Wimbledon:Verrammelt mit Betonsperren

Lesezeit: 3 min

Rund um das Tennis-Turnier sind die Sicherheitsmaßnahmen verschärft und 19 Besucher verhaftet worden. Die Briten reagieren darauf so gelassen wie auf das Wetter.

Josef Kelnberger

Es war ein hinreißend schöner, britischer Sommerabend. Eine leichte Brise ging über London hinweg, am Horizont versank die Sonne hinter dem letzten Wolkenband und tauchte die Stadt in ein warmes Licht - still ruhte darin die Tennisanlage von Wimbledon. Man hätte an diesem Sonntag den ganzen Rückstand aufholen können, den der verregnete Samstag dem Turnier beschert hatte, man hätte notfalls ein halbes Turnier über die Bühne bringen können.

Bobbys gehen Streife zwischen den Regenplanen auf den Tennisplätzen. Die Besucher haben den für London üblichen Schirm dabei. (Foto: Foto: Reuters)

Dieser Tag bescherte London das schönste Wetter seit Turnierbeginn, doch die Organisatoren beharrten sehr gelassen auf der Tradition des spielfreien Middle-Sunday. Und es war gut so. Das Herz Großbritanniens schlug an diesem Sonntag im Wembleystadion. Beim Konzert zum 46. Geburtstag der toten Lady Di hatte die vom Terror bedrohte Nation Gelegenheit, sich im Stadion und vor dem Fernsehschirm ihres Zusammenhalts zu versichern. Und wenn man vermutet, dass der Tennisbetrieb auch deshalb ruhte, weil die BBC wegen des Wembley-Konzerts keine Sendezeit frei hatte, liegt man wohl auch nicht ganz falsch.

Am Montagvormittag knatterte ein Hubschrauber über der Tennisanlage, wie um zu dokumentieren, dass die Terrorbedrohung auch das Tennis erreicht hat. Die Sicherheitsbehörden verschärften nach den versuchten Anschlägen in der Londoner Innenstadt und am Flughafen von Glasgow auch die Vorkehrungen für Wimbledon.

Vor dem Turnier war spekuliert worden, Wimbledons Center Court, der im Zuge der Umbauten in diesem Jahr ohne Dach steht, könne Ziel eines Angriffs aus der Luft werden. Nun, nach den Attacken mit Autobomben, sind am Montag alle Zufahrten zur Anlage mit Betonsperren verrammelt worden. Rund um die Anlage ist deutlich mehr Polizei postiert als in der ersten Turnierwoche. Schon seit 2006 müssen sich die Zuschauer Kontrollen unterziehen, wie sie an Flughäfen üblich sind; Metalldetektoren sind im Einsatz, Taschen werden untersucht. Damit zog Wimbledon die Konsequenz aus den Bombenanschlägen, die am 7. Juli 2005 in London 52 Menschen das Leben kosteten.

In der ersten Woche des Turniers 2007 wurden 19 Besucher verhaftet. Die Vergehen, die man ihnen vorwarf, reichten von Cannabis-Besitz über ungebührliches Betragen bis hin zu Diebstahl und Betrug. Ein Polizeisprecher erklärte, einige Zuschauer hätten auch versucht, Messer, Tränengas und Pfefferspray auf die Anlage zu bringen. Mit den Personen werde ,,auf robuste Art und Weise umgegangen'', hieß es.

Als problematischste Sicherheitszone erwies sich aber zunächst die Spieler-Umkleide. Albert Costa, dem ehemaligen French-Open-Champion und Trainer von Feliciano Lopez, wurden 1700 Euro und 1000 Dollar in bar aus der Tennistasche gestohlen. Auch der Franzose Michel Llodra vermisste seine Geldbörse, obwohl er seine Tasche nur für Sekunden aus den Augen gelassen hatte. Das nährt den Verdacht, dass der Dieb aus den eigenen Reihen kommt. Seit Januar wurden mehr als zwanzig Diebstähle auf diversen Stationen der Männer-Tour gemeldet.

Unter den täglich 40.000 Zuschauern in Wimbledon ist dieselbe Gelassenheit wie in der ganzen Stadt zu spüren. So nehmen sie die neuen Sicherheitsmaßnahmen ebenso hin wie das britische Wetter. Es konnte niemanden wirklich überraschen, dass am Montag gegen halb elf Uhr am Vormittag wieder Regen über Wimbledon niederging. Mit den ersten Tropfen setzte der übliche Automatismus ein.

Eingespielte Teams von sechs bis siebzehn Mann, je nach Größe des Courts, ziehen Planen über den Rasen, in weniger als dreißig Sekunden sind alle 18 Plätze abgedeckt. Das Turnier bewegt sich nun wieder fort im beruhigenden Rhythmus des Aufdeckens und Abdeckens der Regenplanen. Erst zum Wochenende hin prophezeien die Meteorologen stabiles Sommerwetter, aber denen glaubt kein Mensch mehr.

Es gibt inzwischen Stimmen in England, die behaupten, das Wimbledon-Turnier sei bei Regen erst so richtig schön und echt. Das britische Fernsehen hat dann Gelegenheit, die Sendezeit mit Konserven zu füllen, und in diesem Jahr bietet sich die Gelegenheit, geschichtsträchtige Jubiläen aufzuarbeiten.

Vor vierzig Jahren zum Beispiel übertrug die BBC erstmals ein Wimbledon-Match in Farbe; es spielten der Brite Roger Taylor und der Südafrikaner Cliff Drysdale. Und vor dreißig Jahren gewann Virginia Wade als letzte Britin Wimbledon - man feierte damals nicht nur das 100-jährige Jubiläum des Turniers, sondern auch das 25-jährige Thronjubiläum von Königin Elisabeth II, und nicht zuletzt den 32. Geburtstag von Virgina Wade. Es war bis zum heutigen Tag das letzte Mal, dass man die Queen beim Tennis sah. Sie hat es mehr mit Pferden.

© SZ vom 3.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: