Vielseitigkeitsreiten:Zu viele Stangen fallen

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Julia Krajewski ist deutsche Meisterin im Vielseitigkeitsreiten. (Foto: Stefan Lafrentz/Stefan Lafrentz/Imago)

Hufprobleme, Müdigkeit und zu wenige Spitzenpferde: Die jungen deutschen Vielseitigkeitsreiter zeigen zwar Talent, brauchen aber auch noch Zeit, um sich zu entwickeln.

Von Gabriele Pochhammer

Es war eine gute Gelegenheit. In Abwesenheit der Topreiter Michael Jung und Sandra Auffahrt nutzten mehrere junge Reiter die Chance ins Blickfeld von Bundestrainer Peter Thomsen zu kommen. Deutsche Meisterin der Vielseitigkeitsreiter wurde zum dritten Mal Julia Krajewski auf Ero de Cantraie vor Christoph Wahler auf D'Accord. Krajewski ritt ihr zweites Pferd Nickel noch auf Platz drei, aber nur das bessere ging in die Wertung. Bronze ging also nach fehlerfreiem Springparcours an ihre Schülerin Anna Lena Schaaf, 22, auf Fairytale.

Schon nach dem Gelände zeichnete sich ab, dass dieses Vielseitigkeitsturnier in Luhmühlen ein Krajewski-Festival würde, gleichermaßen für die Reiterin wie die Trainerin. Sie sei ziemlich streng, aber genau das fände er gut, sagte Calvin Böckmann, nach dem Gelände noch Dritter. "Sie versucht, an jeder kleinen Schraube weiter zu drehen. Sonst würde sie hier nicht als Olympiasiegerin sitzen." Krajewski, 35, musste ein bisschen schlucken bei so viel Lob. Sie selbst ritt mit Nickel und Ero de Cantraie die jüngsten Pferde des Feldes, zu jung für die EM in diesem Jahr, aber wohl erwachsen genug für Olympia 2024.

Ihr Schüler Böckmann auf Phantom of the Opera fiel nach zwei Abwürfen aus den Medaillenrängen auf Platz fünf zurück. Der 22-Jährige gilt als eine Art Wunderkind im Sattel, dessen Hochbegabung seine Eltern, beide Reiter, früh förderten. Calvins Mutter war unter ihrem Mädchennamen Simone Richter 1988 als erste Frau Deutsche Meisterin. Er selbst hat als Nachwuchsreiter kaum eine Medaille ausgelassen, jetzt stieg der BWL-Student überzeugend bei den Senioren ein.

Die lange Fünfsterne-Prüfung beherrschten die britischen Gäste, es siegte Team-Olympiasiegerin Laura Collett auf London vor Kitty King auf Vendredi Blats und Weltmeisterin Yasmin Ingham auf Rehy DJ. Aber auch hier gaben zwei weitere Krajewski-Schüler, der 25-jährige Sportsoldat Jerome Robiné auf Black Ice und die 24-jährige Emma Brüssau auf Dark Desire, im Gelände ein starkes Bild ab. Mit beiden ist Krajewski die Strecke abgegangen, was nicht selbstverständlich ist. "Als ich Emma durchs Ziel galoppieren sah, die ich schon als Ponyreiterin betreut habe, da kamen mir fast die Tränen" sagt Krajewski: "Dafür bin ich gerne mit ihr vier Stunden durchs Gelände gelaufen." Durch zwei Abwürfe im Springparcours blieb nur Platz 21 übrig, auch Robinés irischer Wallach Black Ice wirkte im Springen müde, fiel nach zwei Abwürfen auf Platz zehn zurück.

Ingrid Klimke stürzt, ihre Teilnahme in Aachen steht in Frage

Bundestrainer Peter Thomsen ist über jedes junge Talent froh, das den Weg nach oben findet. "Wir haben 20 Pferde, die für Championate qualifiziert sind", sagt er, "bei den Briten sind es 60, damit müssen wir zurechtkommen." Viele Reiter haben nur ein Pferd, wie Dreifach-Olympiasieger Michael Jung oder die Weltmeisterin von 2014 Sandra Auffahrt, die erst wieder beim CHIO in Aachen in zwei Wochen antreten werden. Auch Krajewskis Olympiastute Armande de B'Neville fehlte in Luhmühlen, sie laboriert noch an einem Hufproblem und pausiert diese Saison. Welche sechs Reiter, vier im Team, zwei als Einzelstarter, schließlich in die Normandie reisen werden, entscheidet sich nach der letzten Sichtung in Jardy (Frankreich) Mitte Juli.

Die allgemeine Bilanz von Luhmühlen kann sich sehen lassen. Kein Pferd stürzte, die meisten Fehlerpunkte kamen durch Vorbeiwischen an schmalen Hindernissen zustande. Allerdings wurden zwei Reiterinnen, nachdem sie vom Pferd gefallen waren, im Krankenhaus durchgecheckt, wurden aber am selben Abend nach Hause geschickt. Eine von ihnen war Ingrid Klimke, Mannschaftsolympiasiegerin von 2008 und 2012. Als ihre Stute Siena an einer Buschhecke vorbeilaufen wollte, konnte sie sich nicht im Sattel halten, stürzte und brach sich das Schlüsselbein. Sie wurde noch am Wochenende in Warendorf operiert und danach nach Hause entlassen; ihre Teilnahme bei der Dressur in zwei Wochen in Aachen ist fraglich.

Dennoch, die Strecke war fair, Galoppiervermögen, Cleverness am Sprung und das Zusammenspiel von Reiter und Pferd waren gefragt, aber nicht so fordernd wie die Fünfsterne-Prüfung kürzlich in Badminton. Dort scheiterte mehr als die Hälfte der Starter, was Tierschützer kritisieren. "Wir wollen, dass die Gesellschaft unseren Sport mitträgt", sagt Peter Thomsen, "und dafür brauchen wir schöne Bilder wie in Luhmühlen. Man muss nicht immer an die Grenze gehen."

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