Volleyball:Mächtiger Föhnsturm

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Mittels einer Wildcard und einer skurrilen Kooperation tritt ein Team aus Innsbruck in der Volleyball-Bundesliga an. Die Konkurrenten finden das gut.

Von Sebastian Winter, Innsbruck/Unterhaching

Willi Wiesel also, so heißt das Maskottchen. Flink, das darf man voraussetzen, wird es am Sonntag mit den Hypo Tirol Alpenvolleys Haching nach Friedrichshafen reisen, zum aktuellen Supercupsieger, letztjährigen Pokalgewinner und Meisterschaftszweiten. Der Saisonauftakt in der Volleyball-Bundesliga ist zugleich der Startschuss für ein so einzigartiges wie skurriles Projekt. Denn die Alpenvolleys gibt es erst seit fünf Monaten, sie wurden gegründet mittels einer Wildcard, die die Volleyball-Bundesliga (VBL) bereits im Herbst des vergangenen Jahres ausgeschrieben hatte - jeder Klub mit ein paar Hunderttausend Euro und einer gescheiten Spielhalle in der Hinterhand konnte sich bewerben. So wollte die schon leicht verzweifelte Liga verhindern, dass ihr Premiumprodukt bald aus weniger als zehn Vereinen besteht.

Magister Kronthaler sagt: "Der Tiroler Markt ist erschöpft" - in jeder Hinsicht

Gemeldet hat sich dann ein Bauunternehmer, der mit seiner Firma Gewerbehallen aus Beton fertigt: Magister Hannes Kronthaler, eine mächtige Figur im alpenländischen Volleyball. Der 52-Jährige ist Österreichs Rekord-Nationalspieler und langjähriger Manager des Volleyballteams Innsbruck, das dort in seiner eigenen Sphäre spielte. Seit vier Jahren ist Innsbruck in der österreichischen Profiliga unbesiegt, manche Spiele dauern Kronthaler zufolge gerade einmal 45 Minuten, was auch das Publikum langweilt. "Sie haben sich zu Tode gesiegt", sagt Kaweh Niroomand, Manager des deutschen Meisters Berlin. Einzig in der Champions League hatte Innsbruck Konkurrenz - und scheiterte dort oft auch deshalb früh, weil es im eigenen Land kaum gefordert wurde. Kronthaler, der den 1,1-Millionen-Euro-Etat seines Klubs großzügig über seine Firma alimentiert, findet deshalb, und zwar in jeglicher Hinsicht: "Der Tiroler Markt ist erschöpft, da bringt es mir nichts, noch fünfmal österreichischer Meister zu werden."

Deshalb siedelt Kronthaler nun per Wildcard in die Bundesliga über. Und zwar mit einer abenteuerlichen, grenzüberschreitenden Vereins-Kooperation mit dem TSV Unterhaching. Da die VBL keine ausländischen Klubs in der Liga erlaubt, beantragte der traditionsreiche, aber seit 2014 mangels Hauptsponsor in der Versenkung verschwundene viermalige Pokalsieger per Wildcard die Erstliga-Lizenz. Der TSV ist gerade in die zweite Liga aufgestiegen und träumt wieder vom Spitzenvolleyball. Der einstige Erfolgstrainer Mihai Paduretu zieht weiterhin als Geschäftsführer die Fäden, sein Sohn und andere Talente sollen bald den Sprung aus der zweiten Liga zu den Alpenvolleys schaffen. Kronthaler und Paduretu wollen den Standort Unterhaching beleben, die Jugend stärken, Sponsoren sammeln, München zum neuen Player neben Berlin und Friedrichshafen machen. Am liebsten würden sie bald deutscher Meister werden und mit den Alpenvolleys in der Champions League spielen. Kronthaler will zugleich den Standort Innsbruck halten trotz seines Auszugs aus Österreich. Ob das funktioniert, eine Mannschaft mit zwei Standorten, die 160 Kilometer voneinander entfernt sind? Zumal der Lokalrivale Herrsching nicht weit entfernt von Unterhaching residiert?

Nun: Die Musik spielt ohnehin erst einmal vornehmlich in Innsbruck. Denn Unterhaching ist mit seiner GmbH zwar Lizenznehmer, wirkt aber momentan noch wie Kronthalers Außenbüro und Steigbügelhalter für seine Träume. Die durchaus vielversprechende Mannschaft wohnt und trainiert in Innsbruck, die Spieler kommen aus sieben Nationen, darunter sind allein vier Brasilianer; sechs Profis sind aus dem alten Innsbrucker Team übrig. Die anderen haben Paduretu, der auch Sportdirektor der Alpenvolleys ist, und Trainer Stefan Chrtiansky besorgt. Der Sohn von Chrtiansky spielt im Team, der Sohn von Kronthaler, der Sohn von Paduretu vielleicht bald. Aktuell sind zugleich nur zwei Hachinger im Kader - davon ein deutsches Talent. Die meisten Profis waren im Mai halt schon anderweitig vergeben.

Sieben Heimspiele werden in Innsbruck ausgetragen, von Januar an sogar ausschließlich in der dortigen Olympiahalle. Drei Ligapartien und der Pokal sind in Unterhaching, darunter auch das bayerische Derby im Pokal-Achtelfinale gegen Herrsching. In der kommenden Saison soll die Aufteilung nach VBL-Vorgaben 50:50 sein, im dritten Jahr der Schwerpunkt in Unterhaching liegen. Die Fans haben sich auch schon verbrüdert, es gab einen Kennenlerntag in Unterhaching. Und selbstverständlich gibt es neben dem Maskottchen noch ein gemeinsames Vereinslied.

Klingt lustig, ist aber ein mächtiger Föhnsturm, der da aus Innsbruck hereinweht in die deutsche Liga, die allzu sehr von ihrem gealterten Duell Berlin gegen Friedrichshafen lebt. Und die nun vielleicht wieder spannender wird. Die meisten Erstligisten finden das Projekt jedenfalls gut, Berlins Manager Niroomand, der ohnehin am liebsten in Österreich urlaubt, sagt, "es ist eine qualitative Bereicherung für unsere Liga. Wichtig ist nur, dass Unterhaching diese Chance richtig nutzt".

Die VBL hat gerade neue Wildcards ausgeschrieben, was man nicht falsch verstehen sollte. "Sie sind kein Allheilmittel", sagt VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung. Aber allemal besser, als auszubluten mangels Zweitligisten, die aus finanziellen Gründen den Aufstieg scheuen, und wiederkehrenden Insolvenzen von Erstligisten. Das Projekt Alpenvolleys könnte sich gar zum Motor entwickeln - nachdem die Liga am Anfang überrumpelt worden war von Kronthaler. Denn eine rechtliche Grundlage gegen ausländische Investoren gibt es in den Statuten bislang nicht; da soll nachjustiert werden. Andererseits: "Ein Scheich wie bei 1860 München hat sich noch nicht für eine Investition bei unseren Klubs interessiert", sagt VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung. Mit einem Baulöwen und einem Wiesel aus Österreich kann er bestimmt besser leben.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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