Wechsel-Chaos:Zuspitzung um Mitternacht

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Hechtet den Bällen weiterhin für Manchester United hinterher: Torwart David De Gea. (Foto: AP)

De Gea muss bleiben: Real Madrid und Manchester United vermasseln in letzter Sekunde ihren lange angebahnten Torwart-Tausch.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

War das nun die Vendetta des Louis van Gaal, dem Trainer von Manchester United, der Real Madrid nicht verzeiht, dass er den Verteidiger Sergio Ramos nicht bekam? Oder war es eher eine sorgsam orchestrierte Intrige des spanischen Rekordmeisters und seines Präsidenten Florentino Pérez? War es blanke Stümperei? Und welche Rollen spielten die Agenten der beteiligten Spieler? Britische und spanische Sportmedien standen am Dienstag vor einem Rätsel, das sich womöglich nie wird auflösen lassen und vorläufig vor allem einen Verlierer kennt: Torwart David De Gea, der seine Hoffnung auf einen Wechsel von Manchester United zu Real Madrid, kurz nachdem der Dienstag angebrochen war, vorerst aufgeben musste. Weitere Folge: Costa Ricas Nationaltorwart Keylor Navas bleibt bei Real - jener Keeper, der parallel nach Manchester verschoben werden sollte, aber am Wochenende im Bernabéu-Stadion von den Fans gefeiert wurde.

Das Drama, das De Gea und Navas durchlebten, spitzte sich um Mitternacht zu, und lässt sich in vielen Details rekonstruieren - aber nicht in allen. Zu den Fakten zählt, dass Real Madrid schon länger um De Gea gebuhlt hatte: Der Keeper, der beim Stadtrivalen Atlético Madrid groß wurde, gilt als der perfekte Mann, um den zum FC Porto weggemobbten Klub-Helden Iker Casillas zu ersetzen. ManU zierte sich bis zuletzt, zumal Real nicht willens war, Sergio Ramos abzugeben. Bis zum frühen Montagabend. Da ließ Real die ihm mehr oder weniger angeschlossenen Funkhäuser Spaniens wissen, De Geas Wechsel sei perfekt, Manchester habe zugestimmt. De Gea sollte für angeblich 30 Millionen Euro nach Madrid, Navas für 15 Millionen nach Manchester wechseln. Dass die tatsächlich vereinbarten Summen wohl niedriger liegen, ist unerheblich für das Chaos, das dann entstand. Interessanter war ein Hinweis, den Real unter der Hand verbreitete: Die Verkündung solle um Mitternacht erfolgen. Einige Beobachter wurden da stutzig: Welchen Sinn macht diese Verzögerung? Die Radiosender Spaniens, die traditionell ihre Sportsendungen um Mitternacht beginnen, verkündeten um Punkt zwölf, der Torwarttausch sei perfekt. Wenige Minuten später ruderten alle zurück - und verkündeten mit erstaunlicher Sicherheit, United sei schuld, dass der Transfer doch gescheitert sei. In letzter Minute.

Tatsächlich hatte Manchester die Transferunterlagen in letzter Sekunde ins EDV-System des Fußballweltverbandes Fifa eingespeist. Real teilte am Dienstag mit, dass man aufgrund der Verzögerung erst um 0.02 Uhr versuchen konnte, ebenfalls ins System zu kommen und den Transfer als aufnehmender Klub zu bestätigen. Zu spät: Die Frist war um zwei Minuten verstrichen. Später zirkulierten seltsame Gerüchte, dass man die Dokumente aus Manchester wegen Softwareproblemen nicht öffnen konnte. In jedem Fall schlug ein zweiter, unabdingbarer Schritt fehl: den Vertrag von De Gea beim spanischen Ligaverband LFP reichte Real um 0.28 Uhr ein, also fast eine halbe Stunde zu spät. Den angekündigten Einspruch konnte sich Real am Dienstag schon sparen. Die LFP teilte mit, die Regeln seien "für alle gleich". Und nun? Navas wollte ohnehin immer in Madrid bleiben. Ein möglicher Grund für die Verzögerung könnte sein, dass seine Berater für das Okay zum Transfer zu viel Geld wollten, ihre Einwilligung soll erst weit nach 23 Uhr erfolgt sein. Unklar ist auch die Rolle des mächtigen Spielerberaters Jorge Mendes. Er war vor zwei Jahren schon involviert, als unter ähnlich skurrilen Umständen der Transfer von Real Madrids Verteidiger Fabio Coentrão zu ManU scheiterte - und war nun wieder dabei. In der ungünstigsten Position ist nun De Gea. Er lehnte eine vorzeitige Verlängerung seines bis 2016 laufenden Vertrags in Manchester ab und überwarf sich mit Trainer Louis van Gaal, um zu Real zu wechseln. Das Problem ist weniger finanzieller Natur: Angeblich ließ er sich vertraglich von Real zusichern, dass er 15 Millionen Euro Entschädigung erhält, wenn der Transfer nicht zustande kommt. Nun stellt sich die Frage, ob van Gaal den eigentlich ausgemusterten Keeper wieder aufnimmt und für den zuletzt wenig überzeugenden Sergio Romero spielen lässt. Denn wer Louis van Gaal kennt, ahnt: Das könnte schwierig werden.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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