WM-Beginn:Großer Auftrieb in Fröttmaning

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Bestes Wetter, gute Laune, Bombenstimmung - der Auftakt verläuft nach Maß.

Christian Mayer

Die Vorfreude ist grenzenlos an diesem sonnigen Eröffnungstag und ganz besonders grenzenlos bei den enthusiastischen Fußballfreunden aus Costa Rica - fast alle sind in ihren Nationalfarben Blau, Weiß und Rot erschienen. Sogar bei der Einlasskontrolle der ersten Hürde etwa 400 Meter vor dem ausverkauften silberglänzenden Fröttmaninger Stadion herrscht vorwiegend gute Laune. Die sanften Bodychecks der höflichen Sicherheitskräfte, die alle orangefarbene Leibchen tragen, quittieren die Gäste aus Lateinamerika entweder mit einem strahlenden Lächeln oder mit demonstrativem Gekicher, als ob sie gekitzelt würden.

Die Fans kamen schon früh nach Fröttmaning (Foto: Foto: SZ)

"Die Erfahrung, hier zu sein, ist großartig, egal wie das Spiel ausgeht", sagt Alfredo Herrera, der mit seiner Tochter und seiner Frau für 15 Tage das WM-Land bereist. Die Deutschen seien ja etwas ernsthaft, aber sehr freundlich zu Besuchern. Fabian Saenz bleibt mit seinen Freunden gleich drei Wochen hier: "Wir erhoffen uns eine große Überraschung beim Eröffnungsspiel. In unserer Heimat wird heute natürlich nicht gearbeitet. Dies ist ein nationaler Freudentag. Die Straßen in unserer Heimatstadt San José werden mit Fahnen gefüllt sein."

Viel Schönes - auch für die VIPs

Überhaupt: Die Stimmung kann man durchaus als weltmeisterlich bezeichen. Auch die Anhänger der deutschen Mannschaft haben sich schick gemacht. Beliebt sind die Irokesenperücken in den Nationalfarben, die einige Supermarktketten verkaufen. Aber auch Freitzeithüte in Schwarz-Rot-Gold, Narrenkappen, Tatoos und ganze Kunstwerke aus Bällen- und Blumengestecken werden vorgeführt - was für ein Unterschied zum dem üblichen Gegröle im grauen Fußballalltag. Aber sonst gibt es auch keine Helikopter, die den Luftraum über Fröttmaning kontrollieren und keine zwanzigjährigen Volunteers, die den herumirrenden Fans charmant helfen.

Ziemlich einmalig ist auch die Bewirtung für die höheren Kreise: Die VIP-Gäste werden zu ihren so genannten Sky-Boxen oder zu den Prestige-Lounges geführt. Hier trifft sich die Politprominenz, darunter Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering, mit deutschen Schauspielern wie Heiner Lauterbach und Friedrich von Thun zu einem Drei-Gang-Menü. Der Champagner fließt reichlich. Unten gibt es dagegen Currywurst, Brause und amerikanisches Bier für die normalen Fans.

Trotzdem erklingen in der Fanzone zwischen den insgesamt drei Kontrollposten bis zum Erreichen der Sitzplätze auch einige unzufriedene Stimmen. Das sind vor allem jene Laien-Berichterstatter, die dieses WM-Eröffnungsspiel gerne mit eigenen Videokameras festhalten würden.

Einmaliges für Zuschauer aus Asien und Afrika

Pech für sie - die Geräte werden ihnen von den Helfern gleich am Eingang abgenommen und in einem Container nummeriert aufbewahrt. Dafür hat man Gelegenheit, sich vor zwei etwas besinnungslos wirkenden Goleos kostenlos ablichten zu lassen oder gemeinsam mit anderen Fans den WM-Song in der Karaokefassung anzustimmen. "Klinsi - ich bin topfit" steht auf der Brust eines optimistischen Fans. Wenig Chancen haben verzweifelte Anhänger, die kurz vor dem Spiel noch immer auf Karten hoffen. Ein Japaner bietet 300 Euro pro Ticket und erhöht sein Angebot fortwährend, er hat aber keinen Erfolg. Wer so weit vorgedrungen ist, will dieses Spiel auch nicht für viel Geld verpassen.

Schwer gelassen gibt sich unmittelbar vor der Eröffnungsshow der künstlerische Leiter André Heller. Er vertraut auf die Inszenierungskunst seines Regisseurs Christian Stückl. "Wir hatten insgesamt nur sieben Stunden Zeit für die Proben im Stadion", sagt Heller. "länger durften wir nicht rein. Das muss man berücksichtigen. Aber ich finde, es ist ein Meisterwerk geworden." Für den Österreicher, der mit seiner geplanten Eröffnungsshow in Berlin von der Fifa ausgebootet worden war, sind die eigentlichen Helden des Tages die bayerischen Laiendarsteller, die vor dem Anpfiff auf dem Rasen auftreten: "Zum Glück sind die Bayern seit Jahrhunderten auf Wind und Wetter geeicht, die haben sogar die Proben bei tagelangem Dauerregen und Hagel überstanden."

Für Zuschauer aus Asien und Afrika sei es einmalig, die Präzision der Schuhplattler zu erleben oder den Auftritt der Schellenrührer, die vierzig Kilo schwere Glocken an den Beinen tragen. Kurz vor dem Eröffnung setzt sich dann ein eindrucksvoller Zug der Trachtler in Richtung Stadion-Untergeschoss in Bewegung. Frauen in Dirndln und Männer in knielangen schwarzen Lederhosen, weißen Hemden und mit Gamsbarthüten marschieren gemeinsam zum Stadion. Jetzt kann die Show losgehen, das Fußballfest beginnt.

© SZ vom 10.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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