WM in St. Moritz:Auf einer langen Wanderung

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Das richtige Gefühl schon im Ziel: Andreas Sander weiß, wie schnell seine Zeit ist. Als Zweiter kommt er zunächst an, am Ende ist er Siebter. (Foto: Peter Schneider/AP)

Siebter im Super-G, nur vier Zehntelsekunden fehlten zu einem Platz auf dem Podium: Der Deutsche Andreas Sander nähert sich der Weltspitze. Für seine Teamkollegen Josef Ferstl und Thomas Dreßen lief es dagegen weniger gut.

Von Johannes Knuth, St. Moritz

Die Einladung war schon verfasst und adressiert, der Empfänger hatte sich sehr gefreut, im Deutschen Skiverband hatten sie das ja lange nicht mehr erlebt: Dass ein Vertreter aus dem Ressort der Schnellfahrer an einer WM-Siegerehrung mitwirkt. Andreas Sander hatte es im Super-G am Mittwoch in St. Moritz beinahe geschafft. Er hatte sich zunächst auf Rang fünf geschoben; das berechtigt zwar nicht zum Zutritt aufs Podium, dafür zur Zeremonie im WM-Park in St. Moritz, wo sie abends, zwischen Autohäusern mit italienischen Nobelkarossen und Schmuckläden, die sechs Tagesbesten küren. Dann kamen die Kanadier. Erik Guay, der spätere Weltmeister, Manuel Osborne-Paradis, der Dritte. "Schade", sagte Sander, aber für einen Platz weiter vorne "hätte einiges besser laufen müssen". Schade?

Vier Zehntelsekunden fehlten nur zu einem Platz auf dem Podium

Die deutschen Speed-Fahrer stecken gerade in einer etwas komplizierten Gefühlswelt, der Super-G am Mittwoch bildete da keine Ausnahme. Josef Ferstl wurde zwar nur 26. ("Verbockt, fertig, Punkt"), Thomas Dreßen schied aus. Dafür erschuf Sander, 27, das beste deutsche WM-Resultat in dieser Disziplin seit Bormio 2005. Er habe seinen Plan allerdings nur "zu 97, 98 Prozent umgesetzt", befand Sander. Er landete damit zwar vor Führungskräften wie Peter Fill (Italien), Titelverteidiger Hannes Reichelt (Österreich) und Beat Feuz (Schweiz), er landete aber eben auch: hinter sechs anderen Fahrern, schlanke vier Zehntelsekunden hinter dem Podium. Der Weg zur Weltspitze ist nicht mehr weit, diese Erkenntnis gewann am Mittwoch erneut an Festigkeit im deutschen Lager. Und genau darin liegt gerade das Problem.

Eine Medaille bei Olympia 2018 bleibt nach wie vor das Fernziel

Sander und seine Kollegen befinden sich gerade auf einer langen Wanderung Richtung Weltspitze, und wie das bei Expeditionen im Hochgebirge halt ist: die letzten Meter zum Gipfel sind oft die steilsten und schwersten. Als Mathias Berthold vor drei Jahren die DSV-Männer übernahm und seinen langjährigen Begleiter Christian Schwaiger ins Abfahrts-Ressort versetzte, ging es zunächst schnell voran, vom Tal zur ersten Zwischenetappe. Sie erlitten zwar die branchenüblichen Schadensfälle, Ferstl riss das Kreuzband, Tobias Stechert ist weiter verletzt, zuletzt erwischte es auch Klaus Brandner. Aber auf Achtungserfolge folgten bald einstellige Platzierungen, erst durch Sander, in diesem Winter auch durch Ferstl. Was Sander vor allem Berthold zuschreibt, "der so viel Zeit und auch sonst viel investiert hat, der betteln hat müssen, damit wir die Finanzierung überhaupt wieder kriegen", vor drei Jahren. Aber wie das auf einer Wanderung eben ist: je näher man dem Gipfel kommt, desto dünner wird die Luft. In den vergangenen Rennen fielen die Deutschen immer mal wieder aus den Spitzenplätzen. Also, wie bleibt man ruhig, wenn man so kurz vor dem Ziel schwerer vorankommt?

Berthold hat zuletzt eine leichte Sättigung ausgemacht, im Training mit den Österreichern etwa: "Wenn der Reichelt im Training Dritter ist, gibt der in den Rennen alles oder nichts." Seine Schützlinge ließen sich nach einem dritten Platz im Training schon mal in leichte Zufriedenheit fallen, "das ist das, woran wir noch ein bisschen arbeiten müssen", sagt Berthold. Er hat auch ausgemacht, dass es seine Fahrer im Rennen gerne besonders gut machen wollen, aber für die schwersten Meter der Wanderung muss das Besondere nicht immer das Beste sein. Sondern das Einfache.

Eine Medaille bei Olympia 2018 bleibt nach wie vor das Ziel, die WM, findet Berthold, "kann man auch als Generalprobe für Olympia nehmen". Die nächste Chance bietet sich am Samstag, in der Abfahrt. Dann vielleicht auch mit einer Vorladung zur Siegerzeremonie.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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