Lokaltermin:KaDeWe

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Im Kaufhaus des Westens kann man an 35 Theken essen. Nun wäre es schön, wenn zwischen Austern, und Kaviar einfach mal gute Pasta gereicht würde.

Von Harriet Köhler

Im Berliner KaDeWe können Feinschmecker an insgesamt 35 Edeltheken Pause einlegen. Nun wäre es schön, wenn zwischen Austern, Kaviar und Hummerscheren einfach mal ein guter Teller Nudeln oder essbare Brötchen gereicht würden.

Die davon zu künden wissen, kriegen langsam graue Schläfen, und doch: Es hat sie gegeben, die Zeit, in der Feinschmecker im KaDeWe tatsächlich ihre Einkäufe erledigten. Wo sonst in Berlin hätten sie noch vor zehn, 15 Jahren Zunge oder Hirn bekommen? Wo dicke Scheiben gelierten Fonds? Wo Hummer, Austern, Wachteln, wo spanischen Schinken, französische Patisserie?

Und immer noch ist das Warenangebot auf der berühmten "Fressetage" geradezu pornografisch. Allein die Fischtheke! Lebende Saiblinge und Regenbogenforellen, Hummer, Seespinnen und Taschenkrebse, Seeteufelbäckchen und Rochenflügel, kindsgroßer Meeraal und weißer Heilbutt, der aus der Auslage quillt. Nur ein paar Schritte weiter: Vitrinen mit Trüffeln, Stopfleber, Kaviar. Daneben: 14 Sorten Lachs. Langustenschwänze, vorgegart. Red-King-Crab-Scheren. Endlose Reihen Feinkostsalate. Armeen von Canapés. Hunderte Regale mit Hunderten Sorten Salz, Öl, Essig, Senf, Soßen, Tees, Konfitüren, Keksen und Pralinen aus aller Welt - insgesamt 35 000 Produkte, alle teuer und erlesen.

An Menschen, die tatsächlich kochen, richtet sich das Angebot aber nicht mehr, das merkt spätestens, wer verzweifelt nach Dosentomaten sucht (im letzten Eck hinter der Fischtheke, ganz unten bei den Konserven) oder wer in den Reihen voller Kastanien-, Erdbeer-, Barolo-, Lachs- oder Petersilienpasta keine schlichten Orecchiette findet. Obst und Gemüse bietet jeder ambitionierte Händler in ähnlicher, oft besserer Qualität. Das einst gigantische Geflügelsortiment wurde eingedampft auf eine Vitrine am Rande der Fleischabteilung. Der Metzger dort erzählt gern vom Problem, unter den Kundenscharen einen Abnehmer für einfache Kalbsschulter zu finden. Abzuraten ist auch von den 1300 Sorten Käse, die - großes No-go - in Frischhaltefolie auf sich erbarmende Käufer warten und dabei allen mühsam affinierten Wohlgeschmack verlieren. Macht alles nichts, inzwischen ist Berlin kulinarisch erblüht, es gibt jede Menge Quellen für Nahrungsmittel erster Güte. Nur: Was tun die Massen dann noch hier?

Sie essen. 35 "Feinschmeckerbars" gibt es im Kaufhaus des Westens - auch für Pausen von den Weihnachtseinkäufen. Zusätzlich ist fast alles in den Vitrinen mit zwei Preisen ausgezeichnet: "Außer Haus" und "Verzehr vor Ort". In jedem Winkel verschlingen teuer gekleidete Menschen Sushi-Röllchen und Sacherwürstchen, Hummer, Horsd'œuvres und Heringsfilet. Wieso auch nicht? Die Nordseekrabben im zum Bersten gefüllten Roggenrundling sind von bester Qualität (15,95 Euro) - doch ist das Brötchen selbst so gewöhnlich und trocken, dass man ausnahmsweise für ein Sößchen plädieren würde. Derer gibt's am gut besuchten "New Burger"-Stand reichlich; allerdings ist schon der einfache "Le Classique"-Burger (9,90 Euro) so gigantoman und unhandlich, dass aus der einfachen Mahlzeit ein Machtkampf wird, der erst recht keinen Spaß macht, wenn man mit Handtasche auf dem Schoß auf einem Barhocker sitzt - man fragt sich, wie die anderen Gäste ihre "KaDeWe-Burger" mit Rinderfilet und Hummerschwanz bezwingen.

Geht das nicht manierlicher? Dort drüben etwa, bei "Paul Bocuse"? Die Karte liest sich vielversprechend: "Flétan rôti sur salsifis de choux de Bruxelles"! "Oie rôtie"! Der Heilbutt ist dann korrekt gegart und liegt auf bissfestem Schwarzwurzel-Rosenkohl-Speck-Gemüse, fällt aber eher durch seinen Preis auf als durch Finesse (29,90 Euro). Die Gans indes ist faserig-trocken und wurde offenbar so lange warm gehalten, dass sie eine lederige Schicht umgibt; die Hautreste stehen dafür voll im Fett, sind unaromatisch und knuspern nur kläglich; der Knödel dazu schmeckt wie Wasser, das mit Kartoffelmehl gebunden ist (32 Euro).

Wer nun glaubt, er könnte sich nebenan bei "Lenôtre" mit französischer Patisserie trösten, wird ebenso enttäuscht: Die Birnentorte bedeckt ein unangenehm nach Ei schmeckender Mandelguss, und das "Tartelette aux fruits" ist ein banaler Tarteboden mit Beeren. Überhaupt fragt man sich, wie sich das Gejapse um die Berliner Dependance der Kultkonditorei begründet - das Baguette ähnelt gebackenem Styropor, die Croissants sind ausdruckslos-buttrig. Dafür stehen die Leute Schlange? Ein Rätsel. Aber immerhin eines aus dem KaDeWe.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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