WM 2010: Lukas Podolski:Eine falsche Entscheidung

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Lukas Podolski zielt schlecht und verschießt den ersten deutschen WM-Elfmeter seit 36 Jahren. Nun diskutiert Deutschland: Warum hat nicht Bastian Schweinsteiger geschossen?

Lukas Podolski hatte schon die ganze Zeit dieses zarte Grinsen im Gesicht, wie jemand, der seinem Lehrer eine Portion Juckpulver ins Jackett gerieben hat und nun mal abwartet, was passiert. Das erste Mal ist das gleich nach der Pause aufgefallen, da hatte Podolski einen Schuss neben das Tor gesetzt - und grinste. Als wisse er etwas, was dem Rest der Mannschaft noch verborgen war: dass es in Kürze eine Pointe geben würde. Unter seiner Mitwirkung.

Wie immer mit dem linken Fuß, nur nicht präzise wie üblich: Lukas Podolski bei seinem Elfmeter-Fehlversuch. (Foto: getty)

"Es war im Abschluss nicht sein bester Tag heute", sollte Joachim Löw später bemerken, und der Bundestrainer hat damit nicht nur den Elfmeter gemeint, den der Kölner Stürmer in der 60. Minute zielsicher in die Arme des serbischen Torhüters hoppeln ließ. Sondern auch die Vorgeschichte dieses Elfmeters.

Da war der Pass von Mesut Özil in der 58. Minute, hinüber auf die linke Seite, ein Pass wie für Podolski gemacht. Der schüttelte seinen Bewacher ab, schoss mit links - vorbei. Grinsen. Eine Minute später hämmerte Podolski den Ball ins Außennetz, und wer sich jetzt fragte: Warum grinst wohl der Podolski so, dem wurde prompt ein Witz nachgeliefert: das Handspiel des Serben Vidic, das dem Handspiel des Serben Kuzmanovic verblüffend ähnlich war, welches schon gegen Ghana einen Elfmeter zur Folge hatte. Komik entsteht durch Wiederholung - alter Trick aus der Humorfachkunde.

Aber dann haben doch die Serben gelacht über den ersten WM-Fehlschuss eines DFB-Schützen seit 36 Jahren (außerhalb des Elfmeterschießens), während die Deutschen diskutierten: Warum hat nicht Bastian Schweinsteiger geschossen, der im Test gegen Bosnien zwei Elfmeter sicher verwandelt hatte?

Die Debatte lappt ins Grundsätzliche, sie berührt die Frage, ob die junge deutsche Elf in der Lage ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen. "Podolski oder Schweinsteiger", das sei die Vorgabe für den Elfmeterfall, sagte Löw, wobei er das "o" sehr in die Länge zog: "ooooder Schweinsteiger". Man ahnte, dass Löw lieber Schweinsteiger am Punkt gesehen hätte (schließlich hatte Podolski gerade erst zwei Edelchancen vergeben, musste also verunsichert sein), wobei man das aus der Logik der Dramaturgie natürlich auch andersherum sehen konnte (schließlich hatte Podolski gerade erst zwei Edelchancen herausgearbeitet, musste also strotzen vor Selbstvertrauen).

Er habe "auch gegen Ungarn souverän einen Elfer reingemacht" führte der Unglücksschütze zu seiner Entlastung ins Feld, was nachprüfbar den Tatsachen entsprach. Und "ganz so schlecht geschossen war er ja auch nicht". Das wiederum entsprach nachprüfbar nicht den Tatsachen.

© SZ vom 19.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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