Dem Geheimnis auf der Spur:Das Roswell-Mysterium

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1947 soll in New Mexico ein Raumschiff mit Außerirdischen an Bord abgestürzt sein. Doch die amerikanische Armee und die Regierung, so glauben zumindest Verschwörungstheoretiker bis heute, haben alles vertuscht.

Von Nicolas Freund

Am 8. Juli 1947 titelte die Regionalzeitung Roswell Daily Record "Luftwaffe sichert fliegende Untertasse auf Ranch in der Roswell-Region". Am selben Tag soll auch die lokale Air Force Base eine Pressemitteilung veröffentlicht haben, in der sie zu den Gerüchten Stellung nahm, die seit Tagen kursierten. Das Militär bestätigte, eine fliegenden Untertasse geborgen zu haben, wie man Ufos damals noch gerne nannte. Was war geschehen?

Bereits einige Wochen zuvor war der Vorarbeiter William Brazel nördlich der Kleinstadt Roswell in New Mexico zufällig auf ein Trümmerfeld gestoßen: Gummiteile, Pappe, Klebeband und folienartiges Material lagen in der Gegend verstreut. Brazel maß dem erst keine große Bedeutung bei, änderte dann aber seine Meinung. Einige Tage später kehrte er mit seiner Familie zu der Stelle zurück, sammelte so viele Trümmer ein, wie er finden konnte, und berichtete dem Sheriff von dem Fund. Kurz vor dem Erscheinen des Zeitungsartikels am 8. Juli raunten die ersten im Ort, dass Brazel möglicherweise das Wrack einer fliegenden Untertasse gefunden habe.

30 Jahre später meldeten sich plötzlich lauter Zeugen, die angeblich etwas gesehen hatten

Eine fliegende Untertasse konnte damals genauso gut vom Mars, wie aus der Sowjetunion stammen. Der Zweite Weltkrieg war gerade erst vorbei, viele US-Soldaten noch immer im fernen, verwüsteten Europa stationiert. Der Kalte Krieg zog herauf und viele Amerikaner waren von der Propaganda verunsichert, die vor der kommunistischen Bedrohung warnte. Von Außerirdischen in Roswell war zunächst noch keine Rede.

Die Aufregung um die fliegende Untertasse hielt auch nur kurze Zeit an. Das "Ufo-Wrack" wurde in eine größere Air Force Base in Texas gebracht, und dort bestätigte sich, was manche bereits vermutet hatten: Bei dem außerirdischen Raumschiff handelte es sich nach Aussage des Militärs um einen Wetterballon aus Folie. Die Trümmer wurden bei einer Pressekonferenz präsentiert, das Interesse an dem Vorfall verebbte so schnell wieder, wie es aufgekommen war.

Erst mehr als 30 Jahre später nahm eine Gruppe selbsternannter Ufo-Experten wieder Bezug auf die Ereignisse in Roswell. Zwei von ihnen, Charles Berlitz und William Moore, veröffentlichten 1980 das Buch "The Roswell Incident" ("Der Roswell-Vorfall"). Darin stellten sie das erste Mal ausführlich die Theorie auf, dass 1947 in Roswell ein Ufo samt außerirdischer Besatzung abgestürzt sei und die amerikanische Regierung seitdem alles in ihrer Macht stehende unternehme, um diesen Vorfall zu verschleiern. Das Buch sollte der Auftakt zu einer Reihe populärwissenschaftlicher Abhandlungen, reißerischer Dokus und dreister Fälschungen sein.

Plötzlich meldeten sich immer mehr Zeugen, die im Sommer 1947 etwas Seltsames mitbekommen haben wollten. Mysteriöse Lichter am Himmel wollten viele gesehen haben, die Folie des Wetterballons, sollte nun "nicht von dieser Welt" sein. Die Autoren des "Roswell Incident" und ihre Nachfolger hatten angeblich Dutzende Zeugen aufgestöbert und zum Sprechen gebracht, die damals an der Bergung und der folgenden Verschleierung des Ufos beteiligt gewesen waren. Manche schienen sich tatsächlich erst im Altersheim, Jahrzehnte nach dem Vorfall, erinnern zu können, dass sie ja damals einen Außerirdischen gesehen hatten.

So viele Anhänger diese Theorien fanden, so stark wurden sie wegen vieler offensichtlicher Ungereimtheiten kritisiert - was die Verschwörungstheoretiker aber natürlich noch darin bestärkte, einem großen Geheimnis auf der Spur zu sein.

Hinzu kam, dass das Konzept der Regierungsverschwörung für viele Amerikaner nicht neu war. So wie sich heute hartnäckig die Meinung hält, die Anschläge vom 11. September 2001 seien von der CIA koordiniert worden, um die amerikanischen Invasionen in Afghanistan und im Irak zu rechtfertigen, so gab es auch Theorien, der Angriff auf Pearl Harbor und der Anschlag auf John F. Kennedy seien orchestriert worden, um größere Pläne durchzusetzen.

Obwohl sich viele dieser Spekulationen heute wie Stoff für Science-Fiction-Thriller anhören: In den Siebziger- und Achtzigerjahren hatten amerikanische Bürger tatsächlich allen Grund, paranoid zu sein. 1971 veröffentlichte die New York Times geheime Dokumente über den Vietnamkrieg und die Bereitschaft der Regierung, skrupellos die eigenen Bürger in diesem Krieg zu opfern. Die Nixon-Regierung war so paranoid aus Angst vor Presse, Opposition und sich selbst, dass sie in Regierungskreisen ein wildes Spionagesystem einrichtete, um Mitarbeiter zu überwachen und Feinden Nixons im Notfall etwas anhängen zu können. Vor allem der 1972 aufgedeckte Watergate-Skandal hatte das Vertrauen vieler Bürger in den Staat nachhaltig geschädigt.

Gemein ist vielen Verschwörungstheorien, dass sie, obwohl meist zu absurden Erzählungen aufgeblasen, einen solchen wahren Kern haben. Regierungsverschwörungen gab es wirklich, so wie eigenartige Experimente während des Kalten Krieges und geheime Abkommen mit Terroristen. Ähnliches gilt für den Roswell-Vorfall, bei dem tatsächlich etwas vertuscht worden war: Mehrere Autoren behaupten inzwischen, es habe sich bei den geborgenen Trümmern weder um ein Ufo-Wrack, noch um die Reste eines Geräts zur Wetterüberwachung gehandelt, sondern um einen experimentellen Ballon, mit dem die Armee sowjetische Nukleartests überwachen wollte. Daher auch das merkwürdig schnelle Einschreiten des Militärs, um einen vermeintlich harmlosen Wetterballon zu sichern. Aber gegen die Faszination der Aliens konnte sich diese These bis heute nicht durchsetzen.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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