Volleyball:Noch einmal nach Innsbruck

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Wohlfühlen auf ungewohnt öffentlichem Terrain: In einem dramatischen Viertelfinal-Spiel bezwingt Außenseiter TSV Herrsching die Alpenvolleys nach zweieinhalb Stunden - live im Fernsehen.

Von Sebastian Winter

Herrschings König gab sich volksnah. Vor dem zweiten Playoff-Viertelfinalspiel am Donnerstag gegen die Alpenvolleys reihte er sich in der Unterhachinger Halle samt Krone und Robe höflich in die Schlange ein, um sich etwas zu speisen zu besorgen. Später redete der Stimmungsmacher des Volleyball-Bundesligisten gar mit einer jungen Mutter samt Kind, um sich danach auf der Empore samt Megafon in die erste Reihe zu stellen. Alexander Tropschug, wie der Fan-König im wirklichen Leben heißt, wirkte siegesgewiss, wie die anderen Unterstützer des Klubs vom Ammersee. Wie beispielsweise Nicholas West, der ein paar Meter hinter dem König saß, mit bunter Basecap und dick bandagiertem linken Fuß.

West war ja beim 0:3 im ersten Spiel in Innsbruck böse umgeknickt am Ende des ersten Satzes, seine Verletzung war ein Schlüsselmoment des Spiels gewesen, das danach deutlich in Richtung der Alpenvolleys kippte. Viele dachten, dass es das nun war mit Herrschings Saison (zumal auch noch Außenangreifer Humberto Machacon erneut verletzt passen musste), dass sie auch im zweiten Spiel der kurzen Best-of-three-Serie als klarer Verlierer gegen den Favoriten vom Feld gehen würden. So kam es aber nicht. Ganz und gar nicht. Der König war fassungslos vor Freude, nachdem er ein hochklassiges, dramatisches Spiel gesehen hatte. Erst nach zweieinhalb Stunden war es zu Ende, und die Außenseiter aus Herrsching hatten es tatsächlich 3:2 (28:26, 20:25, 25:16, 28:30, 15:13) gewonnen. "Es gibt nur ein Wort: geil!", sagte ihr Teammanager Fritz Frömming direkt im Anschluss. Der Showdown folgt nun bereits an diesem Samstag (18 Uhr) im dritten und entscheidenden Spiel in Innsbruck .

Auf dem ungewohnt öffentlichen Terrain fühlt sich der TSV wohl

Skurril war ja allein schon, dass die Herrschinger wegen ihrer zu kleinen eigenen Halle für ihr Playoff-"Heimspiel" mal wieder umziehen mussten, wie jedes Jahr. Es traf sich daher ganz glänzend, dass sie auf die Alpenvolleys trafen, jene Tiroler, die die Hälfte ihrer Spiele in ihrem lizenzgebenden Zweitwohnsitz Unterhaching austragen. Für beide Klubs war das eine klassische Win-win-Situation, samt zumindest gefühlter Derbyatmosphäre. Etwas mehr als die anwesenden 1000 Zuschauer hatten sich die Protagonisten vermutlich dennoch versprochen, aber zugleich waren sie ja auch im Live-Fernsehen zu sehen, die Herrschinger zum ersten Mal überhaupt.

Und sie fühlten sich auf dem ungewohnt öffentlichen Terrain gleich sehr wohl. Ihr Trainer Max Hauser hatte sich in Schale geworfen, im weißen Hemd zu Jeans und schicken schwarzen Schuhen sah er an der Seitenlinie, wie sein Außenangreifer Griffin Shields den allerersten Ball gleich mal in den Alpenvolleys-Block wuchtete. Doch danach gefielen ihm seine Spieler auf Augenhöhe mit den Alpenvolleys, die in dieser Saison in Liga und Pokal bislang kein einziges Spiel in Unterhaching verloren hatten. 10:10, 17:17, keiner der Gegner verschaffte sich einen Vorteil - bis den Herrschingern beim 23:22 dank eines brachialen Blocks ein Break gelang. Die zwei Satzbälle nutzten sie ihrerseits nicht, es ging also in die Verlängerung. Und dort drückte Herrschings überragender Zuspieler Johannes Tille den entscheidenden Ball im Netzduell mit dem 20 Zentimeter größeren Alpenvolleys-Kapitän Douglas Duarte da Silva zum 28:26 auf den gegnerischen Boden.

Danach fanden die Innsbrucker langsam ihren Rhythmus, während Hausers Spieler in ihre Ehrfurcht vom ersten Duell zurückfielen. Die Folge war eine 4:0-Führung für das Team von Trainer Stefan Chrtiansky, die es bis zum 25:20 souverän verwaltete. Doch die folgende, wegen der TV-Übertragung auf sechs statt der üblichen zehn Minuten verkürzte Pause, bekam den Alpenvolleys gar nicht gut. Sie wurden nun fast gedemütigt von den furios aufspielenden Herrschingern, die mit ihren cleveren Aufschlägen den immer unsicherer werdenden Brasilianer Hugo da Silva beschäftigten. Auch im Angriff spielten sie smart, anders als noch in Innsbruck. Das 16:25, bezeichnenderweise besiegelt durch einen Aufschlagfehler von Diagonalspieler Kirill Klets, war einer der höchsten Satzverluste der Alpenvolleys in dieser Saison.

Der vierte und fünfte Satz kulminierte in einem Volleyballkrimi. Im vierten Satz vergab Herrsching drei Matchbälle - bevor ihr starker Außenangreifer Tim Peter den Ball ins Aus setzte. Peter war es auch, der im Tiebreak beim 2:2 mit einer Knieblessur vom Feld musste. Der dritte Verletzte schien nun einer zu viel zu sein. Schien. Denn die inzwischen fast entrückten Herrschinger hatten beim 14:11 weitere drei Matchbälle - und verwandelten den dritten unter dem Jubel des Königs zum Auswärts-Heimerfolg.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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