Weltrekorde im Schwimmen:Wunder vom Fließband

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Die Textilindustrie beschert dem Schwimmen einen Weltrekord nach dem anderen. Das Schwimmen ist dabei, zur Freak-Show zu verkommen.

Josef Kelnberger

Aus Amerika hat sich gerade Michael Phelps gemeldet, richtig, der Mann mit der Hasch-Pfeife. Er habe eine neue Technik entdeckt, und, nein, es gehe nicht um die Einnahme von Rauschmitteln. Nach seinen acht Olympiasiegen von Peking und den monatelangen Feierlichkeiten widmet sich der Schwimmer jetzt den Strecken, die er bislang noch nicht beherrschte, vor allem dem Freistilsprint.

Alain Bernard hat schon wieder einen neuen Weltrekord aufgestellt. (Foto: Foto: Reuters)

Seine "neue Technik" will er erstmals Mitte Mai vorführen, und man darf gespannt sein: Hat er Düsen an den Händen, eine Schiffsschraube an seinem Heck? Nichts erscheint unmöglich in einem Sport, der vergangenes Jahr mit einer Anzugdebatte und mehr als hundert Weltrekorden Schlagzeilen machte. Es wird jedenfalls wieder ein fröhliches Wettrüsten bis August, wenn sich die Schwimmer zu ihren Weltmeisterschaften, ach was: zu ihrer Industriemesse in Rom treffen.

Am Donnerstag durchbrach der Franzose Alain Bernard als erster Mensch die Barriere von 47 Sekunden über 100 Meter Freistil. Das Überschreiten solcher Grenzen galt früher als archaischer Akt. Was Alain Bernard indes als erstes tat: Er deutete mit beiden Zeigefingern auf seine Brust, wo der Schriftzug seines neuen Anzuglieferanten prangte.

Der Weltrekord, heißt das, war Produkt der Industrie, das Wunder kam vom Fließband und ist Coup der Marketing-Abteilung. Bernard trug ein Modell, das noch nicht einmal für Wettkämpfe zugelassen ist. Ob das Textil den Normen entspricht und damit die epochale Marke Gültigkeit besitzt, müssen die Regelhüter vom Weltverband erst prüfen. So werden vermeintliche sportliche Wundertaten zur Farce.

Angesichts der Rekordflut hat der Weltverband Fina Ausmaße und Auftriebswirkung der Anzüge normiert. Die Prüfverfahren laufen noch, doch Bernards Rekord weckt schon Zweifel, ob nun wirklich Ruhe einkehrt in der Szene. Der Franzose rühmt die aufwendige Entwicklungsarbeit seines Ausrüsters, aus dem Lager seines australischen Rivalen Eamon Sullivan werden Zweifel gestreut, ob alles mit rechten Dingen zuging.

Mit seiner neuen Technik und bestimmt einem hypermodernen Anzug will Michael Phelps die beiden herausfordern. So manche Barriere wird noch fallen, und die Frage wird sich aufdrängen, ob neben der Textil- auch die Pharmaindustrie ihre Hände im Spiel hat. Das Schwimmen ist dabei, zur Freak-Show zu verkommen. Sie sollten wieder in normalen Badeklamotten ins Wasser hüpfen.

© SZ vom 25.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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