomasse komponiert, weil es nur so seiner Leidenschaft genügt. Weil er lange gesucht hat, bis er einen Iraner fand, der ihm perfekte Pistazien liefern kann, die er selbst röstet, bis sein ganzer Laden duftet. Für einen Sommertag ist der Eisschrank in Hanserts Werkstatt übrigens erstaunlich leer. Er produziert seine maximal zwölf Sorten nicht auf Halde, sondern immer kurz bevor sie verkauft werden. Nur dann schmecken sie so, wie sie sollen. "Das ist das Entscheidende", sagt Hansert, "die totale Frische."

Und weil die unter den Perfektionisten so wichtig genommen wird wie kaum etwas anderes, geht es zum Schluss noch einmal nach München zurück - zu Giorgio Ballabeni, der in der vergangenen Woche angekündigt hat, die Frische im Eishandwerk einer neuen Evolutionsstufe zuführen zu wollen. Ballabeni versteht sich ähnlich wie Hansert darauf, mit Eis ganze Stadtviertel zum Schlangestehen zu ermuntern. Er ist bester Laune, weil sein neues Zwetschgendatschi-Eis so gut ankommt. Um ihn herum blitzt und blinkt es, gerade hat er seine neue Eiswerkstatt in der Nähe des Hauptbahnhofs eröffnet. Herzstück ist die neue Eismaschine. Nicht irgendeine, sondern eine, die alles könne, schwärmt Ballabeni, "eine Weltneuheit, ein Wolf im Schafspelz".

Eiscafé Del Fiore - Gärtnerplatz München

Lecker und hübsch anzusehen: Eissorten aus dem Angebot des 'Del Fiore'.

(Foto: Veronica Laber)

Im Laden sieht man nur zwölf Metallzylinder, in die durch einen Stutzen die vom Meister kreierten Mischungen eingefüllt werden. Ein paar Behälter in einer Kühltheke, das ist alles? Der Clou: Es ist die erste Maschine, aus der heraus das Eis direkt verkauft wird. Ohne lagern, ohne umfüllen - "der pure Stress für gutes Eis", stöhnt Ballabeni - und ist schon auf dem Weg zum Fahrstuhl: Maschine herzeigen. Die erstreckt sich unterhalb der Zylinder über zwei komplette Etagen. Kühlungsrohre von einem halben Meter Durchmesser, Touchscreen-Bedienung und Leitungen, die bis in die Tiefgarage führen. Eigentlich habe er das Ding nicht gewollt, strahlt Ballabeni, der auch Quereinsteiger ist. Überzeugt habe ihn, dass kulinarisch ahnungslose Ingenieure "meine Rezepte und alles, was wir uns in neun Jahren mühsam erarbeitet haben", aus 25 Metern Entfernung am PC fehlerfrei umsetzten. Die perfekte Symbiose von Handwerk und Maschine.

So viel Aufwand für ein paar Becher Eis? Aber ja, ruft Ballabeni. Die Leute seien reif für diese Art von Perfektion. Reif für hervorragendes Eis. Er wolle nicht mehr wachsen, sagt er, "nur besser werden". Und bestätigt habe ihn schon die Reaktion seiner Frau, "meiner wichtigsten Kritikerin", auf das Zwetschgendatschi-Eis am Morgen. "Die war geradezu enthusiastisch. Und das ist noch nie passiert."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema