Architektur:Mehr Farbe!

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Das Bauhaus war ursprünglich verführerisch bunt. Bis der "International Style" einen schlichten Funktionalismus forderte. Heute darf es endlich wieder leuchten.

Von Catrin Lorch

Wie kann das sein: Dass ein Visionär wie Walter Gropius die bedeutendsten Maler seiner Zeit als Lehrer für das Bauhaus verpflichtet - und das Resultat ist die Vision einer strahlend-weißen Architektur. Wer in der Nachkriegszeit die Gemälde von Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger, Oskar Schlemmer oder Josef Albers und László Moholy-Nagy schätzte, dem hätte es schon früh auffallen müssen, dass da etwas nicht stimmt am Bild einer weißen Moderne. Doch diese Vorstellung ist bis in die Gegenwart prägend - auch wenn seit den Neunzigerjahren die Bauten der Zwanzigerjahre endlich wieder ihre ursprünglichen Farben zurückerhalten. Und die sind bunt.

Das von Walter Gropius geplante Treppengelände des Bauhaus-Gebäudes in Dessau. (Foto: Alan John Ainsworth/dpa)

Es ist ein Irrtum der ignoranten Nachkriegszeit, vor allem aber die amerikanische Propagierung eines "International Style", die rückblickend auch die Avantgarde der Zwanzigerjahre in Europa weiß tünchte. Denn eigentlich hatten gerade die Architekten und Gestalter des Neuen Bauens in Deutschland die Palette kräftig aufgemischt. Wo das Bauhaus einrichtete, strich man Wände pastellgrün oder lila und möblierte in Rot oder leuchtendem Blau, wo vorher behäbige Bürgerlichkeit mit Furnier oder dunkel gebeizten Holztönen vorherrschte. Die Entwürfe für die Studios, Büroräume und Meisterhäuser des Bauhauses in Dessau sind so sorgfältig kalibriert wie kubistische Gemälde.

Mit dem abblätterndem Putz ging die Erinnerung an die Moderne verloren

Und auch die Fassaden wurden bunt - schon weil ja endlich Platz war, weil man auf historistische Figuren, Säulen oder Verzierungen verzichtete. Leuchtend ausgemalte Quer- oder Längsbänder zierten die Reihenhäuser, deren Fronten sich teilweise in kontrastierenden Tönen voneinander absetzten. In Frankfurt, wo Margarete Schütte-Lihotzky die erste Einbauküche überhaupt enzianblau anmalen ließ, arbeitete Stadtbaurat Ernst May nicht nur mit grünen Glasbausteinen, sondern genehmigte den Baustellen, auf denen viele Tausend Wohnungen gleichzeitig hochgezogen wurden, die Verwendung eines luxuriösen Mineralputzes. In dessen Pigmente konnten die Lichtstrahlen tief eindringen, weswegen die Farben intensiv leuchteten. Bruno Taut, der die geschwungenen Linien seiner Berliner Hufeisensiedlung mit blauen Bändern rhythmisierte, hatte Anfang der Zwanzigerjahre den "Magdeburger Farbenstreit" angezettelt: "Die Farbe soll den Bauten ihren Charakter zurückgeben", forderte der Entwerfer und ließ die Töne von Fenstern und Türen kräftig akzentuieren. Er verschränkte auf den Fassaden Hellblau und Rosa mit Gelb und Orange.

Ein Hauseingang aus dem denkmalgeschützten Quartier Ostseestraße/Grellstraße in Berlin. (Foto: Wikimedia Commons/Bettina Güdelhöfer/CC BY-SA 4.0)

Dass mit abblätterndem Putz die Erinnerung an diese Moderne verloren ging, dafür ist einerseits schon in den Entstehungsjahren in Deutschland die öffentliche Wahrnehmung verantwortlich, die die Siedlungen als karg empfand - wohl weil die Architekturaufnahmen das helle und lichte der Avantgarde vor allem in Schwarzweiß akzentuierten. Die Nationalsozialisten diffamierten dann die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung mit seinen Dachterrassen als "Araberdorf".

Vor zehn Jahren wurde endlich auch das Bauhaus-Gebäude in Dessau wieder bunt ausgemalt

Folgenreich war aber vor allem der Begriff des "International Style", der sich in Bezug auf die Moderne farbenblind stellte, während er die Errungenschaften des Bauhauses propagierte. 1932, als das Bauhaus in Dessau schließen musste, machte eine Ausstellung des Museums of Modern Art in New York den Gropius-Bau zum Modell eines rationalen, weißen, schlichten Funktionalismus. Auch gegen die Ansage von Walter Gropius, der gerade keinen ",Stil', kein System, Dogma, Kanon, kein Rezept und keine Mode" prägen wollte. Die gleichzeitig erschienene Publikation "The International Style: Architecture since 1922" wurde zur Fibel der amerikanischen Ästhetik.

Ein Hauseingang in der Berliner Hufeisensiedlung des Architekten Bruno Taut. (Foto: Wikimedia Commons/ Bettina Güdelhöfer/CC BY-SA 4.0)

Im Stil dieser aus den USA rückimportierten modernen Architektur wurden in Deutschland Gebäude in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bevorzugt grau oder weiß gestrichen, wo sie nicht ohnehin verglast oder mit hellem Stein geplättelt waren. Die bunten Farben der Siedlungen und Villen aus den Zwanzigerjahren verschwanden unter weißem oder beigem Anstrich. Ein Zeichen äußerster Gleichgültigkeit für die herausragenden Leistungen der Zwischenkriegszeit; erst in den Achtzigerjahren begann man damit, die eigene Architekturgeschichte aufzuarbeiten. Und entdeckte nicht nur viele Blätter mit experimentellen Farbstudien in den Mappen ehemaliger Bauhaus-Studenten, sondern auch Entwürfe von Gestaltern, die - bevor die Maler den Pinsel ansetzten - in unzähligen Entwürfen Straßenfronten oder Wohnzimmerwände koloriert hatten. Schon vor mehr als zehn Jahren wurde auch das Bauhaus-Gebäude in Dessau wieder bunt ausgemalt. Mit blauen und zitronengelben Wänden, roten Türen und grauweißen Fenstern. Und unter dem Handlauf des so berühmten Treppenhauses leuchtet es besonders: in Orangerot.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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