Zweite Liga:Aufgetaucht in Magdeburg

Lesezeit: 2 min

Der Aufsteiger verpflichtet den lange nicht mehr in Deutschland angestellten Michael Oenning als neuen Trainer.

Von Sebastian Fischer, Magdeburg/München

Die Frage war nicht höflich formuliert, aber ehrlich. Und wahrscheinlich brachte es das Empfinden vieler Leidensgenossen auf den Punkt, was ein Fan des 1. FC Magdeburg am Mittwoch in die Kommentarspalte schrieb, als sein Lieblingsklub, per Livestream in den sozialen Netzwerken übertragen, den neuen Trainer vorstellte. Einen, den man in Deutschland nicht mehr an der Seitenlinie gesehen hat, seit er 2011 vom Hamburger SV entlassen wurde. Die Frage war: "Wo haben die den denn ausgebuddelt?"

Magdeburg, Aufsteiger in die zweite Liga, Tabellenvorletzter, Europapokalsieger der Pokalsieger 1974, einer der traditionsreichsten Klubs aus dem Osten, wird künftig von Michael Oenning trainiert, nachdem am Montag der Aufstiegscoach Jens Härtel entlassen worden war. So gewöhnlich Trainerwechsel im Fußball sind, so außergewöhnlich darf man diesen finden.

Oenning, 53, hatte bis zum Sommer zweieinhalb Jahre lang Vasas FC trainiert, einen Klub aus Budapest, mit dem er zwischenzeitlich erfolgreich war, einmal das Pokalfinale und die erste Runde der Qualifikation zur Europa League erreichte, am Ende aber in die zweite Liga abstieg. Er habe sich sehr wohl gefühlt und die Möglichkeit gehabt, in Ungarn weiterzuarbeiten, sagte er bei seiner Vorstellung in Magdeburg. Aber er ging einen anderen Weg als den erwarteten - wie es für seine Laufbahn nicht untypisch ist.

Oenning studierte Germanistik und Sport, war Verbandssportlehrer beim DFB, Jugendtrainer, Co-Trainer. Er gewann 2003 den Grimme-Preis als TV-Co-Kommentator von Marcel Reif. Zum ersten Mal Chefcoach wurde er 2008 in Nürnberg. Er war im Dokumentarfilm "Tom meets Zizou" über den Fußballer Thomas Broich, einen Freund, zu sehen. In der Doku sagt Oenning, dass im Fußball als Gefahr wahrgenommen werde, "wer anders ist". Broich wurde Mozart genannt, weil er Klassik hörte. Oenning spielt Klavier, machte das allerdings nur unter einer Prämisse öffentlich: "Der klavierspielende Trainer - das ist so eine Schublade, die mir nicht gefällt."

"Michael ist ein erfahrener Fußballlehrer und kann sehr gut mit jungen Spielern und spricht deren Sprache. Das Wichtigste ist, dass er sie auch weiterentwickeln kann", sagte Maik Franz, der Leiter der Lizenzspielerabteilung in Magdeburg, als er die Vorzüge des Neuen erklärte. Oennings Fachwissen ist unumstritten, einerseits. Zu den Spielern, die Oenning loben, zählt zum Beispiel der von ihm geförderte Nationalspieler Ilkay Gündoğan, er gratulierte dem FCM am Mittwoch via Twitter zur Entscheidung. Andererseits gewann Oenning vor seiner Entlassung in Hamburg 2011 nur eines von 14 Spielen und war danach bis 2016, abgesehen von einer Beschäftigung als Trainer der Studentennationalelf, ohne Anstellung in der Branche.

Er habe bewusst andere Dinge gemacht, sagte er, habe sich gefragt, was er im Sport noch erreichen wolle. Es klang plausibel und angenehm anders als das, was sonst in Pressekonferenzen erzählt wird. Und doch stand die Frage im Raum: Passt das?

"Ihr werdet es noch bereuen", hatten Fans auf Banner am Stadion und in der Altstadt geschrieben, als die Entlassung von Härtel bekannt wurde, dem gebürtigen Sachsen, der den FCM aus der Regionalliga in den Profifußball geführt hat. Es gebe in Magdeburg die Tradition von defensivem Fußball gegen den Ball, sagte ein Lokalreporter. "Ich mag offensiven Fußball", sagte der Westfale Oenning. Also: Passt das?

In Ungarn habe er sich gefragt: "Wie kommuniziere ich mit Menschen, die mich gar nicht verstehen können?" Und er habe erlebt, dass das auf dem Fußballfeld funktionieren kann.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: