Zlatan Ibrahimovic:Löwe ohne Biss

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Es läuft nicht: Zlatan Ibrahimovic gilt als Schrecken der Gegner, bislang aber tritt Schwedens Kapitän bei der EM so schwach auf wie seine Mannschaft. (Foto: Daniel Dal Zennaro/dpa)

Schwedens Kapitän droht ein torloser Abschied von der Nationalmannschaft: Gegen Irland und Italien haben die gegnerischen Abwehrspieler ihn gebändigt.

Von Ulrich Hartmann, Toulouse

Der Mann hat Nerven! Erik Hamrén, schwedischer Nationaltrainer, hat bei der Europameisterschaft mitansehen müssen, wie seine Mannschaft 90 Minuten lang gegen Irland keine echte Torchance herausgespielt, wie zuvor schon gegen Italien. Die erste Partie endete 1:1, weil die Iren ein Eigentor erzielten. Das zweite Spiel endete 0:1, weil die Italiener zwei Minuten vor Schluss trafen. Mit einem Punkt aus zwei Spielen droht den Schweden beim abschließenden Gruppenspiel gegen Belgien das Vorrunden-Aus, und es scheint ihnen nicht einmal zu helfen, dass sie in Zlatan Ibrahimovic eine der Berühmtheiten dieser EM in ihren Reihen haben.

Ibrahimovic ist ein Bulle, aber gegen Irland und Italien haben die gegnerischen Abwehrspieler den Offensivspieler eingekesselt und gebändigt wie abgeklärte Toreros. Und Hamrén? Stellte sich nach der Niederlage gegen Italien hin und sagte: "Ibrahimovic ist ein Winner-Typ."

Na gut, er hat es gesagt, um zu erklären, warum der Kapitän nach der Niederlage gegen Italien in Toulouse so enttäuscht war, dass er sich hinterher beleidigt eines gehaltvollen Kommentars enthalten hat. Ibrahimovic kam im feinsten Zwirn aus der Kabine. Aber er schaute drein wie jemand, der im Trainingsanzug in der Trinkhalle kein kaltes Bier mehr bekommt. Ibrahimovic, der Winner-Typ, sei eben "besonders enttäuscht, wenn er verliert", meinte Hamrén. Trotzdem bleibe er "einer der großartigsten Stürmer des Fußballs". Ein großartiger Stürmer in einer Sackgasse.

Kaum Zuspiele, kein Torschuss - niemand bei der EM ist harmloser

Auf dem Titelblatt des offiziellen schwedischen EM-Magazins sieht man Ibrahimovic mit den Knien über den Rasen rutschen und wie ein Löwe brüllen. Derzeit aber wirkt er eher wie einer dieser Löwen aus dem Zoo: müde alte Tiere, die Schwierigkeiten haben, das rohe Stück Fleisch zu zerbeißen, dass ihnen die Wärter hinlegen. Ibrahimovic ist kein müder alter Löwe, aber er ist auch kein junges Alpha-Tier mehr. Er ist 34 Jahre alt, seinen Vertrag bei Paris Saint-Germain lässt er in diesen Tagen auslaufen, er sucht einen neuen Verein. Der Premier-League-Klub Manchester United mit seinem neuen Trainer José Mourinho gilt als Favorit. Kühne Spekulationen bringen Ibrahimovic sogar mit dem FC Bayern in Verbindung - zumal dessen künftiger Trainer Carlo Ancelotti ein erklärter Ibrahimovic-Fan ist. Das wäre ein Spektakel, Ibra-ka-dabra in Fröttmaning. Der Schwede wäre dort der Löwe, der durch den brennenden Reifen springt - aber fußballerisch würde er den Bayern womöglich gar nicht weiterhelfen, auch im Verhältnis zu seinen absurden finanziellen Forderungen.

Allerdings liegt es nicht nur an Ibrahimovic selbst, dass er bei dieser EM bislang einen mauen Eindruck macht. Die Spieler um ihn herum sind einfach zu schwach. Der Hamburger Albin Ekdal und der Züricher Kim Källström bringen aus dem zentralen Mittelfeld keinen Ball durch die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr. Und die Flanken und anderweitigen Hereingaben der Außenangreifer Emil Forsberg (Leipzig) und Sebastian Larsson (Sunderland) waren gegen Italien einfach nicht EM-würdig. Ibrahimovic, ein Mann mit Appetit, verhungert in der Spitze schlichtweg. Viermal stand er gegen Italien im Abseits, viermal wurde er gefoult, keinen Schuss brachte er aufs Tor: Die Schweden sind seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen bei der EM 1980 die erste Mannschaft ohne einen einzigen Torschuss in den ersten beiden Spielen.

Ibrahimovic spielt seine vierte EM. Sechs Tore hat er bei den ersten dreien geschossen, er bräuchte nur noch drei Treffer, um den EM-Rekordschützen Michel Platini einzuholen. Doch es ist nicht vorstellbar, dass ihm noch drei gelingen. Es ist vermutlich seine letzte EM, vielleicht hat er nur noch ein einziges EM-Spiel gegen Belgien am kommenden Mittwoch. Ibrahimovic steht zwar auf der erweiterten Liste des schwedischen Fußballverbands für das olympische Fußballturnier in Brasilien, aber vielleicht wird das sein Abschied aus dem gelben Trikot. Seine Fußstapfen, Schuhgröße 47, werden dann groß sein für Schwedens Nationalspieler - wahrscheinlich zu groß.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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