Wetter bei Olympia:Winterspiele mit Heuschnupfen

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Badegäste bei Winterspielen: eine Szene aus Sotschi. (Foto: dpa)

15 Grad Plus: Die hohen Temperaturen in Sotschi stellen kein Problem für die Veranstaltungen in den dortigen Hallen dar. Aber in den Bergen lassen die Plusgrade manchen Wettbewerb zur Farce werden. Sogar die Pollen fliegen schon.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Die Temperaturen seien gar nicht so hoch, sagt Alexandra Kosterina, Sprecherin des Organisationskomitees in Sotschi. Vor einem Jahr bei den Testwettkämpfen sei es doch viel wärmer gewesen. Anfang März 2013 kletterten die Temperaturen über die 20-Grad-Grenze, einige Athleten nutzten die Freizeit zwischen Training und Wettkampf für ein Bad. Nicht im Hotelpool, zwischen den Palmen, sondern ein paar Meter weiter: im Schwarzen Meer.

Nein, Sotschi habe kein Problem mit dem Wetter. Das versuchen zumindest die Organisatoren dieser Tage zu verbreiten. 1998 in Nagano, 2006 in Turin - überall mussten Wettbewerbe verschoben werden, erzählen sie gern. In Nagano etwa, weil ein Schneesturm die Pisten heimsuchte; nach mehreren Verschiebungen mussten die Kombinationsabfahrt und die klassische Abfahrt an einem Tag ausgetragen werden. In Sotschi wurden bislang alle Entscheidungen wie geplant durchgeführt. "Das Wetter ist absolut großartig", sagt Kosterina, "aber das ist nichts, worauf wir nicht vorbereitet wären."

Was braune Berghänge, grüne Wiesen und Temperaturen um die 15 Grad für das Flair von Olympischen Winterspielen bedeuten, ist das eine. Dass unten in Sotschi während der Spiele kein Schnee liegen würde, war jedoch schon vor der Vergabe abzusehen. Das überrascht auch niemanden. Sotschi ist die einzige russische Region in den Subtropen, auf dem gleichen Breitengrad wie Nizza oder New York. Der durchschnittliche Tageshöchstwert liegt im Februar statistisch bei 9,8 Grad.

Für die Durchführung der Spiele ist das kein Problem, auch vor vier Jahren in Vancouver war es häufig warm. Fünf Eishallen wurden in der Küstenregion gebaut, die sich mit viel Elektrizität herunterkühlen lassen. Die Hallen sind neu, die Bedingungen hervorragend. Mütze, Schal und Handschuhe trägt tagsüber kaum jemand, der durch den Olympiapark spaziert. Im Innenhof eines Hotels wird Beachvolleyball gespielt. Das Problem liegt in den Bergen.

Dort, so hieß es immer, herrsche Schneesicherheit. Gleich hinter Sotschi türmen sich die Gipfel des Kaukasus auf, der höchste Punkt der Spiele ist das Biathlon-Stadion "Laura" auf rund 1400 Metern Höhe. Mit dem Schnee gebe es keine Probleme, sagte zuletzt auch Gerhard Schröder, der Ex-Bundeskanzler, der bemüht ist, die Spiele gegen Kritik zu verteidigen. Doch es taut. Seit Tagen.

Seit die ausländischen Delegationen Krasnaja Poljana erreicht haben, scheint die Sonne jeden Tag kräftiger. Etlichen Menschen setzt in diesen Tagen in Sotschi beginnender Heuschnupfen zu.

Bis zum Montag hielten die mit eingelagertem Schnee präparierten Skipisten ganz gut, doch nun werden sie gefährlich weich. In den Morgenstunden, nach einer kalten Nacht, geht es noch. Doch wenn die Sonne über die Gipfel blitzt, heizen sich die Hänge binnen einer Stunde auf. Von den Bergen schießt der geschmolzene Schnee herunter. Die Sonne lässt den Untergrund sulzig werden, die Langläufer trainieren in kurzen Hosen, weil es sonst zu warm würde.

Er fände jetzt "Margarita, Chips und Salsa" angemessen, sagt der nordische Kombinierer Todd Ludwick aus den USA, "aber ich muss damit, glaub ich, bis nach dem Wettkampf warten."

Das klingt lustig, doch ist es bisweilen nicht. Vor allem nachmittags wird es brenzlig. Beim Finale im Langlauf-Sprint stürzten drei Läufer eine aufgeweichte Abfahrt herunter, purzelten übereinander. Da nur sechs Männer gestartet waren, wurde das Rennen zur Farce. Eine Folge der Temperaturen, sagt Peter Schlickenrieder, der frühere Skilangläufer. Tiefe Furchen habe er in der Piste gesehen. Erreichen die Langläufer bis zu 60 Stundenkilometer, seien Stürze programmiert. "Schon extrem" findet Schlickenrieder die Verhältnisse.

Bei der Abfahrt der Frauen am Mittwoch wurden in den Rennpausen immer wieder schwarzbebrillte Helfer gesichtet, die aus vollen Händen Salz auf der Strecke verteilten. Das Salz zieht die Flüssigkeit aus dem Schnee, macht die Pisten hart. Nur so hielt die Strecke, bis die letzte Fahrerin im Ziel war.

Eine Option wäre, kritische Nachmittagsrennen in die Morgenstunden zu verlegen. Doch reagieren will das IOC nicht. Alles laufe nach Plan, sagt Sprecher Mark Adams. Gut möglich, dass es bis zum Ende der Frühlingsspiele gar nicht mehr schneien wird: Auch am Donnerstag sollen die Plusgrade zweistellig werden. 15 Grad sind vorhergesagt. Nicht nur unten in Sotschi, sondern auch oben, in Krasnaja Poljana.

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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