Volleyball:Der Zeppelin fliegt

Lesezeit: 3 min

"A bisserl schlecht": Alpenvolleys-Mittelblocker Pedro Frances (rechts) kann wegen einer Oberschenkel-Verletzung gegen Friedrichshafen nur zuschauen - für ihn ist die Saison beendet. (Foto: Andreas Pranter/imago)

Bei der Heimpremiere in Innsbruck setzten sich die Alpenvolleys gegen den Liga-Konkurrent aus Bühl durch. Der Start des länderübergreifenden Experiments ist geglückt.

Von Sebastian Winter, Innsbruck

Die Alpenvolleys durften sich nicht über fehlende Aufmerksamkeit beklagen am Samstagabend, zumindest in medialer Hinsicht. ARD und ZDF waren angereist, die Neugierde war groß beim nördlichen Nachbarn, wie denn das erste Heimspiel des neuen Bundesligisten so werden würde in Innsbrucks Universitäts-Sporthalle gegen die Bisons aus Bühl. Skurriles zieht ja immer, und die Alpenvolleys sind gerade das ungewöhnlichste Projekt der Bundesliga. Eine länderübergreifende Kooperation von Innsbruck und Unterhaching, die per Wildcard in der höchsten deutsche Liga spielt. Mit einem Traditionsklub vom Münchner Südrand, der vor vier Jahren mangels Sponsors von der Bildfläche verschwunden war und nun zurück an die Spitze strebt. Und mit dem österreichischen Topverein, der seit vier Jahren kein Spiel mehr in der heimischen Liga verloren hat und abtrünnig wurde, weil er in einer stärkeren Liga spielen will. Innsbruck stellt den Etat, die halbe Mannschaft (die andere Hälfte wurde gekauft), fast alles ist in Tirol verortet. In Unterhaching, das nur den zweiten Zuspieler und einen Perspektivspieler im Kader hat, finden gerade mal drei Ligapartien statt. Und Pokalspiele.

Aufspieler statt Zuspieler - auch linguistisch sind die Tiroler eine Bereicherung für die Liga

Kann das gehen, über Ländergrenzen und 150 Kilometer Entfernung hinweg?

Kurzum: Es kann, wie die sportlich für die Alpenvolleys erfolgreiche Heim-Premiere zeigte. Mit 3:1 (25:19, 25:13, 23:25, 25:18) gewannen sie das Spiel gegen Bühl, das seit Jahren zum guten Mittelfeld der Liga gehört. Teilweise spielte der Neuling die Bisons an die Wand. "Wir haben gut blockiert, unser Aufspieler war stark. So können wir unser Ziel, Platz fünf, erreichen", sagte Hannes Kronthaler, Bauunternehmer, General Manager, Sponsor und überhaupt der große Strippenzieher bei den Alpenvolleys. Aufspieler ist übrigens ein sehr schönes Wort für Zuspieler, allein mit diesem Begriff bereichern die Tiroler die Liga.

Der 52-jährige Kronthaler trug ein blaues Sakko zur Jeans, fast jeden Zuschauer begrüßte er persönlich. Es waren ja auch nicht so viele, 700, die Halle war nur halb voll, samt ein paar Dutzend Fans aus Unterhaching, die mit Trommeln, Rätschen und riesigen Plastikhämmern angereist waren. Immerhin war die Halle voller als früher, als Innsbruck noch gegen Teams wie Waldviertel in der österreichischen Liga spielte. "Am Anfang war ich ein bisschen enttäuscht, so wenige Zuschauer", sagte Kronthaler: "Aber dann hat es doch ganz gut ausgeschaut. Wir sind in der Liga angekommen, darauf kann man aufbauen. Und mit jedem Spiel spricht sich das mehr herum."

Der Boden ist bereitet, im Wortsinne, denn vom 1,1 Millionen Euro umfassenden Etat ging ein Viertel in die Infrastruktur. Aber die auf drei Jahre angelegte Kooperation muss wachsen. Wie der Zeppelin, der in den Pausen durch die Halle flog. Der aber eine Miniaturausgabe jenes Zeppelins ist, der beim vielfachen deutschen Meister und Pokalsieger Friedrichshafen herum surrt. Friedrichshafen oder Berlin sind nicht der Maßstab für die Alpenvolleys, noch nicht. Aber schon in dieser Saison will Mäzen Kronthaler sich fürs internationale Geschäft qualifizieren, im zweiten Jahr das Halbfinale erreichen und danach um den DM-Titel spielen. Ab Januar ziehen die Alpenvolleys von ihrer eher spröden Heimstätte am Flughafen in die Innsbrucker Olympiahalle. 2000 Zuschauer plus Ziffer x sollen dann dorthin kommen.

Bis dahin müssen jene Geburtsfehler beseitigt werden, die auch den Liga-Verantwortlichen am Samstagabend nicht entgangen sind. "Die Lichtqualität war noch nicht ausreichend, eine LED-Bande ist zwischendurch ausgefallen, die Akustik war nicht gut genug: Wenn wir eine Live-Übertragung dieses Spiels bei Sport 1 gehabt hätten, wäre das schwierig gewesen", sagt deren Geschäftsführer Klaus-Peter Jung, der für den Anfang mit Infrastruktur, Organisation, Zuschauerinteresse und Stimmung zufrieden war. "Die großen Dinge sind da, an den kleinen kann man arbeiten."

Die Liga ist bescheidener geworden, sie sieht, dass viele Vereine das Professionalisierungstempo nicht mitgehen können, Zweitligisten gar nicht mehr aufsteigen wollen. Andererseits möchte sie die Begeisterung nutzen, welche die Welterfolge im Beachvolleyball und der zweite EM-Platz der deutschen Volleyballer gebracht haben. Die Frauen-Bundesliga wird nun live im Free-TV übertragen, und nicht mehr nur auf Internet-Livestreams. Insofern ist dieses ungewöhnliche Alpenprojekt auch ein Segen für die Liga. Zugleich begleitet sie es kritisch, auch um glaubwürdig zu bleiben: "Wenn man sieht, dass es sich in die falsche Richtung entwickelt, müssen wir ihm eben den Stecker ziehen", sagt Jung. Nach der dreijährigen Probezeit. Eine falsche Richtung wären schwindendes Zuschauerinteresse oder eine Verfehlung des Plans, im dritten Jahr einen Großteil der Spiele in Unterhaching auszutragen.

Das ist aber ja die nächste Frage: Wie werden die Alpenvolleys in Unterhaching angenommen in drei Wochen beim ersten Heimspiel gegen Herrsching? Auch dort muss Spitzen-Volleyball erst wieder implementiert werden. Kronthaler wird alles dafür in Bewegung setzen. Er kann und will ja nicht zurück in die österreichische Liga. Dort hat man ohnehin zwar das alles niedertrampelnde Zugpferd verloren, vermisst es aber nicht wirklich. Denn der Wettbewerb ist plötzlich spannend, ohne den alles überstrahlenden Klub.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: