Zweite Liga:Spielwitz nach dem Theater

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Mit viel Offensivgeist gewinnt 1860 gegen Karlsruhe 2:1 und versucht, den Dopingfall Vucicevic zu vergessen.

Gerald Kleffmann

Es sah schon etwas ulkig aus, wie sich die zwei in bester Rappermanier mit hoch erhobenen Pranken abklatschten und anschrien, aber zu oft kommt es eben nicht vor, dass Präsident Karl Auer und Geschäftsführer Roland Kneißl gleichzeitig ausflippen, da müssen die Gefühle irgendwo hin.

Der Münchner Jiayi Shao erzielt den Treffer zum 0:1. (Foto: Foto: dpa)

Schuld waren 90 aufregende Fußballminuten, die drei Tore, viel Hektik am Ende und letztlich einen verdienten Sieger boten. Durch die Treffer von Jiayi Shao und Michal Kolomaznik gewann der TSV 1860 am Sonntag 2:1 beim Karlsruher SC, es war der fünfte Auswärtserfolg der Münchner im siebten Spiel.

Wenigstens bis heute, wenn Cottbus antritt, sind die Löwen wieder Erster der Zweiten Liga. Nach dem Theater um Nemanja Vucicevic kam dem TSV dieses Erlebnis gerade recht. Das war ein schweres Spiel für uns", gab 1860-Trainer Reiner Maurer zu, "aber wir haben uns gegen das Unentschieden oder Schlimmeres gewehrt."

Vor der Partie hatten die Spieler des TSV eine besondere Parole ausgegeben. "Wir wollen für Nema siegen", hatte Rodrigo Costa betont; der Brasilianer bezog sich auf den des Dopings überführten Profi Vucicevic, dessen Haarwuchsmittel-Fall am 2. Dezember vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes verhandelt wird.

Gestern ist der Offensivspieler, sollte seine Rückreise wie geplant geklappt haben, aus seiner Heimat Belgrad nach München zurückgekehrt, allerdings war er nicht in Karlsruhe; er ist ja gesperrt.

Vucicevic wäre entzückt über seine Mannschaftskollegen gewesen, die von Beginn an den Gegner dominierten. Kapitän Matthias Lehmann feuerte in der vierten Spielminute einen Fernschuss ab, der offensichtlich ein Kommando an die Mitspieler war - die Löwen spielten tatsächlich selbstbewusst auf Sieg.

Auf fremden Plätzen

Es ist zurzeit ja das Los des TSV, zuhause zu enttäuschen, dafür aber auf fremden Plätzen zu begeistern. Costa grätschte nun wieder solide den Ball weg, und dass Torben Hoffmann im eigenen Strafraum ohne Foul ein Duell (gegen Christian Eichner) gewann, verdient ein Ausrufezeichen.

Einzig Daniel Baier patzte einmal, als er sich durch die Füße spielen ließ, aber seine O-Beine sind dafür wirklich zu geeignet. Die Löwen agierten ansonsten geschickt, Lehmann und Remo Meyer verteilten die Bälle, ruhig und mit Übersicht.

Karlsruhe versuchte zwar immer wieder, den einen entscheidenden Pass anzusetzen. Aber 1860 ließ sich nicht übertölpeln. Die Nervosität von Roland Kneißl war unangebracht; nachdem er wie ein vom Torero verletzter Stier aufs Feld sprang, wurde er von Schiedsrichter Markus Kuhl zurückdirigiert.

Echter Spaßmacher

Nach 17 Minuten, die Partie hatte sich kurz beruhigt, gelang den Münchnern die Führung, und das, ohne die Chance zuvor herausgespielt zu haben. Karlsruhes Verteidiger Mario Eggimann war es, der patzte. Jiayi Shao nutzte dessen schlecht gestoppten Ball und traf aus fünf Metern.

Der Chinese ist in diesen Tagen ein echter Spaßmacher für die Löwen, er schießt Tore und vermittelt Spielwitz. Minuten später etwa tänzelte er einen Gegner aus, indem er den Ball mit der linken Verse hinter sein rechtes Bein zog. Tricks dieser Art sind selten bei 1860 zu bestaunen, und es überraschte nicht, dass Shao am zweiten Treffer beteiligt war.

Meyer passte in Richtung Strafraum, Shao tat so, als stoppe er den Ball, dann aber ließ er ihn durch die Beine rutschen, und Michal Kolomaznik verwertete zum 2:0. Karlsruhes Darbietung war nicht schlecht, Giovanni Federico hätte beinahe den Anschluss geschafft (Baier klärte auf der Linie), letztlich jedoch war die Pausenführung verdient.

Sie währte in dieser Höhe genau zwei Spielminuten, denn es ist ja das andere Los des TSV, regelmäßig die Wiederaufnahme nach dem Seitenwechsel zu verschlafen. Der eingewechselte Sean Dundee traf rechts unten ins Netz. Nun war Kneißls Anspannung gerechtfertigt (er blieb aber tapfer sitzen), Karlsruhe bekam "frischen Wind", wie Maurer sagte; zumal Härte und Hektik in die Partie kamen.

Aggressive Stimmung

Zuerst pöbelten einige 1860-Fans, die Polizei marschierte dutzendweise im Gästeblock ein. Dann begannen die Spieler, sich in Minutenabständen zu foulen, Schiedsrichter Kuhl entglitt das Kommando, die Stimmung wurde aggressiv.

Godfried Aduobe hätte nach einer Attacke gegen Matthias Lehmann eigentlich vom Platz gestellt werden müssen. "Das war ein Spiel mit Haken und Ösen", befand Maurer, der sich nicht lange mit diesem Erfolg aufhalten wollte. "Ein Sieg nun im Derby gegen Unterhaching ist Pflicht."

Schließlich gilt es, endlich etwas für die magere Heimbilanz zu tun. Auswärts klappt es nach wie vor bestens.

© SZ vom 28.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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