Volleyball:Überraschungsteam mit Wachstumsstopp

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„Das, was wir dieses Jahr sportlich erreichen, ist erst mal das Limit dessen, was wir erreichen können“: Straubings Trainer Benedikt Frank hofft, dass dieses Limit seiner Spielerinnen die Playoffs sind. (Foto: Tom Bloch/imago)

Straubings 1:3 gegen Vilsbiburg ist das Resultat eines veränderten Anspruchs.

Von Katrin Freiburghaus

Wäre das Leben ein Trickfilm, neben dem Volleyballfeld in der Halle von Vilsbiburgs Erstliga-Frauen würden seit vergangenem Samstag zwei sechs Meter lange Gräben verlaufen - auf jeder Netzseite einer. Dort lief Straubings Trainer Benedikt Frank während des Bundesliga-Derbys zwischen seinem Team und Tabellennachbar Rote Raben Vilsbiburg so ausdauernd auf und ab, dass er als Comicfigur locker hüfttief im Boden versunken wäre. Die Partie, in der NawaRo Straubing am Ende mit 1:3 unterlag, ist aber auch nichts für schwache Nerven gewesen.

Bei je einem souverän gewonnenen Satz für beide Teams und einer Vilsbiburger Gala im dritten, hatte Straubing im finalen vierten Satz zur zweiten technischen Auszeit 16:14 geführt. Frank hatte sein Team noch einmal angefeuert, "weil wir da das Gefühl hatten, wir gehen in den fünften Satz". Dann aber war Straubing vor allem an der Vilsbiburger Ausdauer in der Abwehr gescheitert, "zu ungeduldig", bilanziert Frank. Über die Zwischenstationen 17:19 und 20:24 gaben die Straubingerinnen Satz mit 21:25 ab, "und da war ich sehr sauer", sagt Frank. Der Grund dafür war weniger, dass Vilsbiburg das Derby mindestens im dritten Satz (25:9) dominiert hatte, als der Umstand, dass Frank diese Dominanz nicht in erster Linie auf sportliche Fähigkeiten zurückführte.

"Wir haben uns mental nicht so angestellt wie in allen Spielen zuvor", sagt Frank mit ein bisschen Abstand und Verständnis für sein junges Team. Vilsbiburg habe "die ganze Zeit über mutig" gespielt, "wir sind ein bisschen verzweifelt". Die Ursache dafür ist keinesfalls eine sportliche Krise, sondern das Gegenteil: Straubing bezahlte in Vilsbiburg den Preis für überraschend kontinuierliche Erfolge in einer Saison, in die das Team mit dem Anspruch gestartet war, nicht abzusteigen. In der Tabelle fehlt nur drei Spiele vor dem Ende der Hauptrunde nur noch ein Punkt, um im zweiten Jahr nach dem Wiederaufstieg in die Playoffs einzuziehen.

Zuletzt hatte Straubing fünf Spiele in Serie gewonnen und anschließend auch beim 0:3 in Stuttgart eine ordentlich Partie gespielt. "Wir sind in Vilsbiburg ein bisschen am gewachsenen Anspruch an uns selbst gescheitert", sagt Frank. Bisher sei sein Team mit dem Anspruch in Spiele gegangen, es könnte etwas zu holen sein. Weil gegen Vilsbiburg aus der Hinrunde schon ein 3:2 in der Bilanz stand, sei die Ausgangslage diesmal eine andere gewesen. "Es war nicht mehr das Gefühl, wir könnten gewinnen, sondern wir sollten", sagt der Trainer.

Der Druck komme keinesfalls von außen, betont er, "aber jeder Erfolg verändert die persönliche Situation". Und mit der Situation, nicht als Außenseiter in ein Spiel zu gehen, "haben wir als Verein einfach komplett keine Erfahrung". Dasselbe gelte für einige Spielerinnen im Kader, die entweder ihre erste Saison in Deutschland spielen oder sogar ganz neu im Profi-Betrieb sind. "Wir hatten diesmal selber das Gefühl, dass wir eigentlich gut genug sind, und damit sind wir ein bisschen auf die Schnauze gefallen", fasst Frank ein Problem zusammen, mit dem viele etablierte Mittelfeld-Klubs schon die komplette Saison über zu kämpfen haben.

Durch die extrem eng zusammengerückte Leistungsdichte im Großteil der Liga prallt eigenes Anspruchsdenken dort mitunter auf heftigen sportlichen Widerstand - auch Vilsbiburg brauchte lange, um sich mental mit Niederlagen gegen vermeintlich Schwächere zu arrangieren, steht nun aber auf Platz fünf und hat sogar wieder Chancen, bis zu den Playoffs noch auf Rang vier zu klettern.

Generell wünscht sich Frank für die verbleibenden Spiele, "dass wir alles wieder ein bisschen normaler sehen". Konkret bedeutet das, dass er sich für mögliche Playoffs alle Gegner außer Schwerin wünscht. Und zwar nicht, weil er sich Chancen aufs Halbfinale ausrechnet, sondern die Reise in den hohen Norden so weit und damit auch eine Frage des Budgets ist. Überhaupt rückte er finanzielle Aspekt zuletzt wieder stärker in den Fokus. Denn während in den ersten beiden Jahren Investitionen in die sportliche Entwicklung Vorrang hatten, um sich zu stabilisieren, müssten diese Pfeiler nun "betoniert" werden.

Genauer gesagt: Es braucht Geld für die Struktur. Die Geschäftsstelle soll aufgestockt werden, in absehbarer Zeit wird auch die Halle ein Thema werden, die Straubing als Aufsteiger bespielen darf, die aber nicht den regulären Statuten entspricht. Frank hofft, all das werde sich nicht nachteilig auf die sportliche Qualität auswirken. Er geht aber von einem Wachstumsstopp aus: "Das, was wir dieses Jahr sportlich erreichen, ist erst mal das Limit dessen, was wir erreichen können". Eher außer Reichweite ist der nächste Gegner Schwerin, gegen den die Straubingerinnen am Mittwoch so spielen können, wie sie es am liebsten haben: ohne Erwartungen.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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