Stuttgarts 2:1-Sieg:Entzückte Affen

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Nach dem knappen Sieg im ersten Abstiegs-Endspiel schöpft der VfB Stuttgart wieder Hoffnung und erreicht den Relegationsplatz. Den trägen HSV, schon in Zweitliga-Verfassung, lässt er hinter sich.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Daniel Didavi hat bei den Schulausflügen früher derart intensive Beobachtungen gemacht, dass er heute noch davon profitiert. In Nürtingen bei Stuttgart aufgewachsen, blieb es dem Fußballprofi des VfB Stuttgart wie allen anderen Schülern aus der Region nicht erspart, fast jedes Jahr die Wilhelma zu besuchen, den Zoo von Stuttgart. Besonders die Orang-Utans im Affenhaus müssen dabei Eindruck auf den kleinen Daniel hinterlassen haben, denn als Martin Harnik für den VfB Stuttgart am Samstagabend den 2:1 (2:1)-Siegtreffer gegen den Hamburger SV erzielte, feierte er den Torschützen auf subtile Weise: mit einem Affentanz.

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(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Jubeln mit Krokodil: Stuttgart gelingt gegen Hamburg so etwas wie ein Big Point in einem nach wie vor unfassbar engen Abstiegskampf.

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(Foto: Daniel Naupold/dpa)

Den besseren Start erwischt der HSV: Gojko Kacar (Nr. 40) erzielt sein drittes Tor im dritten Spiel.

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(Foto: Matthias Schrader/AP)

Für Hamburg hätte ein Sieg in Stuttgart die Beinahe-Rettung bedeutet. Doch es kommt alles anders.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Zunächst gleichen die Gastgeber in Person von Christian Gentner (vorn) aus.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Sofort ist das Stadion da und peitscht die Stuttgarter nach vorn, die dem HSV fortan in allen Belangen überlegen sind.

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(Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Beinahe folgerichtig macht Martin Harnik (l.) nach einer Ecke den 2:1-Siegtreffer mitten hinein in die aufkeimende Klassenerhalts-Euphorie.

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(Foto: Matthias Schrader/AP)

Hamburg enttäuscht beim VfB auf ganzer Linie, kann dem Spiel keine neue Wendung geben - die Fans sind sichtlich verzweifelt, ihr Team 17.

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(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Die Schwaben haben es dagegen in der eigenen Hand: Ein Sieg in Paderborn am letzten Spieltag und sie bleiben sicher in der Bundesliga.

Der 25-Jährige beugte sich leicht nach vorne, nahm seine Hände unter die Achseln und hüpfte wie die Menschenaffen in der Wilhelma. Gemeinsam mit Harnik und Daniel Ginczek, die ihm nacheiferten. "Der Torjubel kam ganz spontan", sagte Didavi hinterher. Die unkonventionelle Einlage hatte natürlich eine Vorgeschichte, am Donnerstag hatte VfB-Trainer Stevens seine Spieler während des Trainings im Halbkreis beschimpft ("Ihr seid Affen, Affen seid ihr!"). Während der Fußballlehrer den Vorfall nach dem Spiel herunterspielte, indem er kundtat, dass das "auf niederländisch harmlos ist und etwas mit Kindern heißt", hatte Harnik dessen Wortwahl und Affentheater zunächst nicht in dessen Sinne verstanden. "Wir haben in den letzten Wochen viele individuelle Fehler gemacht und haben den Trainer einige Nerven gekostet", gab der Österreicher zu: "Jetzt hat er mal einen Fehler gemacht und sich in der Wortwahl vergriffen, aber wir haben es verziehen."

"Wir haben es nun selbst in der Hand"

Gelacht habe die Mannschaft am Samstagmorgen sogar darüber, erzählte Stevens gut gelaunt. "Ich wollte die Spieler wachrütteln." Gegen den HSV war es ja um viel gegangen, um nichts weniger als die Existenz in der ersten Liga. Und wie sich schnell herausstellen sollte, hat sich der VfB nach dem Sieg nun tatsächlich das erhoffte Endspiel erspielt. "Wir haben es mit einem Sieg in Paderborn nun selbst in der Hand", sagte Stevens erleichtert. Das Tor von Harnik (38.) hatte den VfB um exakt 16.05 Uhr vorübergehend sogar vom letzten auf den 14. Platz klettern lassen. Nach dem Spieltag müssen sich die Stuttgarter nun aber mit Rang 16 begnügen, dem Relegationsplatz - ein Punkt dahinter liegt der HSV, Paderborn, der nächste VfB-Gegner, weist zwei Zähler weniger auf, zu den direkten Nicht-Abstiegs-Plätzen 14 (Freiburg) und 15 (Hannover) fehlt Stuttgart jeweils nur ein Punkt. "Schade, dass unser Sieg nicht zu mehr gereicht hat", haderte Kapitän Christian Gentner ein bisschen.

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Die Partie gegen Hamburg zeigte auf dramatische Weise, welche Entwicklung die Stuttgarter in den vergangenen Wochen vollzogen haben, fast mühelos glichen sie mit schnellen und direkten Kombinationen den 0:1-Rückstand durch den Kopfball von Gojko Kacar nach einer Freistoßflanke von Rafael van der Vaart aus (12.), zunächst traf Gentner nach einem abgefälschten Zuspiel von Daniel Schwaab zum Ausgleich, ehe Harnik eine kurze Hamburger Orientierungslosigkeit im eigenen Strafraum nach einem Eckball des starken Filip Kostic mit links verwertete.

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Die zweite Hälfte begann mit einem Linksschuss von Kostic, der wieder ein paar Haken schlug und mit viel Tempo von links in den Strafraum dribbelte. Die beste Chance zum 3:1 verhinderte HSV-Innenverteidiger Johan Djourou, als er die Hereingabe von Harnik vor Ginczek zur Ecke klärte (62.). Der HSV spielte in dieser Phase mit so wenig Einsatz und Leidenschaft wie eine Mannschaft, für die die Sommerpause schon am vorletzten Spieltag begonnen hat, weil sowohl nach oben als auch nach unten alles geklärt ist. Erst die Hamburger Anhänger in der Kurve erinnerten die Kicker mit wütenden Gesängen daran, dass es auch bei ihnen um die Existenz in der ersten Liga geht. Man kann auch Panik bekommen, wenn seine Lieblingsmannschaft in der zweiten Hälfte nicht einmal aufs Tor schießt.

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Der VfB hatte dagegen Chancen für mehrere Spiele, Harnik schoss ans Außennetz (82.), Kostic an die Latte (83.) und Alexandru Maxim scheiterte freistehend an Adler (88.). "Wir hätten 4:1, 5:1 gewinnen müssen", bekannte Didavi. Und auch Stevens beklagte anschließend die mangelnde Effizienz im Abschluss, die verhinderte, dass der VfB sein Torverhältnis gegenüber den Konkurrenten aus Hannover und Hertha entscheidend verbessern konnte.

"Das ist der einzige Vorwurf, den ich der Mannschaft heute machen kann", sagte der Niederländer. Aber seine gute Laune konnte ihm das trotzdem nicht vermiesen, fast schien es so, dass er vergessen habe, dass die Situation weiter ziemlich prekär ist und sein Klub trotz des Sieges gegen den HSV noch absteigen kann. Stevens lachte und alberte im kleinen Journalistenkreis so viel, als wollte er im Sommer einen neuen Job als Comedian beginnen. Über seine berufliche Zukunft macht er ja schon länger ein Staatsgeheimnis. "Kommen Sie nach dem letzten Spieltag zu mir nach Mallorca, dann können wir gerne einen Kaffee trinken und darüber sprechen, was ich demnächst machen werde."

© SZ vom 17.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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