Werder Bremen:Grüne Welle

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Werder Bremen plant die nächste Phase der internationalen Karriere als zweite Kraft neben dem FC Bayern.

Jörg Marwedel

Als der Maskenmann sein Visier aus Plexiglas abgenommen hatte, wurde außer einer etwas schiefen Nase ein befreites Lächeln sichtbar. Miroslav Klose machte sich mit den Kollegen auf zur Ehrenrunde. Dann kündigte er ein fröhliches Nachspiel an für die Nacht, in der sowieso keiner schlafen würde: "Wir sind da sehr kreativ, wir lassen uns etwas einfallen."

Zum Nikolaus schon wieder eine gute Nachricht: Thomas Schaaf bleibt mindestens bis 2008 bei Werder Bremen (Foto: Foto: dpa)

Klose war einer der Gefeierten an diesem Abend der Ovationen im Weserstadion - neben dem genialen Passgeber Johan Micoud (der sich als Einziger sofort in die Kabine verdrückte) und dem kleinen Wirbelwind Nelson Valdez (der das Bad in der Menge mag). Klose hatte sich trotz des vor zwei Wochen in Barcelona erlittenen Jochbein-, Augenhöhlen- und Kieferbruchs entschieden zu spielen und war dann so flink und fintenreich über den Rasen gehuscht, als gäbe es die schwere Blessur nicht.

Ihre Magie aber zog die Spätvorstellung nicht aus dem 5:1 von Werder Bremen über Panathinaikos Athen. Die frühe 3:0-Führung durch Micouds Elfmeter (2., nach Foul an Klose) und zwei Treffer von Valdez (28. und 31.) sowie Kloses schnelles 4:0 nach der Halbzeit (51.) hatten dem ungleichen Duell bald den Charakter eines Freundschaftsspiels verliehen. Der besondere Zauber entfaltete sich virtuell. Ein vergleichsweise unbekannter Spieler namens Ezquerro hatte gegen 22.27 Uhr gut 1500 Kilometer südlich von Bremen ein Tor erzielt. Es war fünf Minuten vor Spielende das 1:0 für den FC Barcelona in Udine, das den Bremer Sieg in einen der großen Erfolge der Vereinshistorie verwandelte. Nun zog nämlich Werder an Udinese Calcio vorbei auf Rang zwei der Gruppe C und ins Achtelfinale der Champions League ein.

Fans des FC Barcelona

Sekunden später schwappte die Nachricht aus den Kopfhörern und Handys auf der Tribüne als akustische La Ola durch das Stadion. Kurz darauf folgte die zweite Welle, da hatte Iniesta mit dem 2:0 für die schon vorher als Gruppensieger feststehenden Spanier Werders Triumph von fremden Gnaden bestätigt. "Als es positiv unruhig wurde", erzählte Trainer Thomas Schaaf später mit unbewegter Schaaf-Miene, "da haben wir gemerkt, was passiert war." Geschäftsführer Klaus Allofs, der so wenig mit der Parallelwelt in Italien verbunden war wie der restliche Betreuerstab, berichtete derweil von einer Phase des Zweifels: "Es war so still im Stadion, ich fürchtete, Udinese sei in Führung gegangen."

Es gab also allerlei Gründe, "spätestens ab heute Fan des FC Barcelona" zu werden, wie Nelson Valdez mit heiserer Stimme zu Protokoll gab, auch wenn Allofs mit dem Sieg Barcelonas nur den "Anspruch eines großen Klubs" erfüllt sah, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Lieber sprach der Sportdirektor über die Leistung der eigenen Mannschaft. Die habe nun "ein Niveau erreicht hat, dass uns überall in Europa Respekt entgegengebracht wird".

Sie hatte mit Barcelonas Hilfe auch die vielen kleinen Betriebsstörungen während der Gruppenspiele in der zuweilen chaotischen Defensive ausgemerzt und, so Trainer Schaaf, "gezeigt, dass sie auch richtig gute Spiele mit den richtigen Ergebnissen liefern kann". Das 1:1 in Udine, wo man kurz vor Schluss den Sieg verschenkte und das 1:2 in Athen, wo man den Anfang verschlief, könne man jetzt "endlich vergessen", sagte Mittelfeldspieler Torsten Frings, dem kurz vor dem Abpfiff das 5:1 gelungen war.

Schaaf bleibt bis 2008

Vor allem können die Bremer nach dem zweiten Einzug ins Achtelfinale der Königsklasse hintereinander die nächste Phase ihrer internationalen Karriere als zweite deutsche Kraft neben dem FC Bayern planen. Schritt eins war die gestern verkündete Vertragsverlängerung mit Thomas Schaaf bis 2008, er wäre dann neun Jahre Chefcoach bei Werder. Schritt zwei ist die Versilberung des neuerlichen Imagegewinns.

Außer 3,6 Millionen Euro garantierter Einnahmen aus der Achtelfinal-Teilnahme dürfte weiteres Werbegeld fließen, auch der künftige Trikotsponsor (ein Wettanbieter) wird womöglich etwas drauflegen müssen. Nur große Transfers schloss Allofs trotz der Probleme in der Abwehr kurzfristig aus. "Wir werden jetzt nicht in andere Dimensionen vorstoßen", sagte er. Zudem sei "die Winterpause nicht die Zeit für gute Geschäfte" auf dem Spielermarkt, eher für Aktionen "aus der Not heraus".

Wohl aber ist sie die Zeit für neue Träume. Am 16. Dezember werden die Achtelfinal-Paarungen ausgelost. Der nächste Gegner? "Villarreal von mir aus", sagte Allofs, "Arsenal wäre auch gut." Nur einer Begegnung würde man gern ausweichen. "Hauptsache nicht Lyon", sagte Valdez. "Die wollen wir erst später", ergänzte Allofs. Das Trauma vom vergangenen Jahr, als man vom französischen Meister im Achtelfinale mit 0:3 und 2:7 vorgeführt wurde, ist noch nicht restlos verarbeitet in Bremen.

© SZ vom 09.12.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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