Chefin von Jimmy Choo:An der Schuh-Spitze

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Sandra Choi ist die Chefdesignerin von Jimmy Choo. (Foto: Jimmy Choo)

Hinter der Glamourschuhmarke Jimmy Choo steckt Sandra Choi. Die mächtigste Frau der Schuhwelt setzt jetzt auf ein neues Segment: Herrenschuhe.

Von Dennis Braatz und Alex Bohn

Den Weg zur mächtigsten Frau der Schuhwelt stellt man sich voller Hindernisse aus persönlichen Assistenten und Vorzimmerdamen vor. Sandra Choi tippt einem aber lieber gleich selbst von hinten an die Schulter.

Vielleicht, weil die winzige Frau mit der strengen Kurzhaarfrisur im Gedränge der Show zu ihrer neuen Männerschuhkollektion für Jimmy Choo kaum aufgefallen wäre. In einer Londoner Turnhalle hat sie einen Skatepark aufbauen lassen. Die Models sind Sportler, die auf BMX-Rädern beweisen sollen, dass ihre Slip-Ons und Sneaker auch wilde Stunts aushalten. Die Musik donnert so laut, dass Choi schreien muss: "Komm, setzen wir uns lieber draußen auf die Treppe!"

Bevor sie von ihrer Anfangszeit bei der weltberühmten Marke (eigentlich bekannt für extrem hohe High-Heels) erzählen kann, kommt dann aber doch noch eine Assistentin. Um zu fragen, ob das mit der Treppe auch wirklich in Ordnung sei. "Warum auch nicht? So einfach lief es doch auch früher."

Ein Händchen für Produktdesign

Früher, das war in den Neunzigerjahren, als sie ihrem Onkel Jimmy Choo in seiner Werkstatt für Maß-Heels im Hackney-Viertel half. "Ich war einfach da und dachte, ich könnte genauso gut bleiben. Eine sehr chinesische Einstellung", sagt sie, die zwar in Großbritannien geboren wurde, aber in Hongkong bei ihren Großeltern aufwuchs.

Nebenbei beginnt Choi ein Modedesign-Studium an der Central St. Martins University of the Arts, bricht jedoch ab, als das Geschäft des Onkels immer besser läuft. Familie geht eben über alles. Noch so eine chinesische Einstellung. Und: "Mein Professor attestierte mir, dass ich ein besonders gutes Händchen fürs Produktdesign hatte."

Sandra Choi erinnert sich, wie damals immer häufiger das Werkstatt-Telefon klingelt und Stylisten Schuhe für ihre Shootings bestellen, darunter auch Vogue-Redakteurin Tamara Mellon. Die kommt kurz darauf zum persönlichen Kennenlernen vorbei und schlägt vor, in das kleine Unternehmen zu investieren, um aus ihm ein ganz großes zu machen, und zwar mit Schuhen von der Stange.

Berühmt dank Carrie Bradshaw

Der Rest ist Geschichte, weil Ende der Neunziger eine Szene in "Sex and the City", in der Carrie Bradshaw nicht müde wird, ihre gerade verlorenen "Choos" zu betrauern, nun mal die beste Schuh-Werbung überhaupt ist.

Plötzlich spielen Jimmy Choos mit Manolo Blahniks, Christian Louboutins und Roger Viviers in einer Liga. Auf dem roten Teppich zur Oscar-Verleihung werden sie durch Frauen wie Kristen Stewart, Jane Fonda, Naomi Watts und Sandra Bullock zur meist getragenen Marke, zum Symbol von Hollywood-Glamour - und ihr Erfinder wird sehr unglücklich. Er hat schnell genug von all dem Pomp und steigt 2001 aus.

Sandra Choi entscheidet sich gegen die Familienbande und bleibt im Geschäft, allerdings vorerst in zweiter Reihe hinter der Investorin Tamara Mellon. Auf ihren Onkel angesprochen, wird sie schmallippig. Die beiden sollen angeblich keinen Kontakt mehr haben. Er fertigt wieder Maßschuhe, sie hofft, dass er stolz auf sie ist.

2013, immerhin nach mehr als 24 Jahren im Unternehmen, ist Sandra Choi nämlich zur Kreativdirektorin aufgestiegen. Das war kurz nachdem Mellon ging, von der sie aber noch alles Wichtige lernte, was übers Schuhmachen hinausgeht.

"Ich bin ja nicht mit Luxus aufgewachsen", sagt sie, "ich habe mir nur das Verständnis für diese Welt erarbeitet." Wie viele zurzeit sehr erfolgreiche Designer mit chinesischen Wurzeln: Carol Lim und Humberto Leon von Kenzo oder Phillip Lim. "Mit ihnen gemeinsam habe ich wohl die hohe Arbeitsmoral und den Hunger nach Erfolg."

Deshalb hat die zweifache Mutter nicht nur die Linie "Choo.8" lanciert, die bewusst mit weniger Glitzer und Hollywood-Glamour auskommt und vor allem aus vielen flachen Schuhen besteht. Passend dazu hat sie gleich nach ihrem Amtsantritt auch das Haupt-Testimonial, die Schauspielerin Nicole Kidman, gefeuert.

Lebensmittel kauft sie online

Choi hat auch eine Made-to-Order-Kollektion eingeführt, bei der sich die Kundinnen Material, Farbe und Absatzhöhe der Schuhe selbst aussuchen können. Vor allem diese kleine Hommage an den Markenursprung werten Brancheninsider als kleine Wiedergutmachung an ihren Onkel.

Seit einem Jahr ist klar, dass dies der richtige Kurs war, auch wenn Choi kaum noch zur Ruhe kommt ("Sogar meine Lebensmitteleinkäufe erledige ich online, abends im Bett.") Laut Ranking-Agenturen und Forbes-Listen ist die Marke Jimmy Choo längst bekannter und bei Frauen begehrter als die Konkurrenten Blahnik, Louboutin und Rossi.

Choi spielt diesen Erfolg natürlich runter, das liege alles nur an ihrem himmlischen CEO Pierre Denis, sagt sie. "Er lässt mich alles machen." Denis wiederum liefert einen anderen, nicht uninteressanten Grund: "Jimmy Choo ist in erster Linie eine Marke für Frauen, entworfen von einer Frau. In der Welt der Luxusmarken ist das eine Rarität." Stimmt. An der Spitze aller anderen Marken stehen Männer, was gerade im Falle von (oft schmerzhaften) High-Heels nicht ganz leicht nachvollziehbar ist.

Für die Herren zu weiblich

Wie ist das aber jetzt, wenn eine Frau gleichzeitig auch Chefin einer Männerschuhmarke ist? Kritiker haben in der Vergangenheit immer wieder bezweifelt, dass die Herrenlinie von Jimmy Choo erfolgreich sein könnte, weil das Image zu weiblich sei und Männer nun mal am liebsten bei Traditionsmarken kaufen.

Sandra Choi hat nicht ohne Grund für die Präsentation einen Skatepark aufbauen lassen, in dem jetzt immer noch Sportler ihre Schuhe malträtieren. Auf den Rängen der Turnhalle werden zwischen neuen Sneakern auch klassische Lederschnürer vorgestellt, die ständig im Programm sind.

"Klar, das Männersegment braucht immer etwas länger als das der Frauen", sagt sie. Letztlich habe man bei Jimmy Choo natürlich erst einmal von Frauen profitiert, die in den eigenen Stores oder im Online-Shop zufällig etwas Passendes für ihre Männer fanden. "Mittlerweile wächst das Geschäft mit Herrenschuhen bei uns schneller als jeder andere Bereich."

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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