Volleyball:Unfallchirurg aus Maspalomas

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Trainer Stelian Moculescu landete, knapp zwei Jahre nach seinem Abschied von der großen Bühne Friedrichshafens, in der Hauptstadt. Eigentlich war er schon im Ruhestand. Nun steht er mit Berlin gleich unter Druck.

Von Sebastian Winter, Berlin/München

Man kann sich das gut vorstellen, Stelian Moculescu, 67, im Rentnerparadies Gran Canaria, irgendwo in den Dünen von Maspalomas beim Nordic Walking, fernab des gerade so klirrenden deutschen Winters. Am Sonntag vor zwei Wochen war das, und dann klingelte mitten in den Dünen Moculescus Handy, das er dabei hatte, weil er mit ihm gerade Musik hörte, die Achtziger. Dran war einer, mit dem sich der große, alte Mann des deutschen Volleyballs in den vergangenen Jahrzehnten - sehr vorsichtig formuliert - nicht gerade blendend verstanden hat: Sein Antipode Kaweh Niroomand, mächtiger Manager der Berlin Volleys - und wie Moculescu Alphamann, Strippenzieher und seit 35 Jahren Aufbauhelfer in diesem Sport. "Ich habe ihn gebeten, den nächsten Flieger um 7.15 Uhr zu nehmen", sagt Niroomand, der Berlin in jüngerer Vergangenheit zum dominierenden Bundesliga-Klub geformt hat - noch vor Friedrichshafen.

Moculescu flog. Und landete, knapp zwei Jahre nach seinem Abschied von der großen Volleyballbühne Friedrichshafens, in der Hauptstadt. Das Gespräch habe wenige Minuten gedauert, sagen beide; das Finanzielle sei in 30 Sekunden geklärt worden. Dass der gebürtige Rumäne, der längst auch deutscher Staatsbürger ist, ausgerechnet Berlin trainiert, ist schon jetzt, vor den Ende März startenden Meisterschafts-Playoffs, die Nachricht des Jahres im deutschen Volleyball.

Moculescu ist nun Unfallchirurg statt Dünenwanderer, er hilft bis zum Saisonende aus, "in einer Notsituation", wie Niroomand sagt. Und Mosculescu hat nach drei Siegen in der Bundesliga nun schon sein erstes Endspiel: Am Mittwoch trifft Berlin im letzten Gruppenspiel der Champions League auf Jastrzebski Wegiel. Die Volleys müssen die Polen 3:0 oder 3:1 schlagen, um sicher weiterzukommen. Für den Trainer, der Friedrichshafen zu 13 Meistertiteln, 13 Pokalsiegen und 2007 mit dem bislang einzigen Champions-League-Sieg einer deutschen Volleyball-Mannschaft zum Triple geführt hat, ist das kein besonderer Thrill. Sie trauen ihm in Berlin diesen Sieg zu, die Meisterschaft sowieso, all das, was unter seinem Vorgänger Luke Reynolds am Horizont verschwunden war.

"Jetzt gehe ich wie neugeboren in diese Geschichte rein."

Den vergleichsweise unerfahrenen Australier hatte Berlin erst im Mai 2017 verpflichtet, der 32-Jährige gilt als guter Kommunikator, zum Problem wurde aber seine fehlende Autorität und Führungsstärke. Berlin schwächelte zu Saisonbeginn, scheiterte im Supercup an Friedrichshafen und später im Pokal-Viertelfinale fast schon sensationell an Herrsching. In der Liga lief es kaum besser. "Unser Zustand war so, dass homöopathische Dosen nicht mehr geholfen hätten. Ein Schulmediziner musste her, einer mit großer Führungsstärke", sagt Niroomand. Direkt nach dem 0:3 in Lüneburg zog er am 10. Februar die Reißleine. Und telefonierte mit Moculescu.

Dass die Berliner ihrem knorrigen, unbequemen, autoritären Gegenspieler vor zwei Jahren nach der Playoff-Finalserie (die Friedrichshafen verlor) einen rührenden Abschied in der Max-Schmeling-Halle bereiteten, samt Versöhnungshandschlag von Niroomand, mit dem er sich zuvor ständig verbale Scharmützel geliefert hatte, das hat Moculescu nicht vergessen. "Ein Kapitel war damit abgeschlossen. Und jetzt gehe ich wie neugeboren in diese Geschichte rein", sagt Moculescu, dessen Handschrift schon erkennbar ist.

Die Mannschaft, die völlig überrumpelt wurde von der Nachricht, wer ihr neuer Trainer wird, soll wieder aggressiver auftreten, mit mehr Risiko aufschlagen. Auch für Berlins Libero Luke Perry, den er schon in Friedrichshafen trainierte, oder Zuspieler Pierre Pujol hat Moculescu, der 1972 mit Rumänien Olympiafünfter in München wurde und sich direkt danach in den Westen absetzte, wertvolle Tipps. "Er gibt uns mit seiner Persönlichkeit Ruhe im Spiel, übt aber im Training mit seiner Art auch viel Druck aus", sagt Kapitän Robert Kromm, der Moculescu noch aus dem Nationalteam kennt. Zusammen sind sie 2008 in Peking Olympianeunter geworden, begleitet von Misstönen zwischen Team und Trainer. Ausgerechnet Kromm hat Moculescu zuletzt auf die Bank gesetzt. "Ich habe an ein paar Stellschrauben gedreht", sagt Moculescu. Konsequenzen nimmt er hin, er sagt über sich: "Es steht einer vorne, der nicht wackelt, wenn Gegenwind kommt."

Nach seinem Ende in Friedrichshafen war Moculescu ein Jahr lang Cheftrainer der österreichischen Volleyballer, Angebote aus Griechenland, Polen und der Türkei habe er ausgeschlagen. Nun wohnt er mit seiner Frau in Charlottenburg, nahe des Trainingszentrums. Ihre drei erwachsenen Kinder schauen ab und zu nach seinem Haus am Bodensee. Wie es nach dem Saisonende weitergeht? "Zweieinhalb Monate sind okay", sagt Moculescu, "aber ob das mal ein Jahr wird, weiß ich nicht." Dafür ist ihm der Berliner Winter vielleicht einfach zu kalt.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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