Dem Geheimnis auf der Spur:Ferngespräch zum Mars

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Während eines elektromagnetischen Experiments im Jahr 1899 meinte der Physiker Nikola Tesla, Signale von Außerirdischen empfangen zu haben.

Von Nicolas Freund

Der Philosoph Ludwig Wittgenstein schrieb Mitte des 20. Jahrhunderts: "Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen." Die Sprache des Löwen wäre uns völlig fremd, aber nicht nur, weil der Löwe ein Löwe und kein Mensch ist, sondern weil er in einer gänzlich anderen Lebenswelt existiert. Folglich muss auch seine Sprache, die für Wittgenstein immer kontextabhängig ist, grundlegend anders sein - selbst wenn sie der Grammatik und den Vokabeln nach der unseren entspräche. Einige Geisteswissenschaftler unterstellten Wittgenstein wegen solcher Aphorismen selbst löwenhafte Züge. Aber wenn uns nun schon die Kommunikationsformen der Tiere, mit denen wir uns immerhin einen Planeten teilen, vor solche schier unlösbaren Probleme stellen, wie sollte dann die Kommunikation mit Wesen denkbar sein, die wirklich aus einer anderen Welt, von einem anderen Planeten stammen?

Er ist sich sicher, dass die Töne, die er gehört hat, nicht von der Erde stammen können

1899: Es ist Nacht in Colorado Springs. Der serbisch-amerikanische Physiker und Erfinder Nikola Tesla ist alleine in seinem Labor. Der Raum ist vollgestellt mit Batterien, Blitzableitern sowie einer Vielzahl kleiner und großer Drahtspulen. Das Dach lässt sich öffnen und gibt den Blick auf eine fast acht Meter hohe Stahlkonstruktion frei, die wie eine einsame Überlandleitung aus der Holzhütte herausragt. Tesla will nicht, dass zu viel von seinen Experimenten nach außen dringt. Hier, weit weg von seinem Konkurrenten Guglielmo Marconi und dem Trubel und der Enge New Yorks, möchte er in Ruhe an seinen Projekten arbeiten. Diese sind ambitioniert: Tesla arbeitet daran, sowohl Nachrichten als auch Energie drahtlos über weite Strecken zu transportieren.

Die nicht ungefährlichen Experimente verlaufen vielversprechend. Tesla entdeckt, dass die Erde von sogenannten stehenden elektromagnetischen Wellen umgeben ist, die er für seine drahtlose Energie- und Datenübertragung nutzen möchte. Die Messinstrumente stellt er so sensibel wie möglich ein: Jede elektromagnetische Ungleichmäßigkeit möchte er wahrnehmbar machen. Dafür hat der Tüftler an die Geräte einfach einen Telefonhörer angeschlossen, der jeden Ausschlag als ein schwaches Piepen wiedergibt.

Viele hätten die Signale vermutlich gar nicht bemerkt, die Tesla in jener einsamen Nacht im Labor in Aufregung versetzten - sie hätten gar nicht gemerkt, dass der Löwe zu ihnen spricht, um in Wittgensteins Bild zu bleiben. Durch den Telefonhörer lauscht Tesla einer sich gleichmäßig wiederholenden Folge von erst einem, dann zwei und schließlich drei Pieptönen. Später sprach er von dem Gefühl des "Unheimlichen, um nicht zu sagen Übernatürlichen", das er angesichts der mathematischen Präzision dieses Signals empfand. Natürliche Erklärungen wie die Sonne, Nordlichter oder Erdströme verwirft er bald. Aber erst zurück in New York ist sich Tesla sicher, dass die von ihm in der einsamen Sommernacht gehörten Töne nicht von der Erde stammen können und dass sie in ihrer Gleichmäßigkeit künstlichen Ursprungs sein müssen. "Immer stärker wächst in mir das Gefühl, dass ich als Erster die Grüße eines Planeten an einen anderen gehört habe", schreibt Tesla 1901. Kommunikation herzustellen mit einer Intelligenz, die nicht von der Erde stammt, hält er für die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Tatsächlich wird auch sein Rivale Marconi Jahre später behaupten, Signale aufgefangen zu haben, die nur vom Mars stammen können. 1924 werden gar die US-Army und die Navy in einem einzigartigen Experiment ihre Funkstationen anweisen, auf merkwürdige Signale achtzugeben. Seit den 60er-Jahren horcht die private Organisation Seti ins All - bisher erfolglos. Die Faszination für die Möglichkeit der Kommunikation mit anderen intelligenten Wesen scheint seit Teslas Entdeckung vor mehr als hundert Jahren nur noch gewachsen zu sein.

Dabei kursierten schon früh Theorien, die ohne kleine grüne Männchen zu erklären versuchten, was Tesla damals in der Nacht gehört hatte. Der Historiker W. Bernard Carlson beschreibt in seiner Biografie Teslas die These der Brüder Kenneth und James Corum, wonach die gleichmäßigen Signale tatsächlich aus dem All stammten, allerdings nicht von einer außerirdischen Zivilisation, sondern von dem Jupitermond Io. Die Rotationsachse, an der sich Io um den Jupiter bewegt, und die Magnetachse des Planeten sind um zehn Grad zueinander verschoben. Aus diesem Grund bewegt sich der Mond nur an einer Stelle seiner Umlaufbahn durch das Magnetfeld Jupiters, wodurch elektromagnetische Wellen entstehen, die auf der Erde als eine gleichmäßige Reihe von Impulsen wahrgenommen werden können. 1996 gelang es den Corum-Brüdern, ihre These in einem Experiment zu bestätigen. Die funkenden Marsmenschen waren endgültig widerlegt.

Tesla hätte dagegen aber vielleicht eingewandt, dass unsere Vorstellung von den Außerirdischen eine gar zu irdische ist. Dass wir die Sprache des Löwen mit der des Menschen verstehen wollen. "Denn es ist leicht zu begreifen, dass das organische Leben in dem Maße, in dem die Dichte der Atmosphäre abnimmt, die Feuchtigkeit verschwindet und der Planet erkaltet, entsprechenden Veränderungen unterworfen sein könnte", schreibt er 1901. Er deutet die Möglichkeit von Leben an, das sich durch Energie, wie der aus elektrischen Feldern, erhält - oder von Leben, das etwa ganz aus Energie besteht. Die Marsmenschen waren für Tesla eine Denkfigur, ein Gedankenexperiment am Rande des Vorstellbaren. Ähnlich wie für Ludwig Wittgenstein, der in seinen Texten auch gerne einen Marsmenschen auftreten ließ, wenn es ihm darum ging, einen von unseren Konventionen gänzlich abweichenden Standpunkt zu verdeutlichen.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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