Werders Sieg gegen Leipzig:Darauf einen Kaiserschmarrn

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Werder lässt mit seinem Sieg aufhorchen, weil drei Austria-Profis ins Tor treffen.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Rosinen, Rum, Eier, Vanille- und Puderzucker sind neben Mehl und Milch die Zutaten für die österreichische Süßspeise schlechthin. Und da die Bremer, speziell die beim SV Werder, spätestens seit Bruno Pezzey (achtziger Jahre) und Andreas Herzog (neunziger Jahre) ein Faible für Fußballer aus der Alpenrepublik haben, wird ihnen auch das Versprechen von Zlatko Junuzovic gut gefallen haben. "Um einen Kaiserschmarrn werden wir wohl nicht herumkommen", hat der Werder-Kapitän nach dem 3:0 gegen den Tabellenzweiten RB Leipzig gesagt und mit breitem Grinsen angemerkt: "Des is a Wahnsinn". Denn das Duell zwischen den drei aktuellen Bremer Österreichern (Junuzovic, Florian Grillitsch, Florian Kainz) und den drei Leipziger Österreichern (Trainer Ralph Hasenhüttl, Marcel Sabitzer, Stefan Ilsanker) hatten die Bremer deutlich gewonnen. Der Grund: Jeder aus Bremens Austria-Trio hatte ins Tor getroffen.

Auch den Bremern gelingt es, Leipzigs speziellen Code zu entschlüsseln

Es waren spektakuläre Höhepunkte in einem Werder-Spiel, das, so Trainer Alexander Nouri, "nicht nur die Gastronomen" rund ums Weserstadion frohlocken ließ. Das erste Tor (35.) beendete jene Phase des Spiels, in der es noch so aussah, als spielte hier wirklich der um seine besten Angreifer Serge Gnabry und Max Kruse (beide angeschlagen) dezimierte Abstiegskandidat gegen ein Spitzenteam. Es war die erste Bremer Möglichkeit, die Junuzovic mit Willen und Geschick nutzte. Er nahm eine Anleihe aus dem Tennis, die Kugel flog aus 18 Metern als Slice in die linke Torecke.

Beim 2:0 (59.) mischte sich der Däne Thomas Delaney ein. Er gab dem Freistoßschützen Junuzovic die Bitte des Kollegen Grillitsch weiter, er möge ihm den Ball flach zuspielen. So kam es, und Grillitsch bugsierte den Flachpass unter die Torlatte. Das 3:0 (90.), als die Leipziger "Alles oder Nichts" spielten, indem sie die Stürmer Davie Selke und Oliver Burke für die Abwehrspieler Compper und Schmitz aufs Feld brachten, hatte erneut Junuzovic als Ausgangpunkt. Der schickte Fin Bartels auf die Reise; dessen Zuspiel konnte der Amerikaner Aron Johansson noch nicht im Tor unterbringen, wohl aber der eingewechselte Kainz im Nachschuss. Felix Austria.

Nach Monaten der Demütigungen im Aufwind: Bremens Fußballer scharen sich um den Torschützen zum 1:0, Zlatko Junuzovic (links). (Foto: Stuart Franklin/Getty)

Vor dieser vierten Niederlage in den letzten sieben Spielen hatte RB-Coach Hasenhüttl noch den Selbstbewussten gegeben: "Wer glaubt, dass unser Code entschlüsselt oder unsere DNA geknackt ist, soll es glauben", verkündete er. Aber auch die Bremer haben den Code nach einigem Startglück (Sabitzer zum Beispiel traf den Pfosten) am Ende dechiffriert. "Wir wollten sie überspielen", sagte Torschütze Grillitsch. Der Plan ging auf, weil den von ihrem aufwendigen Pressing ausgelaugten Leipzigern ein paar Prozent Dynamik fehlten.

Vor allem aber ist die Werder-Abwehr, die nach 15 Spieltagen mit 34 Gegentoren noch die Schießbude der Liga war, inzwischen sogar solider als zu den besseren Zeiten des Langzeit-Trainers Thomas Schaaf. In den jüngsten zehn Partien kassierte Werder gerade mal zehn Gegentore. Das hängt nicht nur an der inzwischen eingespielten Innenverteidigung mit Lamine Sané und Niklas Moisander, sondern auch an den zuletzt ausgezeichneten Mittelfeld-Stabilisatoren Delaney und Junuzovic. Delaney zeichnet eine großartige Übersicht aus, er sei "der Typ, der auf dem Platz laut ist", wie Trainer Nouri lobt. Junuzovic wiederum sei der Laufstärkste und lebe "den Teamgeist total". So konnten die Ausfälle von Gnabry und Kruse im Kollektiv aufgefangen werden. Hinzu kommt Torwart Felix Wiedwald, der in den heiklen Situationen neuerdings immer das Richtige tut. Auf diese Weise hat Werder in den letzten fünf Spielen 13 Punkte eingesammelt, fast so viele wie in den 20 Partien zuvor (16).

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(Foto: imago/Jan Hübner)

Bremen hat einen Lauf, der Gegner einen Anti-Lauf - während bei Leipzig ein Ball derzeit vom Pfosten ins Feld zurückspringt ...

... fällt dem eingewechselten Werderaner Florian Kainz der Ball vor dem 3:0 wie gewünscht vor die Füße.

Während die Bremer also derzeit alles tun, um im ausufernden Abstiegskampf nicht unterzugehen, schleicht sich bei den auf Platz zwei inzwischen von Dortmund und Hoffenheim bedrängten Leipzigern fast ein bisschen Panik ein. Jene Leichtigkeit, mit der sie durch die erste Saisonhälfte galoppierten, ist verflogen. In der Länderspielpause müsse man "neue Energie tanken", sagt Kapitän Willi Orban. Der geschlagene Österreicher Sabitzer hat sogar Angst, "dass wir es noch verbocken" - nämlich jenen Champions-League-Startplatz, zu dem Werder-Coach Nouri seinem Kollegen bereits gratuliert hat.

Das kam bei Hasenhüttl nicht besonders gut an. Er erwiderte, man habe immer davon gesprochen, "dass wir noch längst nicht da sind". Vielmehr hofft der RB-Trainer, dass die wichtigen Offensivkräfte Yussuf Poulsen und Naby Keita in Kürze wieder dabei sind. Der künftige Nationalspieler Timo Werner sah die erneute Niederlage schlicht so: "Schade, abhaken." Ob es damit getan ist? Dass ihm ausgerechnet seine Landsleute das Spiel vermiesten, hat der Österreicher Hasenhüttl schnell zu verdrängen versucht: "Egal, wer Tore gegen uns macht, sie tun alle gleich weh."

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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