Werks-Duell:Zähe Kost

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Macht kein Nickerchen, sondern Notizen: Leverkusens Trainer Peter Bosz in Wolfsburg. (Foto: Noah Wedel/imago)

Wolfsburg und Leverkusen fesseln mehr abseits des Platzes. Geht Weghorst? Wer folgt auf Havertz? Beim VfL wie bei Bayer 04 ist gerade viel in Bewegung geraten.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Im Rahmen einer Imagekampagne, die der Stadionsprecher vor der Partie auch als solche ankündigte, wurde versehentlich schon das Motto des Abends bekannt gegeben: Der VfL Wolfsburg sei "Nix für Modefans", so flimmerte es in Großbuchstaben über die Anzeigetafeln, natürlich war das auch als selbstironische Replik auf den eigenen Status als Werksklub zu verstehen. Von den Kreationen findiger PR-Spezialisten kann man halten was man will, aber nun ja, was soll man sagen? Dieser Sonntagabend wurde definitiv nix für Modefans, nicht einmal für echte Liebhaber des Sports, wobei die sich sowieso lieber zehn Folgen Traumschiff hintereinander angucken würden als auch nur ein reines Werksklub-Duell.

VfL Wolfsburg gegen Bayer Leverkusen, das verspricht zwar keine Fußballromantik, dafür kann es ein knalliges Spiel mit vielen Toren geben und inzwischen auch Diskussionsstoff für Ballideologen: Auf der einen Seite der Wolfsburger Trainer Oliver Glasner, der seine Mannschaft vor allem als Pressingmaschine sehen will, die mit Überfallangriffen auf des Gegners Tor zurollt. Und auf der anderen Seite Peter Bosz, der als Holländer dem Glauben anhängt, dass ausschließlich der Ball diesem Spiel Sinn verleiht, weshalb seine Spieler den Ball möglichst immer haben und entsprechend liebevoll behandeln sollen.

Eine eigentlich spannende Konstellation, in der sich die Protagonisten dann aber durchweg neutralisierten, und so passierte: so gut wie nix. Nach einer biederen Partie stand es 0:0, wobei Wolfsburg noch ein bisschen "näher dran war am Sieg als Leverkusen", wie VfL-Trainer Glasner hinterher feststellte. Bosz hatte zwar richtig mitgerechnet, dass jede Mannschaft nicht mehr als "ein bis zwei Chancen" hatte, aber bei den Wolfsburgern sahen diese eine Spur gefährlicher aus. Die wohl beste Möglichkeit hatte Mittelstürmer Wout Weghorst (42. Minute).

Bei Weghorst beginnt nun auch das, was die beiden Klubs weitaus mehr umtreibt als ihr dürftiger Saisonstart. Der Niederländer wird gerade mit Tottenham Hotspur in Verbindung gebracht, deren Trainer José Mourinho nach einer kantigen Alternative für seinen Klassestürmer Harry Kane sucht. Weghorst passt nicht nur wegen seiner Körpergröße (1,97 Meter) ins Stellenprofil, er bringt auch die Empfehlung von 16 Treffern in der vergangenen Saison mit. Angeblich erhoffen sich die Wolfsburger eine Ablöse in Höhe von 35 Millionen Euro, der Weggang ihres besten Stürmers würde aber eine ähnliche Lücke in den Kader reißen, wie sie in Leverkusen noch geschlossen werden muss.

Das Spiel offenbarte bei Bayer, was für viele abzusehen war: Ohne Havertz hapert's. Kevin Volland ist auch nicht so leicht zu ersetzen. Und in Leon Bailey fehlt noch ein begabter Wirbelwind, weil er letztens bei Sprintstar Usain Bolt Geburtstag feierte und aufgrund von dessen Corona-Infizierung in jamaikanischer Quarantäne verbleiben musste. Auch er könnte den Verein noch verlassen, heißt es, obwohl ihm Trainer Bosz erst vor wenigen Tagen noch das Vertrauen ausgesprochen hatte.

In der Offensive, die ja eigentlich der Wesenskern einer jeden Bosz-Mannschaft sein soll, fehlen also ein paar schöpferische Kräfte, die der Idee des Trainers auch das nötige Leben einhauchen. Im Spiel nach vorne müsse man sich verbessern, analysierte Bosz nach der Partie, "das ist deutlich". Trotz der für Kai Havertz (Chelsea) und Volland (Monaco) angeblich etwa 100 Millionen eingenommenen Euros gibt es aber weiter keine guten Neuigkeiten für den Trainer. "Ein paar Spieler" würden zwar noch kommen, wie Bosz ankündigte. Auch Geschäftsführer Rudi Völler hatte zuvor bei Sky "den einen oder anderen Transfer" in Aussicht gestellt. Allerdings werde man "mit Augenmaß" vorgehen - es ist also nicht zu erwarten, dass die Havertz- und Volland-Millionen zum größten Teil reinvestiert werden.

Für ein gewisses Augenmaß sprach jedenfalls eine Meldung vom Montagvormittag. Laut Medienberichten steht Bayer kurz vor der Verpflichtung von Santiago Arias, 28, derzeit noch in Diensten von Atletico Madrid. Der Kolumbianer ist bei den Spaniern zwar nur Rechtsverteidiger Nummer zwei, in Leverkusen besteht auf dieser Position aber schon länger Handlungsbedarf. Im Gespräch ist eine einjährige Leihe mit anschließender Kaufoption. Für Trainer Bosz dürfte das wohl erst ein kleiner Anfang sein.

© SZ vom 22.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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