Volleyball:Marty McFly ist wütend

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Großsponsor Hannes Kronthaler hat vor zwei Jahren Unterhaching übernommen, um Meister zu werden. Doch nun droht das Aus gegen Herrsching.

Von Sebastian Winter

Man möchte sich das gar nicht so genau vorstellen, wie Hannes Kronthaler, der mächtige Volleyball-Manager, am späten Donnerstagabend nach Innsbruck zurückfuhr. Ach was, er fuhr vermutlich gar nicht, er flog in seinem 400 PS starken Maserati Quattroporte - Wunsch-Kennzeichen I-HKRON 1 - von Unterhaching wieder nach Tirol. 90 Kilometer Luftlinie, über Straßen hinweg, Bäume oder den kurz vor der Tiroler Hauptstadt im Weg stehenden Zirler Berg mit seinen 16 Prozent Gefälle. Wie damals der smarte Marty McFly in seinem DeLorean in der Zurück-in-die Zukunft-Trilogie.

Der Boss der Alpenvolleys Haching hatte am Donnerstagabend seine smarte und joviale Art kurzzeitig verloren, er hatte einfach einen riesigen Hals, der es ihm sogar verwehrte, im Vip-Raum ein paar Happen zu essen nach der dramatischen 2:3 (26:28, 25:20, 16:25, 30:28, 13:15)-Niederlage gegen den Außenseiter Herrsching. Kronthaler, der Baulöwe, General Manager und Großsponsor der Alpenvolleys, quarzte draußen vor der Tür eine Beruhigungszigarette nach der anderen und übte lieber Generalkritik: Als "Frechheit" bezeichnete er die Leistung seiner Mannschaft, als "Trainingsweltmeister" seine Spieler ( nebenstehendes Interview)

. Das zweite Playoff-Viertelfinale hatte alle Zutaten für einen Volleyball-Krimi gehabt, gelbe und rote Karten, spektakuläre Abwehraktionen von Herrschings Libero Ferdinand Tille, vier Asse seines Bruders und Zuspielers Johannes, die ihren als König verkleideten Stimmungsmacher auf der Tribüne verzückten. Die Herrschinger sind seit ihrem Aufstieg 2014 ohnehin einer der unterhaltsamsten Klubs der Bundesliga, wenn auch mit überschaubarem sportlichen Erfolg. Dafür lieferten die keineswegs schlechten Alpenvolleys, die kommende Saison deutscher Meister werden wollen, diesmal das große Drama. Passend zum TV-Spiel auf Sport 1 übrigens, dem allerersten für Herrsching, dessen Trainer Max Hauser auch deshalb seine graue Jogginghose und das "Geilster-Klub-der-Welt"-Shirt in Jeans und ein weißes Hemd eingetauscht hatte. Nach Senderangaben schauten in der Spitze 220 000 Zuschauer zu; blöd nur, dass Volleyball nach dem vierten Satz Darts weichen musste und die entscheidenden Minuten nur noch im Internet-Livestream zu sehen waren.

Im Mittelpunkt des Dramas stand der Alpenvolleys-Hauptangreifer Hugo da Silva, der sowieso immer irgendwo zwischen Himmel und Hölle spielt. Ihm entglitt im Laufe des Spiels immer öfter die Annahme und auch der Angriff. Und ihr Aufschlag, ansonsten eine ihrer gefährlichsten Waffen, verpuffte allzu oft im Netz oder Aus. Und die Herrschinger? Selbst als sie im vierten Satz drei Matchbälle vergaben und im fünften Satz ihren so wichtigen Außenangreifer Tim Peter nach einem Zusammenprall am Netz mit einer Knieblessur verloren, machten sie einfach weiter, als wäre es das Spiel ihres Lebens: "Das war ein kleiner Meilenstein, eines unserer besten Spiele überhaupt", sagte ihr Marketingmanager André Bugl.

Es ist nun das passiert, womit die Alpenvolleys nach nur drei Niederlagen in der gesamten Hauptrunde und dem klaren 3:0 gegen Herrsching im ersten von maximal drei Viertelfinalspielen niemals gerechnet hatten: Dass sie an diesem Samstag (18 Uhr) ein "Tod-oder-Gladiolen"-Duell vor sich haben - und das quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Weder wird die Partie im Fernsehen übertragen, noch erwarten die Verantwortlichen viele Zuschauer. Sie hatten längst das mögliche erste Halbfinal-Spiel gegen Berlin am kommenden Mittwoch beworben, samt bereits gedruckter Flyer und Plakate. Nun liegt es erst einmal auf Eis, weil auch die Berliner gegen Düren nachsitzen müssen. Die Alpenvolleys müssen nun in Windeseile ihre Olympiahalle in einer Nachtschicht herrichten - weil am Freitag dort noch Studenten über ihren Uniklausuren brüteten. Die Zuschauerebene B schließen sie ganz, mehr als 600 und 700 Besucher erwarten sie nicht. Und das bei einem Entscheidungsspiel ums Halbfinale, das halt völlig unter ihrem Erwartungshorizont war.

Man darf dieses Gebaren ruhig ein wenig überheblich nennen, aber die Ansprüche Kronthalers sind eben auch riesig. Der Mann ist ja Österreichs Rekordnationalspieler gewesen, vor zwei Jahren ist er mit dem Rekordmeister und Champions-League-Teilnehmer Innsbruck aus Langeweile per Wildcard in die deutsche Liga gezogen. Sein Drei-Jahres-Plan soll mit Titeln und der Champions-League-Qualifikation enden, danach sieht man weiter. Doch nach wie vor holpert das Projekt, bislang nicht sportlich, aber beim Drumherum. Die Sponsoren kommen fast alle aus Tirol, die Zuschauer haben auch deshalb noch nicht recht angebissen, weil die Alpenvolleys zwischen der Olympiahalle in ihrem Hauptsitz Innsbruck und ihrer Zweigstelle Unterhaching, wo ihr Lizenzgeber TSV Unterhaching sitzt, pendeln. Weder da noch dort entfachten sie bislang - trotz ihres erstaunlichen sportlichen Erfolgs - überschäumende Euphorie.

Und jetzt schicken sich da auch noch ein paar gallierartige Herrschinger an, sie aus der Meisterschaft zu werfen. "Wir haben auch in Innsbruck nichts zu verlieren", sagt Bugl. Die Alpenvolleys hingegen müssen nicht nur den Zorn ihres Managers fürchten.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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