Volleyball:Tag der Bank

Lesezeit: 2 min

18 Punkte, 70-Prozent-Quote im Angriff: Simon Hirsch vertrat Angreifer Georg Grozer in der deutschen Mannschaft mehr als würdig. (Foto: Conny Kurth/imago)

Ohne den verletzten Georg Grozer schlägt die DVV-Auswahl Österreich bei der Europa­meisterschaft - weil der Angreifer würdig vertreten wird.

Von Sebastian Winter, Antwerpen/München

Georg Grozer machte am Montag gar nicht erst den Versuch, die Österreicher noch ein wenig zu verwirren beim Einzug in Antwerpens Arena. Tarnen und täuschen, das gehört nicht unbedingt zu den taktischen Mitteln des für die deutschen Volleyballer so wichtigen Diagonalangreifers. Der 34-Jährige stieg am Montagabend also mit dick bandagiertem rechten Unterschenkel und angemessen ernster Miene aus dem Bus, in schwarzen Badeschlappen zudem, eine Wadenzerrung hatte seinen Einsatz im dritten Gruppenspiel bei der Europameisterschaft nach den Niederlagen gegen Serbien und Belgien zunichte gemacht. Sein Kapitän und Zuspieler Lukas Kampa - ebenfalls eine Schlüsselfigur im Team - war mit Magenbeschwerden im Hotel geblieben. Das waren die nicht wirklich glücklichen Voraussetzungen vor dem so wichtigen Nachbarschaftsduell.

70 Minuten nach dem Anpfiff hatte die DVV-Auswahl ihr erstes Spiel bei dieser EM gewonnen - und eine wichtige Erkenntnis dazu: Zumindest gegen schwächere Gegner geht es auch ohne die Achse Grozer/Kampa, die zuvor noch als fast unersetzlich galt. Grozer ließ sich zwar als zweiter Libero in die Aufstellung schreiben, das aber nur deshalb, um auf der Bank in die Rolle des emotionalen Antreibers und Mentors schlüpfen zu können. Die nach dem Fehlstart ins Turnier psychologisch knifflige Aufgabe gegen Österreich löste dann die zweite Reihe. Jan Zimmermann ersetzte Zuspieler Kampa ebenso überzeugend wie Simon Hirsch den Angreifer Grozer. Hirschs 18 Punkte und die 70-Prozent-Quote im Angriff waren der Bestwert auf dem Feld. Selbst für Grozer in starker Form - in der er nach diversen Verletzungen nicht ist - wären diese Zahlen ungewöhnlich gut.

Der Pflichtsieg gegen Österreich dürfte der Mannschaft auch deshalb einen Schub geben, weil sie sich auf ihre Bank verlassen kann. Sie muss das auch, im vorletzten Gruppenspiel gegen die Slowakei am Mittwoch (17.30 Uhr) fällt Grozer ebenfalls aus, wie Bundestrainer Andrea Giani bestätigte, der Angreifer selbst hatte die Hoffnungen bereits nach dem Spiel gegen Österreich gedämpft: "Es sieht nicht so ganz schlimm aus, aber es ist auch nicht gut." Man müsse "von Tag zu Tag" schauen. Immerhin trainierte Kampa am spielfreien Dienstag wieder mit der Mannschaft. Wie auch Mittelblocker Anton Brehme, der sich im zweiten Satz gegen Österreich am Knöchel verletzte und ausfiel, aber keine schwerwiegendere Blessur erlitt.

Die Partie in Antwerpens Arena sahen gerade einmal 200 Fans

Die kurze Spielpause kommt der DVV-Auswahl wegen dieser Personalnöte sehr gelegen. Gegen die Slowakei und am Donnerstag gegen den letzten Gruppengegner Spanien ( 17.30 Uhr) plant sie, Platz vier abzusichern, oder besser noch, auf Rang drei vorzudringen. In beiden Fällen wären die Deutschen für das Achtelfinale qualifiziert. Und Georg Grozer hätte noch etwas mehr Zeit, seine Wade heilen zu lassen.

Bis dahin bleibt ihm die Zuschauer- und Mentorenrolle auf der Bank. Aber ein paar mehr Zuschauer kann das Mammutturnier ohnehin gebrauchen, wenn nicht gerade einer der vier Ausrichter Frankreich, Belgien, Niederlande und Slowenien spielt. Die Partie Deutschlands gegen Österreich sahen in Antwerpens Arena gerade einmal 200 Fans.

© SZ vom 18.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: