Volleyball:Tiroler Rausch

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Die Alpenvolleys Haching besiegen Titelverteidiger Berlin im ersten Playoff-Halbfinalspiel 3:1 - allerdings erst nach einem dramatischen Duell.

Von Sebastian Winter, Innsbruck

Kaweh Niroomand ist als Mann bekannt, den so schnell kaum etwas aus der Ruhe bringen kann. Insofern war es bezeichnend, als der mächtige Manager der Berlin Volleys vor dem ersten Spiel der Playoff-Halbfinalserie doch recht angespannt vom Vip-Raum in die Innsbrucker Olympiahalle ging. "Mittel" sei sein Gefühl, Niroomand wendete seine flache Hand dazu ein paar Mal hin und her: "In dieser Saison kann jeder jeden schlagen." Die Berliner hatten das ja schon erlebt in dieser Saison, in ihrer anfänglichen Krise, und auch im Dezember, als sie mit einer demütigenden 0:3-Hinrundenpleite aus Tirol abreisen mussten.

Niroomands Gegenüber Hannes Kronthaler, der Manager der Alpenvolleys Haching, raste da noch durch die Halle und begrüßte jedes Ballkind, jeden Linienrichter und gefühlt jeden Zuschauer persönlich: Wie Niroomand hat Kronthaler eine gute Kinderstube durchlaufen. Und beide haben, betonen sie immer wieder, große Sympathien füreinander, weil sie die Volleyball-Bundesliga attraktiver machen wollen. Nur hatte Kronthaler das bessere Gefühl am Mittwochabend. "Gut", sagte der 53-Jährige bezüglich der Chancen seiner Mannschaft, er fühle sich befreit nach dem so knappen Viertelfinalerfolg gegen Außenseiter Herrsching. Sein Gefühl sollte den Bauunternehmer nicht trügen: Mit 3:1 Sätzen (28:26, 25:20, 23:25, 31:29) bezwangen die Alpenvolleys den deutschen Meister der letzten drei Jahre in einem dramatischen Spiel und gehen mit einer Führung ins zweite Duell am Samstag in Berlin.

Die Tiroler begannen so befreit, wie es der Hausherr Kronthaler vorlebte, gegen den nervösen Favoriten, der zwei der ersten drei Aufschläge nicht ins gegnerische Feld brachte. Vielleicht beeindruckte ihn auch die Kulisse auf den Rängen: 2001 Zuschauer waren offiziell gekommen, so viele wie noch nie bei einem Heimspiel der Alpenvolleys, seit sie 2017 von der österreichischen in die deutsche Liga umgezogen sind. Und nur 200 weniger als bei ihrem Rekord in der Champions League vor ein paar Jahren gegen den VfB Friedrichshafen.

Die Berliner schüttelten dann aber ihre Nervosität ab, es wurde ein enges Rennen, und als Alpenvolleys-Angreifer Kirill Klets direkt am Netz den Ball beim 15:15 völlig unnötig ins Aus drückte, verzog Kronthaler sein Gesicht. Der Hallensprecher sagte: "Boah, den wollte er in Dirk-Nowitzki-Manier machen, und jetzt bläst er wie Olli Kahn die Backen auf." Klets und die anderen blieben aber konzentriert, Berlin wankte beim 22:24, fiel aber noch nicht. Doch beim fünften Satzball (Berlin hatte gar keinen) war es soweit: Wieder war es Klets, sein Aufschlag war einfach zu schnell für die Berliner Annahme.

Niroomands Gefühl dürfte sich bis dahin nicht wirklich verbessert haben, und der zweite Satz bot ihm gar keinen Anlass mehr für Optimismus. 1:5 und 3:8 lagen die Berliner zurück, es klappte kaum etwas. Ihr Zuspieler Sergej Grankin, der Olympiasieger von 2012 und eine Art sportliche Lebensversicherung für Berlin, wurde immer grantiger auf dem Feld - während die Alpenvolleys glänzten. Beim 24:20 wuchtete ausgerechnet Grankin seinen Aufschlag ins Aus. Die Alpenvolleys hatten sich in einen Rausch gespielt. Allerdings blieb es nicht dabei, weil Berlin sich nicht noch einmal demütigen lassen wollte. Grankin und Co. kamen zurück - und blockten die Alpenvolleys entscheidend zum 25:23 in Satz drei. Es war nun ein völlig offenes Spektaktel, die Halle kochte vor Emotionen, der vierte Satz bot das große Drama - an dessen Ende die Alpenvolleys ihren zweiten Matchball zum 31:29 verwandelten.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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