WM-Verkehrsmittel:Alles, was fährt und fliegt

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Wie Bahn und Fluglinien es schaffen, die Fans kurzfristig an die Spielorte der K.-o.-Runden zu bringen.

Sibylle Haas

Wenn am Samstag 21 Sonderzüge die Fußball-Fans durch Deutschland fahren, dann hat die Bahn schon eine Menge Arbeit hinter sich. "Der logistische Aufwand ist immens", sagt ein Bahn-Sprecher. Trassen müssen reserviert, leere Zusatzzüge geordert und an die Bahnhöfe gebracht werden, an denen der Fans warten.

Fans in der Berliner S-Bahn. (Foto: Foto: dpa)

An diesem Samstag rollen die Sonderzüge nach München und Leipzig zu den Achtelfinalspielen. Danach geht es - oft mitten in der Nacht - weiter nach Stuttgart und Nürnberg, wo am Sonntag gespielt wird.

Alle Zusatzzüge aktiviert

Die Bahn hat zur WM all ihre 120 Zusatzzüge aktiviert. Es sind ICE-, IC- und Interregiozüge und sie bilden die Reserve, die bei Großereignissen unterwegs ist.

Zuletzt kamen die Züge vor knapp einem Jahr zum Einsatz, als Tausende junger Pilger zum Weltjugendtag nach Köln reisten. Es sind nicht immer die modernsten Züge, die in diesen Tagen durch Deutschland rollen. "Doch die Fans wollen vor allem von A nach B kommen", sagt der Bahn-Sprecher.

Auch das benachbarte Ausland hilft, den Fahrgast-Ansturm zu bewältigen. So ziehen derzeit 15 österreichische Elektro-Lokomotiven Regionalzüge von Frankfurt nach Köln. Sie fahren durchs Rheintal auf der alten Bahnstrecke - um die neue, derzeit ausgenutzte ICE-Strecke nicht zu belasten.

Am Freitag - als in Hannover die Schweiz gegen Südkorea spielte - stellte auch die Schweizer Bahn eigene Züge für die Fußball-Fans ab.

Doch manchmal nutzt die beste Planung nichts. Am vergangenen Montag, so berichtet der Bahn-Sprecher, war solch ein Tag. Ein Stromschaden auf einer Strecke nach Hamburg führte zu massiven Verspätungen.

Im Zug waren mehr als 50 ukrainische Fans, die sich in Hamburg das Spiel ihrer Landsleute gegen Saudi-Arabien ansehen wollten. "Wir bekamen die Info vom Zugbegleiter, und es war schnell klar, dass wir die Ukrainer so schnell wie möglich ans Stadion bekommen mussten", erzählt der Bahn-Sprecher.

Der Zug kam 40 Minuten vor Spielbeginn am Hauptbahnhof an, wo schon etliche Service-Mitarbeiter der Bahn auf die Fans warteten. Sie begleiteten die Ukrainer zur S-Bahn, fuhren mit ihnen zum Stadion-S-Bahnhof und brachten sie zu den Bussen, die sie bis zum Stadion-Eingang fuhren.

"Dahinter steckt viel Organisation, die sich aber gelohnt hat", so der Bahn-Sprecher. Die Fans waren pünktlich auf ihren Plätzen.

Nicht nur die Bahn, auch Fluggesellschaften und Flughäfen haben derzeit viel zu tun. Zum Achtelfinalspiel England gegen Ecuador am Sonntag in Stuttgart werden auf dem Stuttgarter Flughafen etwa 70 zusätzliche Flüge erwartet.

Mit sieben Charterflügen aus London und Manchester reisen etwa 1300 engliche Fans an, teilte der Flughafen mit. Viele Fans würden noch vor Mitternacht wieder abreisen. Der Billigflieger Germanwings zum Beispiel bietet am Montagmorgen einen Sonderflug für die britischen Fans nach London-Stansted an.

Das Flugzeug, ein Airbus A 319, stamme aus der Reserve, sagt ein Germanwings-Sprecher. Es werde in der Nacht von Sonntag auf Montag leer von Köln nach Stuttgart fliegen, um am Morgen für die Briten abflugbereit zu sein.

Von Schönefeld nach São Paulo

Die Lufthansa versucht durch Zusatzflüge und größere Flugzeuge die Nachfrage zu bewältigen. Dabei ist es einfacher, größere Maschinen einzusetzen als zusätzliche Flüge aufzulegen - am Flughafen Frankfurt sind Start- und Landerechte knapp.

Die Fluggesellschaft prüft, ob sie nach dem Finalspiel in Berlin am 9. Juli einen Boeing-Jumbo 747, in den etwa 400 Leute passen, auf der Strecke von Berlin nach Frankfurt einsetzen soll. Normalerweise fliegen auf der Strecke viel kleinere Maschinen, mit 150 bis 280 Sitzplätzen.

"Die Nachfrage ist so groß, weil viele Fans nach der WM in ihre Heimatländer zurückfliegen, die meisten Flüge aber gehen über Frankfurt", erklärt eine Lufthansa-Sprecherin den Andrang. Voll gebucht sei bereits ein Sonderflug am 10. Juli von Berlin-Schönefeld nach São Paulo in Brasilien - viele Brasilianer rechnen offensichtlich fest damit, dass ihre Mannschaft im Endspiel ist.

Die Bahn kann die Auslastung eines Zuges im Voraus nicht so gut bestimmen wie Lufthansa. Anders als Flugtickets sind nicht alle Bahnkarten an Züge und Zeiten gebunden. "Wir können die Nachfrage nur über die Sitzplatz-Reservierungen kontrollieren", erklärt der Bahn-Sprecher.

Er warnt deshalb davor, ohne Sitzplatz-Reservierung zu den WM-Spielen zu reisen, weil Züge so voll sein können, dass keiner mehr reinpasst.

200.000 Tickets mehr bei Lufthansa

Bahn und Fluggesellschaften haben in diesen Tagen aber nicht nur mehr Arbeit, sie profitieren auch von der WM.

Die Lufthansa, mit mehr als 51 Millionen Passagieren im Jahr Marktführer in Deutschland, hat für die ganze Spielzeit bisher etwa 200.000 Flugtickets zusätzlich verkauft, und außerdem "hohe Zuwächse" aus Brasilien, Argentinien, Mexiko, Spanien und Großbritannien registriert, wie es bei dem Unternehmen heißt.

Der WM-Sponsor Bahn nutzt die Spiele auch zur Eigenwerbung. Dazu gehört die Weltmeister-Bahncard. "Unsere Kunden trauen der Nationalmannschaft offenbar viel zu", sagt der Bahn-Sprecher.

Denn die Karte gilt eigentlich nur bis Ende Juli; mit jeder Runde allerdings, die die deutsche Elf weiterkommt, verlängert sich die Gültigkeit um einen Monat - im besten Fall also bis zum Ende des Jahres. Inzwischen wurde die Weltmeister-Bahncard 400.000-mal verkauft.

© SZ vom 24.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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