WM im Ice Cross Downhill:"Meine Mama war ganz und gar nicht begeistert"

Lesezeit: 3 min

Beim Ice Cross Downhill in München rasen Wagemutige auf Schlittschuhen einen Eiskanal hinunter. Weltmeister Martin Niefnecker über Angst, Tricks und Knochenbrüche.

Lisa Sonnabend

Der Garmisch-Partenkirchener Installateur Martin Niefnecker, 20, ist Weltmeister im Ice Cross Downhill, einer vor zehn Jahren von Red Bull ins Leben gerufenen Extremsportart. Am Samstag findet der erste Wettkampf der Saison in München statt - von 18 Uhr an im Olympiapark. Nach vier Rennen wird am 19. März der Weltmeister gekürt.

Martin Niefnecker glaubt, seine Sportart ist so beliebt, weil die Zuschauer sehen wollen, wie die Fahrer sich über den Haufen fahren. (Foto: redbull-photofiles.com)

sueddeutsche.de: Was zum Teufel ist eigentlich Ice Cross Downhil?

Martin Niefnecker: Eine Extremsportart. Da ist von allem ein bisschen was dabei: Eislaufen, Skifahren und Boardercross. Man muss extrem fit sein auf den Schlittschuhen. Aber man sollte auch gut Skifahren können, weil man das Gefühl beim Bergabfahren braucht.

sueddeutsche.de: Und die Regeln?

Niefnecker: Man fährt auf Schlittschuhen eine Eisbahn runter, die 350 bis 550 Meter lang ist - bei einem Höhenunterschied von etwa 35 bis 70 Metern. Es starten jeweils vier Sportler zu einem Duell wie beim Boardercross.

sueddeutsche.de: Im vergangenen Jahr beim Rennen in München stürmten 50.000 Menschen den Olympiapark. Warum ist die Sportart so attraktiv für Zuschauer?

Niefnecker: Wenn ich nicht mitfahren und stattdessen bei einem Rennen zuschauen würde, würde ich sehen wollen, wie die Sportler sich über den Haufen fahren. Und das passiert.

sueddeutsche.de: Das klingt nicht gerade ungefährich ...

Niefnecker: Wenn du Angst hast, wirst du beim Red Bull Crashed Ice überhaupt keinen Erfolg haben. Du darfst dir nicht zu schade sein, dass du dir weh tust. Ein gewisser Respekt vor der Strecke und den anderen Teilnehmern ist allerdings nicht verkehrt.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich schon einmal verletzt?

Niefnecker: Bislang hatte ich zum Glück keine Probleme. Ich mache mir keine Gedanken, was passieren könnte. Aber ich habe schon mitbekommen, wie sich jemand das Schlüsselbein und einen Knöchel gebrochen oder am Meniskus verletzt hat. Im vergangenen Jahr ist in einem Rennen Jasper Felder, einer der besten Fahrer, neben mir in die Bande gefahren - und hat sich ein paar Rippen gebrochen.

sueddeutsche.de: Was sagen Ihre Eltern dazu, dass Sie eine Extremsportart betreiben?

Niefnecker: Als ich damit angefangen habe, hat mein Papa gesagt: "Junge, mach ruhig." Meine Mama war jedoch ganz und gar nicht begeistert. Inzwischen ist sie ein bisschen ruhiger geworden. Sie hat ein paar Rennen gesehen, bei denen ich mir nichts getan habe.

sueddeutsche.de: Wie versuchen Sie, sich zu schützen?

Niefnecker: Wir tragen eine richtige Eishockeyausrüstung, also Helm, Bein-, Ellbogen- und Schulterschutz sowie dicke Handschuhe.

sueddeutsche.de: Und an den Füßen Schlittschuhe ...

Niefnecker: Genau. Wir haben ganz normale Eishockeyschlittschuhe an. Aber ich kenne ein paar Insider-Tricks, wie man sich einen kleinen Vorteil verschaffen kann.

sueddeutsche.de: Was für Tricks?

Niefnecker: Man kann zum Beispiel längere Eisen verwenden, damit man einen besseren Stand hat. Es ist wie beim Skifahren: Mit einem kurzen Ski zu springen ist schwieriger als mit einem langen.

sueddeutsche.de: Wie kamen Sie überhaupt zum Ice Cross Downhill?

Sein größtes Talent? "Ich scheiß mir nichts." Ice-Cross-Downhill-Fahrer Martin Niefnecker.  (Foto: dpa)

Niefnecker: Seit 16 Jahren fahre ich fast jeden Tag Schlittschuh, ich spiele Eishockey im Verein. Auch im Skiclub Garmisch bin ich Rennen gefahren. Mein Bekannter Olli organisierte vor fünf Jahren dann die Ice-Cross-Downhill-Qualifikation in Prag und hat mich gefragt, ob ich mitfahren will. Und da bin ich auf Anhieb bester Deutscher geworden.

sueddeutsche.de: Wie haben Sie damals trainiert?

Niefnecker: Eigentlich gar nicht viel. Wir haben ein paar Mal versucht, in einer Bobbahn zu trainieren. Das ging jedoch ziemlich schief. Seit dieser Saison gibt es zum Glück eine Trainingsstrecke in Waidring, unten in Österreich. Da war ich im vergangenen Monat zwei bis drei Tage pro Woche.

sueddeutsche.de: Was würden Sie sagen, ist Ihr größtes Talent?

Niefnecker: Ich probiere aus, was andere Leute nie wagen würden. Ich scheiß mir da nichts. Die Einstellung habe ich aber auch abseits vom Sport. Ich überlege nicht lange vor Entscheidungen, auch wenn es wichtige Sachen sind. Ich schaue nicht die nächsten 50 Jahre voraus - obwohl es sicher manchmal nicht verkehrt wäre.

sueddeutsche.de: Sie sind Weltmeister, aber bei Ihnen daheim in Garmisch drehen sich wahrscheinlich trotzdem alle nach Felix Neureuther um, oder?

Niefnecker: Den Felix kenne ich persönlich ganz gut vom Sport. Inzwischen kommen aber auch viele Leute auf mich zu, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Die Begeisterung geht über die Bekannten und Freunde hinaus. Das freut mich brutal.

sueddeutsche.de: Dann müsste jetzt Crashed Ice nur noch irgendwann olympisch werden ...

Niefnecker: Ice Cross Downhill wäre sicher eine interessante Geschichte für Olympia. Boardercross haben sie ja auch aufgenommen. Aber ob das realistisch ist, weiß ich nicht. Es bleibt jedenfalls ein großer Traum von mir.

sueddeutsche.de: Hoffen Sie, dass die Olympischen Spiele nach Garmisch kommen?

Niefnecker: Ich habe eine geteilte Meinung, weil nach den Spielen sicher alles extrem teuer werden würde. Aber andererseits würde ein Haufen Touristen kommen - meine Familie hat selber ein Gasthaus in Garmisch.

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