Vuelta:Dominant zum Double

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„Die härteste große Rundfahrt, die ich je gefahren bin“: Christopher Froome, Mann der Superlativ, bei einem seltenen Doppel-Saisonsieg. (Foto: José Jordan/AFP)

Der britische Radprofi Christopher Froome prägt nach der Tour de France auch die Spanien-Rundfahrt - nicht zuletzt dank der Stärke seiner Sky-Mannschaft.

Von Johannes Aumüller, Madrid/München

In den letzten Kehren begann mal wieder eine große Show. 20 Prozent ging es hinauf, 22, irgendwann sogar 23. Es gehört zum Irrsinn der Branche, das Peloton nach drei überaus harten Wochen zum Abschluss der Spanien-Rundfahrt noch einmal einen so teuflischen Berg hinaufzuschicken wie den Alto de l'Angliru in Asturien. Weil die Verantwortlichen glauben, dass das tolle Bilder gebe.

Die Bilder sahen dann so aus: An der Spitze rackerte sich der alte Kämpe Alberto Contador dem letzten großen Etappensieg seiner so umstrittenen Profikarriere entgegen. Aber ebenso bemerkenswert war das, was sich ein paar Hundert Meter weiter hinten tat. Denn da radelten der Sky-Kapitän Christopher Froome und sein Teamkollege Wouter Poels die 23 Prozent mit einer Leichtigkeit hinauf, als seien es nur 2,3 Prozent. Niemand konnte mehr folgen, und als die beiden oben ankamen, war der nächste bemerkenswerte Triumph des Briten und seines Teams perfekt.

2:15 Minuten Vorsprung auf den Italiener Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) und fast drei Minuten auf den überraschend starken Russen Ilnur Zakarin (Katjuscha) standen für Froome, 32, im Gesamtklassement schließlich zu Buche. Er ist es zwar gewohnt, große dreiwöchige Landesrundfahrten als Sieger abzuschließen. Immerhin vier Mal gewann er zwischen 2013 und 2017 die Tour de France. Aber Froomes Abschneiden bei der Vuelta war doch etwas Besonderes: Erstens weil er die Spanien-Rundfahrt in den vergangenen Jahren schon dreimal als Zweiter, aber noch nie als Erster abgeschlossen hatte. Und zweitens ist es ein seltenes Double, in einer Saison Tour und Vuelta zu gewinnen. Nur den beiden Franzosen Jacques Anquetil (1963) und Bernard Hinault (1978) war das bisher gelungen. "Das war die härteste große Rundfahrt, die ich je gefahren bin", sagte Froome: "Es ist eine solche Erleichterung, einfach unglaublich."

2018 will Froome zum fünften Mal die Tour gewinnen

So krönten Froome und sein Sky-Team in den Bergen Asturiens also ihr bisher wohl stärkstes Jahr. Wie schon bei der Tour dominierten sie nahezu durchgehend das Geschehen, auch wenn Contador und Nibali sich des Öfteren um eine ordentliche Attacke bemühten. Aber unterm Strich war da kaum etwas zu machen. Es gehört längst zur Tradition, dass der nach Froome zweitbeste Mann des Feldes nicht im Kapitänsamt eines konkurrierenden Rennstalls zu finden ist, sondern als Edelhelfer in Froomes eigener Mannschaft. Diesmal war das nicht, wie noch bei der Frankreich-Rundfahrt, der Spanier Mikel Landa, sondern der Niederländer Poels - insbesondere in der dritten Woche und nach einem seltenen Schwächetag Froomes.

Die Dominanz von Sky ist nicht neu, aber solche Leistungen wie 2017 sind nicht dafür geeignet, die Zweifel abzubauen, die sich längst turmhoch um die Equipe ranken. Zuvorderst gründen die auf den Umständen einer mysteriösen Medikamenten-Lieferung an den damaligen Teamleader Bradley Wiggins aus dem Jahr 2011, die immer noch nicht aufgeklärt sind, aber auch auf manch anderem heiklen Thema. Der Umgang damit wirkt oft unsouverän: Im Sommer etwa beschimpfte Teamboss Dave Brailsford auf einer Pressekonferenz einen kritischen Journalisten. Der sei hier nicht willkommen.

Es steigert auch nicht das Vertrauen in den Athleten Froome, wenn er erst im Juli die Tour so dominiert und nach nur vier Wochen Pause auch die Vuelta, die vom Profil her traditionell noch anstrengender ist. Solch einen Doppelschlag hat sich nicht einmal Armstrong in seinen Hochdoperjahren getraut. Froomes aktuelle Konkurrenten ließen entweder eine der beiden Rundfahrten ganz aus - oder konzentrierten sich nur bei einer aufs Gesamtklassement. Bei Sky verweisen sie stattdessen darauf, dass Froome eben eine andere Priorisierung gehabt habe als viele Mitstreiter. Nur 27 Renntage bis zum Tour-Start Anfang Juli, und danach volle Konzentration auf Tour und Vuelta.

Im nächsten Jahr steht für Froome gleich das nächste große Projekt an. Er will zum fünften Mal die Tour de France gewinnen - öfter steht dieser Titel bei niemandem in der Erfolgsliste, nachdem Armstrongs sieben Triumphe wegen seiner Dauerdoperei offiziell getilgt worden sind. Und zudem denkt der Brite darüber nach, erneut ein Double anzustreben. Diesmal das aus Tour de France und Giro d'Italia. Alle drei Grand Tours in einem Jahr zu gewinnen, hat übrigens noch niemand geschafft. Aber wer weiß, was dieser Chris Froome und sein dominierendes Sky-Team noch alles wagen.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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