Zukunft der Formel 1:Mutter Erde auf Rädern

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Die Formel 1 braucht eine Antwort auf die Klimadebatte. Viel mehr als PR-Gags hat sie allerdings noch nicht zu bieten.

René Hofmann

Es hat einige Tage gedauert, all das zu beseitigen, was für den Formel-1-Auftakt im Albert Park in Melbourne errichtet worden war. Unter anderem mussten die Arbeiter einige hundert Plastikbarrieren einsammeln, die den Verkehrsfluss regelten.

Blumen en masse schmückt die Formel-1-Strecke in Malaysia (Foto: Foto: AFP)

Damit die nicht umfielen, war jede zweite mit Wasser gefüllt. Der Sommer war trocken in Australien, es herrschte Wassermangel. Mehrfach wurden die Aufräumtrupps von zornigen Passanten angegangen, als sie das kostbare Gut einfach auf die Straße rinnen ließen.

Der Klimawandel hinterlässt auch bei den Menschen seine Spuren; sie sind sensibler geworden. Auszüge aus den Leserbriefspalten australischer Zeitungen in der Woche nach dem ersten Formel-1-Rennen 2007: "Wenn die Formel 1 weiter so zur Klimaerwärmung beiträgt, kann sie in einigen Jahren durch den See im Albert Park fahren, und nicht nur drumherum."

Es braut sich was zusammen

"Es ist eine Schande, dass der Staat 30 Millionen Dollar für ein Rennen ausgibt, wenn sich gleichzeitig Landwirte ihr Leben nehmen, weil sie ihr Vieh nicht mehr durchbringen können." -"Der Grand Prix produziert nur Kohlendioxid und Lärm." - "Autos schnell im Kreis zu bewegen ist eine Idiotie, kein Sport." - "In einigen Jahren werden wird uns das genauso barbarisch vorkommen, wie wir heute die Spektakel im alten Rom sehen, bei denen Christen gegen Löwen kämpfen mussten."

Eine Kolumnistin der Zeitung The Age ging so weit, Ghettos für Geländewagen-Fahrer und Motorsportfans zu fordern. Es scheint sich etwas zusammenzubrauen.

Noch fährt die Formel 1 weit weg, an diesem Sonntag in Malaysia, am kommenden Wochenende in Bahrain. In beiden Ländern steht der Umweltschutz nicht oben auf der Agenda. Spätestens aber, wenn die kostspieligste Motorsportkategorie im April nach Europa kommt, dürfte eine alte Debatte neu aufflammen: Muss das sein - fossile Brennstoffe verfeuern, nur um zu ermitteln, wer der schnellste Benzin-Verbrenner ist?

Rund 210 Liter Treibstoff benötigt ein Formel-1-Wagen pro Rennen, womit er pro Kilometer mehr als zehnmal so viel Kohlendioxid ausstößt, wie die EU normalen Autos künftig erlauben will.

Die Honda-Weltkugel

Die Debatte trifft die Rennserie an einem sensiblen Punkt. Viele sehen Parallelen zur Stimmung Anfang der siebziger Jahre, als der Club of Rome seine Studie ,,Die Grenzen des Wachstums'' veröffentlichte, sich die Einstellung zum Automobil im Zuge der Ölkrise grundlegend wandelte und die Rennfahrerei für lange Zeit in Verruf geriet.

Mit vielen Mitteln versucht die Serie, dem entgegenzuwirken. Das japanische Honda-Team hat eine Weltkugel auf seine Autos gepinselt, und jeder, der etwas für den Umweltschutz spendet, bekommt seinen Namen klitzeklein in den Lack geritzt. Präsentiert wurde die Aktion Ende Februar im Museum für Naturgeschichte in Londen. "Wir", hat Teamchef Nick Fry bei der Gelegenheit behauptet, "sind stolz, unseren Wagen der ökologischen Herausforderung zu widmen."

So ganz kauft das der Equipe allerdings niemand ab. Mutter Erde kommt nämlich nur zum Zug, weil Hauptsponsor British American Tobacco abgesprungen ist. Die Nummer war so leicht als PR-Aktion zu durchschauen, dass sie eher kontraproduktiv wirkte.

Die "Freunde der Erde" taten sich leicht, die japanische Firma anzuklagen: "Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Honda zu einem Umweltschutz-Bewusstsein aufrufen will, gleichzeitig aber am vielleicht umweltverschmutzendsten Sport teilnimmt", ließ eine Sprecherin der Umweltschützer ausrichten, was wiederum unter den anderen großen Autokonzernen, die in der Formel 1 mitmischen, für eine gewisse Unruhe sorgte.

99 Prozent des CO2-Ausstoßes, welcher der Formel 1 angelastet werden könne, werde nicht von den Rennfahrern produziert, sondern von den anreisenden Zuschauern, erklärte ein Sprecher der Herstellervereinigung GPMA ungefragt.

Im Vergleich zu der Belastung, für welche die Fußball-Bundesliga an 34 Spieltagen sorge, stehe die Formel 1 noch gut da. Wer noch all das CO2 abzieht, das die vielen Millionen Menschen rund um den Globus nicht ausstoßen, weil sie alle zwei Wochen am Fernseher Autos zugucken, statt selbst Auto zu fahren, kann sogar auf eine positive Umweltbilanz für die Formel1 kommen. Irgendwann aber werden die Zahlenspiele absurd.

Was die Fahrer von all dem halten, war in Melbourne schön zu sehen. Auf die Frage, was sie in ihrem Alltag geändert haben, seit die große Umweltschutz-Kampagne rollt, kamen die meisten schwer ins Schleudern. Red-Bull-Fahrer Mark Webber nicht. Seine Antwort: "Ich esse weniger Bohnen."

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