Volleyball:Unrundes Bild

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Soll die neue „Kraft- und Energiequelle“ der kriselnden Berliner Volleyballer werden: der Russe Sergej Grankin. (Foto: Bernd König/imago)

Der deutsche Meister Berlin Volleys hofft auf die neue "Kraft- und Energiequelle" Sergej Grankin.

Von Sebastian Winter

Es war bezeichnend, dass jener Mann, der die Berlin Volleys aus dem Tal führen soll, am Mittwochabend nur zuschauen durfte. Sergej Grankin ist dieser Mann, russischer Zuspieler, dekoriert mit Gold bei den Olympischen Spielen 2012 in London und vielen weiteren Titeln. Der 34-Jährige, vergangene Woche in einer Nacht- und Nebelaktion verpflichtet, wird nun beim deutschen Meister als Retter stilisiert. Die 0:3-Pleite in der Champions League gegen Trefl Danzig am Mittwochabend aber erlebte Grankin mit 4138 Zuschauern in der Schmeling-Halle von der Tribüne aus - weil er im laufenden Wettbewerb schon für seinen Ex-Klub Dynamo Moskau gespielt hatte.

Die Berliner Volleyballer stecken im Grunde seit Saisonbeginn in einem für ihre Verhältnisse erstaunlichen Loch. In der Bundesliga sind sie nur Vierter im Zwölferfeld, Niederlagen wie das 0:3 gegen Frankfurt oder das 0:3 gegen die Alpenvolleys Haching vor Weihnachten haben sie seit Jahren nicht erlitten. Das 0:3 gegen Danzig besiegelt nun ihr Ende in der Champions-League-Gruppenphase. An die im Nanobereich liegende Chance, doch noch weiterzukommen, glaubt selbst beim Meister niemand mehr.

Ganz ähnlich geht es Friedrichshafen nach der knappen Niederlage gegen Chaumont, dafür stehen die VfB-Profis mit Trainer Vital Heynen in der Bundesliga auf Platz zwei hinter dem Überraschungs-Tabellenführer Alpenvolleys - und im deutschen Pokalfinale.

"Wir sind von Anfang an in einen Strudel hineingeraten und geben kein rundes Mannschaftsbild ab. Die Verunsicherung ist auf allen Ebenen zu spüren. Phasenweise sieht das so aus, als hätten die Leute Angst, den Ball zu berühren", sagt Berlins Manager Kaweh Niroomand. Sechs Verletzte beklagten die Volleys vor Saisonbeginn, und eine entsprechend unbefriedigende Vorbereitung. Aber die Gründe dafür, dass der Berliner Lokomotive nach ihrem Meistertitel mit Interimstrainer Stelian Moculescu die Kohlen fehlen, um der Konkurrenz aufs Neue davonzurauschen, liegen tiefer.

In Kapitän Robert Kromm und Hauptangreifer Paul Carroll, die ihr halbes Profileben in Berlin verbrachten, fehlen dem Klub seit dieser Saison zwei Führungsfiguren. "Das waren Korsettstangen, die auch psychologische Stabilität gegeben haben", sagt Niroomand, der beklagt: "Wir haben noch keine Struktur in der Hierarchie gefunden." Zugänge wie der Amerikaner Benjamin Patch oder der Franzose Samuele Tuia enttäuschten den Klubboss auch in dieser Hinsicht.

Berlins Trainer Cédric Enard pflegt zwar einen französischen Ansatz mit Fokus auf Block und Abwehr und viel Taktikschulung. Doch er konnte bislang weder die Annahme- noch die Führungsschwäche beseitigen. Deswegen haben die Berliner nun Grankin gekauft, als "Kraft- und Energiequelle", wie Niroomand sagt. Beim Sieg über Herrsching war Grankin am Samstag wertvollster Spieler Berlins.

© SZ vom 01.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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