Wortklaubereien:Wie der DFB sich aus der Verantwortung zu stehlen versucht

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Schon im August gab es Ungereimtheiten. Doch der DFB beherrscht die Kunst des Verschleierns.

Von Thomas Kistner und Klaus Ott

Gerhard Mayer-Vorfelder, der als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wie des VfB Stuttgart und auch als Minister in Baden-Württemberg viele Vorwürfe und Schlachten überstanden hat, könnte ein Lehrbuch schreiben: "Tricksen, täuschen, tarnen - wie ziehe ich mich bei Skandalen aus der Affäre."

Der 71-Jährige beherrscht die Kunst des Verschleierns und macht auch jetzt wieder, in der Debatte um verschobene Spiele, davon Gebrauch. Sonntagabend erzählte er in der ARD einem Millionenpublikum, sein Verband sei von der staatlichen Sportwette Oddset zwar angeschrieben, aber keineswegs frühzeitig alarmiert worden. "Dass Oddset uns gewarnt hat, das stimmt nicht."

Der DFB-Boss versuchte offenbar, ein Missgeschick der bayerischen Lotterieverwaltung auszunutzen, die Oddset veranstaltet. Die staatliche Glücksspiel-Behörde hatte am Freitag ein brisantes Schriftstück veröffentlicht, das schon vor fünf Monaten so an den DFB geschickt worden sei, kurz nach der (von Robert Hoyzer verpfiffenen) Partie Paderborn - Hamburger SV (4:2).

Inhalt: "Verdacht auf Manipulation" bei dem Pokalkick am 21. August 2004 und beim Regionalliga-Spiel Braunschweig - St. Pauli (3:2) am 5. Juni 2004. Dummerweise hatte die Behörde daneben gegriffen und der Presse statt des seinerzeitigen Faxes einen fast gleich lautenden Aktenvermerk vorgelegt. Im Original, wie es an den DFB ging, fehlen die Worte "Verdacht auf Manipulation".

Doch der Sachverhalt (erhöhte Wetten in Berlin auf Heimsiege, die der Berliner Schiedsrichter Hoyzer mit fragwürdigen Entscheidungen ermöglichte) ist genau beschrieben, verbunden mit dem Hinweis auf eventuelle "Unregelmäßigkeiten" - in dem Kontext eine eindeutige Umschreibung des Begriffes Manipulation.

Anruf beim Verband

Mayer-Vorfelder indes übte sich in Wortklauberei, indem er bei Sabine Christiansen in der ARD betonte, es sei eben nicht von "Manipulation" die Rede gewesen.

Und im übrigen habe der DFB nichts tun können, weil die von Oddset ebenfalls eingeschaltete Kriminalpolizei in Berlin schließlich nichts gefunden habe. Die Akte war also schnell geschlossen, das vom Verband damals eingeleitete Verfahren ruhte rasch, obwohl die Hinweise nicht deutlicher hätten sein können.

Hans-Wilhelm Forstner, Vizechef von Bayerns Lotterieverwaltung, hatte zwei Tage nach dem Paderborn-Spiel DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt angerufen. Nach Angaben der Lotterieverwaltung äußerte Forstner den "Verdacht der Manipulation".

Schmidt soll darum gebeten haben, mit diesem Wort vorsichtig zu sein, das sei schnell ausgesprochen und ließe sich später nicht mehr aus der Welt schaffen, falls der Verdacht sich als falsch herausstelle.

Ein paar Minuten später folgte das Fax an den DFB (siehe Ausriss unten). Dass die Worte "Verdacht auf Manipulation" nur im Aktenvermerk von Oddset Eingang fanden, nicht aber in das Fax an den Fußball-Verband, dürfte folglich am DFB selbst gelegen haben. Und DFB-Boss Mayer-Vorfelder erzählt später im Fernsehen, man sei nicht gewarnt worden.

Dazu kommen immer neue Ungereimtheiten. So stellte der DFB unter die Nachrichten seiner Homepage im Internet bereits am 29. August 2004 eine Meldung ("Volker Roth weist Kritik an Hoyzer zurück"), in welcher der Chef des Schiedsrichter-Ausschusses Zeitungs berichte geißelte. In denen war behauptet worden, Schiedsrichter Hoyzer sei in der Halbzeit des Pokalspiels zwischen dem SC Paderborn 07 und dem Hamburger SV (4:2) in der Paderborner Kabine gewesen. Dabei soll er - wie wörtlich zitiert wird - gesagt haben: "Spielt ihr mal so weiter, den Rest erledige ich."

Gelöschte Meldung

Roth erklärte damals auf den DFB-Seiten im Internet, Hoyzer sei weder in der Paderborner Kabine gewesen, noch habe er besagte Äußerung gemacht. Pikant aus heutiger Sicht, dass Roth mitteilte, eine Befragung vorgenommen zu haben: "Diese Tatsache wird von den beiden Schiedsrichter-Assistenten Ralf Brombacher und Stephan Kammerer und dem Paderborner Schiedsrichter-Betreuer Günter Hoppe bestätigt."

Diese Mitteilung, die eine frühe, intensive Beschäftigung des DFB mit dem Fall Hoyzer belegt, ist mittlerweile von der DFB-Website getilgt worden. DFB-Sprecher Stenger sagte der SZ: "Das ist ja heute überholt. Wir haben die Mitteilung entfernt, weil man inzwischen sagen muss, dass diese Verteidigung in sich zusammen gefallen ist."

Die rückwärts gewandte Datenbereinigung ergibt für einen Verband, der angeblich umfassend aufklären will, keinen Sinn. Über die DFB-Seiten im Internet ist jetzt nicht mehr nachvollziehbar, wie der Erkenntnisstand zu Hoyzer seinerzeit aussah. Offenbar wurden im Online-Angebot des DFB noch weitere Schiedsrichter-Meldungen aus der damaligen Zeit gelöscht.

Andere Websites hatten diese Berichte allerdings übernommen und mit der Quellenangabe "dfb.de" bei sich ins Internet gestellt - und so unbeabsichtigt für die Nachwelt gerettet. Im Online-Archiv des Verbandes sind nur noch eher unverfängliche Mitteilungen vom Spätsommer 2004 zu finden.

Pressearchive sind ergiebiger. Hamburger Blätter berichteten über massive Vorwürfe gegen Hoyzer nach dem Paderborn-Spiel. Die Morgenpost schrieb, "die Herren beim DFB sind alarmiert". Also doch.

© SZ vom 1.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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