VfL gewinnt 3:0:Trotzig in Downtown Wolfsburg

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Der VfL registriert, dass dem Verein in Deutschland viele Fußballfans den Abstieg wünschen - und schlägt den FC Ingolstadt souverän. Aus der Häme scheint Stärke zu wachsen.

Von Sebastian Fischer, Wolfsburg

Yunus Malli nahm drei Schritte Anlauf, bevor er in ein paar Sekunden Glück sprang. Der türkische Nationalspieler vom VfL Wolfsburg ist nicht für gewaltige Gefühlsausbrüche bekannt, sondern neben seinen fußballerischen Qualitäten eher für ein stets irgendwie trauriges Gesicht. Doch besondere Momente wecken untypische Emotionen: Malli sprang, ballte die Faust, vielleicht schrie er sogar. Doch um ihn herum schrien ein paar Tausend Wolfsburger, man hörte ihn nicht. Malli hatte soeben sein erstes Tor für den VfL erzielt, das zweite für Wolfsburg beim 3:0 (1:0)-Sieg gegen den FC Ingolstadt.

Yunus Malli, 25, ist im Winter für 12,5 Millionen Euro aus Mainz zum VfL gewechselt. Der Mittelfeldspieler mit den feinen Füßen verkörpert das große Potenzial der Mannschaft - und gleichermaßen ihre rätselhafte Lethargie, die einen millionenschweren Kader in Abstiegsgefahr geraten ließ. Wolfsburgs Trainer Andries Joncker hatte unter der Woche kritisiert, der Zugang, meist Ersatzspieler, tue sich noch schwer. Doch am Samstagabend sagte er über den Torschützen: "Dass es gerade Yunus ist, ist schön. Wirklich schön." Jonker lächelte ganz kurz. Es sieht ja nun so aus, als würde es vielleicht doch noch gut gehen mit Malli. Und vor allem: mit dem VfL Wolfsburg.

Lächeln war in den vergangenen Tagen nicht unbedingt angesagt beim VfL. Es habe ganz viel Mühe gekostet, erklärte Jonker, die Mannschaft nach zuletzt zwei Niederlagen in Serie wieder aufzubauen und auf dieses Spiel 14. gegen 17. vorzubereiten, das bereits als eine Art Endspiel im Kampf um den Klassenerhalt galt. Wer die Stimmung in Wolfsburg spüren wollte, musste vor dem Spiel nur zuhören. Da hatten sie dem Capo das Stadionmikrofon in die Hand gedrückt, also jenem Fan, der die Gesänge mit einem Megafon anleitet. "In Deutschland wünschen uns ganz viele den Abstieg", brüllte er, deshalb müssten jetzt alle Wolfsburger gemeinsam "das Schlimmste verhindern".

Suttner, der Freistoßkönig, trifft ins eigene Tor

Ob Wolfsburg jetzt eine Art Wagenburg sei, wurde der VfL-Sportdirektor Olaf Rebbe nach dem Spiel gefragt. Ja, brummte er trotzig. Es hat ihm nicht gefallen, dass Wolfsburger Niederlagen in der Republik mit Genugtuung zur Kenntnis genommen werden, weil der VfL ja vor allem als VW-Klub wahrgenommen wird. Doch gleichzeitig scheint daraus Stärke zu wachsen.

Die Ingolstädter waren nach drei Siegen in Serie euphorisiert nach Wolfsburg gefahren, in dem Glauben, mit einem Sieg am VfL vorbeizuziehen und erstmals seit Monaten die Abstiegsränge zu verlassen. Doch Ingolstadt war von Beginn an chancenlos. Er kenne seine Mannschaft ganz anders, sagte Trainer Maik Walpurgis, nicht so fahrig, konzentrierter. Mittelfeldspieler Almog Cohen sprach von der schlechtesten Leistung der vergangenen Monate. In einer ersten Halbzeit, in der Wolfsburgs Trainer Jonker "schlechten Fußball von beiden Mannschaften" sah, war es in der Nachspielzeit FCI-Verteidiger Markus Suttner, der den Ball ins eigene Tor lenkte, mit links. Zuletzt war Suttner mit vier Freistoßtoren aufgefallen, die er mit eben jenem linken Fuß erzielt hatte. Es lief alles verkehrt für Ingolstadt am Samstag.

Und Wolfsburg? Nationalstürmer Mario Gomez traf zum achten Mal in sieben Spielen und war mal wieder bester Spieler seines Teams, U21-Nationalspieler Yannick Gerhardt bereitete zwei Treffer mit Flanken von links vor, das 3:0 durch Gomez und das Eigentor. Dass Fußball unter dem neuen Trainer Jonker seit knapp zwei Monaten wieder Spaß mache, sagen die Spieler ja. In Ansätzen war das zu sehen.

Inzwischen hilft selbst die Stadt mit, Stimmung zu entfachen

Es bleibt nun unverändert eng im Tabellenkeller. Doch in Wolfsburg scheint sich zuletzt etwas geändert zu haben, was in Punkten nicht direkt messbar ist. Sie wissen schon auch, dass bei einem drohenden Abstieg ausgerechnet im zwanzigsten Jahr nach dem Bundesliga-Aufstieg die einst vom Fußballweisen und früheren VfL-Spieler Stefan Effenberg formulierte Prophezeiung eintreffen würde. Effenberg hatte einst gesagt, sobald er den Verein verlasse, werde es "ruhig in Downtown Wolfsburg".

In den vergangenen Tagen war es grün in Downtown Wolfsburg: Die Stadt hat Autofähnchen produzieren lassen, Banner hingen an Brücken und Häusern. Und die Mannschaft, die für alles andere außer den Abstiegskampf zusammengestellt ist, scheint womöglich doch noch rechtzeitig zu verstehen, dass sie dort bis zum Saisonende nicht mehr raus kommt. Sie ist zwar von Gomez abhängig, wirkt aber immerhin zielstrebig. Zwar resultierten die ersten beiden Tore aus Fehlpässen der Gäste, doch danach spielte der VfL die Angriffe konsequent zu Ende. Vor dem 2:0 passte der ansonsten schwache Maximilian Arnold, noch ein Nationalspieler, den Ball in den Rückraum zu Malli, der ihn unhaltbar gegen die Laufrichtung von Ingolstadts Torhüter Nyland platzierte.

Sportdirektor Rebbe sagte später, Malli sei "heute das erste Mal wichtig geworden". Das hörte sich zwar ein bisschen kritischer an als es gemeint war, aber wahrscheinlich war ihm das sogar recht. Hauptsache es kann niemand sagen, sie seien nach einem Sieg nun wieder unbedarft fröhlich in der Wagenburg Wolfsburg.

© SZ vom 16.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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