Werder Bremen:Hoffnung zerstampft

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Mit einem Viererpack schickt Bremens Stürmer Max Kruse den FC Ingolstadt zurück in die Tiefen des Tabellenkellers. Der 29-Jährige widerlegt mit seiner anhaltenden Hochform alle Vorurteile, die über ihn im Umlauf sind.

Von Thomas Gröbner, Ingolstadt

Es ist nicht lange her, da wurde Häme ausgegossen über den Stürmer Max Kruse. Zu dick, zu faul, ein Proll im tarnfarbenen Maserati, der besser Poker spielt als Fußball - diese Vorurteile klebten an Kruse. Unterfüttert wurde dies durch Schlagzeilen von nächtlichen Umtrieben und einem laxen Umgang mit großen Bündeln Geldscheinen. Doch seit einiger Zeit arbeitet der 29-Jährige an einem anderen Image: am Bild eines demütigen Stürmers, der in wichtigen Momenten über sich hinauswachsen kann - und eine ganze Mannschaft zu ziehen vermag. Mit seinen vier Toren gegen Ingolstadt hat er dieses Bild nun weitergemalt. Doch bevor sich Max Kruse anschickte, dieses Spiel gegen den Abstiegskandidaten Ingolstadt endgültig zu einem Nachweis seines überquellenden Talents zu machen, hatte sich Ingolstadt noch einmal verzweifelt aufgebäumt. Zweimal war der Tabellenvorletzte in Führung gegangen: Erst stahl sich Dario Lezcano frei (32.), dann traf Pascal Groß per Strafstoß, den sich Almog Cohen tendenziell ergaunert hatte. Doch die Tore von Kruse stampften die zarte Hoffnung nieder. Erst per Elfmeter (1:1) - sein letzter Fehlversuch liegt übrigens zehn Jahre zurück, für die Bremer Amateure gegen Essen -, dann drosch er eine verunglückte Faustabwehr des Ingolstädter Schlussmanns Hansen ins Tor (2:2/81.). Vollständig verzweifeln ließ er die Heimelf mit einen sehenswerten Schlenzer (87.). Und Kruse legte noch einen 100-Meter-Sprint aufs verwaiste Tor drauf (90+4.). Kruse rettete Werder so gegen den Abstiegskandidaten und bewahrte die stolze Serie von zehn Spielen ohne Niederlage (26 Punkte). Die erstaunliche Bremer Wandlung vom Kellerkind zum Anwärter für die Europa League, sie fällt zusammen mit der Verwandlung des Max Kruse.

Es ist nur ein Jahr her, da war er von Bundestrainer Löw gewogen und vermessen und zudem als moralisch bedenklich eingestuft worden. "Wir brauchen Spieler, die sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sind", begründete Löw das Aus von Kruse vor der EM in Frankreich, auch in Wolfsburg waren sie unzufrieden. Erst in Bremen, scheint es, gelangt sein Talent wieder zur Blüte: "Ich brauche ein gutes Umfeld, so wie es Werder mir bietet", so erklärt Kruse seine Leistungsexplosion. Es existieren ja immer noch Auflistungen, die "das wilde Leben von Max Kurse" belegen sollen, und die all seine Auffälligkeiten außerhalb des Rasens aufführen. Andere Spieler, die über weniger Talent verfügen als Kruse, wären wohl schon aus dem Fußballbetrieb ausgeschieden.

Als Kruse diese Saison nach langer Verletzungspause sein erstes Tor schoss, da machte noch das sich wölbende Bäuchlein des Angreifers Schlagzeilen. Doch in der finalen Phase erfindet sich Kruse neu: Allein in den vergangenen sieben Spiele traf er neun Mal und bereitete vier Tore vor. Und zeigt neue Qualitäten: Weil Bremens Gestalter Zlatko Junuzovic fehlt, Claudio Pizarro für Trainer Nouri zwar eine "Inspiration", aber kein Startelf-Kandidat ist und Serge Gnarby nach Genesung noch auf der Bank saß, lastete die Verantwortung fürs ganze Werder-Spiel auf Kruse. Zu viel für einen einzelnen? In der ersten Halbzeit wünschte man dem bedauernswerten Angreifer einen zweiten Kruse an die Seite. Einen, der die Flanken von Flügelläufer Kruse verwertet, die Pässe von Spielmacher Kruse aufnimmt und zusammen mit ihm das Ingolstadter Aufbauspiel erstickt.

Doch als Kruse mal wieder dem Ball hinterherhechelte und seine Einsamkeit erkannte, da ballte er die Fäuste und brüllte seine Enttäuschung über die Kollegen in den tristen Ingolstädter Himmel. Erst, als Trainer Nouri dann auch Pizarro und Gnabry aufs Feld schickte, konnte sich Kruse wieder auf seine Kernkompetenz besinnen: Tore schießen. Während er von sich selbst unbeeindruckt sagte, er habe eben "nur einen Teil beigetragen", könnten zwei Herren auf der Tribüne zu einer anderen Einschätzung gelangt sein. Löw-Assistent Thomas Schneider saß dort neben DFB-Sturmcoach Miroslav Klose. Im Juni steht für die Nationalelf der Confed Cup an. Kruse sagt: "Bis jetzt gehe ich davon aus, dass ich Urlaub habe."

© SZ vom 24.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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