Zweite Liga:Feuer erloschen

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Offene Jacke bei null Grad: Alexander Nouri ist als Motivator und Antreiber beim FC Ingolstadt 04 gescheitert. (Foto: Jan Huebner/imago)

Nach nur 63 Tagen muss Trainer Alexander Nouri beim Zweitliga-Letzten Ingolstadt schon wieder gehen. Seine persönliche Serie hat er dort auf 21 Spiele ohne Sieg ausgebaut.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Die Momente, in denen der Fußballtrainer Alexander Nouri ein Spiel ganz still verfolgt, sind selten. Nouri ist ein Antreiber, er klatscht und schreit seinen Spielern hinterher, so als wolle er sie dadurch beschleunigen. Selbst bei Temperaturen um die null Grad steht er daher vorwiegend mit offener Jacke da. In einer Trinkpause mit dem FC Ingolstadt neulich gegen Arminia Bielefeld klatschte er mit allen Spielern ab und umarmte seinen Antreiber auf dem Feld, Almog Cohen, so fest, dass dem Israeli wohl kurz die Luft weggeblieben sein musste. Das ist dieses "Feuer", das der Vorstandsvorsitzende Peter Jackwerth vor zwei Monaten ansprach. Das Feuer, mit dem der 39-jährige Nouri den Ingolstädter Aufsichtsrat überzeugte, Nachfolger des beurlaubten Stefan Leitl zu werden. Womit der FCI vom eigentlichen Vorhaben abrückte, einen erfahrenen Zweitliga-Coach als Nachfolger zu holen.

63 Tage nach dessen Amtsantritt beriet der Aufsichtsrat am Montag nun aber bereits wieder über Nouri. Nach dem 0:2 bei Dynamo Dresden ging es nicht um eine Beförderung beim Tabellenletzten der zweiten Fußball-Bundesliga: Der FC Ingolstadt hat Nouri stattdessen entlassen, er ist jetzt der Trainer mit der kürzesten Amtszeit in der 14-jährigen Geschichte des Vereins (vor Marco Kurz, 92 Tage). Zunächst wird der U19-Coach Roberto Pätzold die Mannschaft interimsweise betreuen. Nouris trainingsfreien Dienstag hat er gestrichen, um 15 Uhr ging es auf den Platz. "Nach den ausbleibenden Erfolgserlebnissen sahen wir uns zum Handeln gezwungen", sagte Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor Harald Gärtner.

Jens Keller soll schon bei der vergangenen Trainersuche Gärtners Favorit gewesen sein

Zum "Wir" gehört seit der vergangenen Woche auch wieder Thomas Linke - als externer sportlicher Berater. Aus persönlichen Gründen zog er sich im Sommer 2017 nach fast sechs Jahren als FCI-Sportdirektor zurück, nun dürfte er den Aufsichtsrat erstmals entscheidend beraten haben. Was er in den nächsten Wochen weiter tun wird. Linke soll gemeinsam mit Gärtner den Kader in der Winterpause umbauen, verriet Jackwerth bei Linkes Vorstellung. Um schnellstmöglich aus der Abstiegszone herauszukommen, wo der Bundesliga-Absteiger von 2017 nicht hingehören sollte. Nouri war der Wunschkandidat von Linkes Nachfolger, des ehemaligen Sportdirektors Angelo Vier. Der musste bereits vor einem Monat gehen, als der FCI begann, sich auf dem letzten Tabellenplatz einzurichten. Die beiden kannten sich noch aus der Zeit, als Vier Spielerberater war. Seine Beraterfirma "Golden Goal Sports & More GmbH" hatte mit Nouri zusammengearbeitet. In Ingolstadt konnten die beiden allerdings keine Wende schaffen. Nouris Anstellung war ja nicht nur aufgrund seiner fehlenden Erfahrung bemerkenswert, sondern auch wegen einer Serie: Er trat sein Traineramt nach 13 nicht gewonnenen Spielen mit Werder Bremen 2017 an. Vereins- und ligaübergreifend hat Nouri diese schwarze Serie nach fünf Niederlagen und drei Remis beim FCI auf 21 Partien hochgeschraubt. Klar, kein FCI-Trainer hat eine so schlechte Bilanz. Die Entlassung war die logische Folge.

Auch weil Nouris Art als absoluter Motivator in Ingolstadt nicht half. Schon als er begann, sagte er: "Es geht nicht darum, die Systemfrage zu lösen, sondern darum, dass die Mannschaft bereit ist, das Maximum abzurufen." Er weiß selbst, dass er wohl kein Trainertyp Domenico Tedesco mehr werden wird, der wohl in der Trinkpause gegen Bielefeld eher einen Taktikvortrag gehalten hätte statt abzuklatschen. Vor seinem ersten Training wollte Nouri "ein gemeinsames Commitment aufbauen, um die Mannschaft auf ein Ziel einzuschwören". Doch wenn eben jene Art nicht verfängt, kann der Weg beschwerlich werden. Das musste Nouri in Bremen erfahren, wo sich das Team von ihm abwandte.

In den nächsten Tagen arbeitet Gärtner an der Zusammenstellung des neuen Trainerteams, wohl auch gemeinsam mit dem externen Berater Linke. Am Samstag (13.30 Uhr) empfängt der FCI den Tabellenführer Hamburger SV. Aber die FCI-Verantwortlichen werden sich dieses Mal wohl etwas mehr Zeit lassen - Nouri kam zwei Tage nach Leitls Entlassung -, weil sie wissen, dass der nächste Trainer der richtige sein muss. In etwa so wie damals Ralph Hasenhüttl nach der kurzen Ära Kurz: Der kam im Oktober 2013 und führte den FCI vom letzten Tabellenplatz der zweiten Liga später bis in die Bundesliga.

Der 51-jährige Österreicher wäre auch aktuell ohne Anstellung. Vielleicht denken Linke und Gärtner also gerade an ihre güldenen Vereinszeiten und fragen mal an. Obwohl sie im Grunde auch wissen, dass ihnen ihr alter Kollege entwachsen zu sein scheint. Schon eher könnte ein bereits vor zwei Monaten gehandelter Kandidat wieder ganz oben auf der Liste stehen: Jens Keller. Dem Vernehmen nach war er schon Gärtners Favorit als Leitl-Nachfolger - und vor Kurzem sah er sich das FCI-Testspiel gegen 1860 München (1:2) an. Und bei den Sechzigern wird aller Voraussicht nach erst einmal kein Platz als Trainer frei.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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