USA:Gift im Spiel

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Donald Trump besänftigt mit seinen Provokationen gegen protestierende Sportler seine Kernwähler. Gleichzeitig wird aber auch klarer, wie sich die Profi-Ligen und Klubs zum Thema Rassismus positionieren.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Symbolik eines Kniefalls: Das Team der Dallas Cowboys, einschließlich Trainern und Funktionären, beteiligt sich im September des vergangenen Jahres vor der Partie gegen die Arizona Cardinals am stummen Protest. (Foto: Matt York/dpa)

Es ist für die aktuelle Debatte im amerikanischen Sport wichtig zu wissen, was Jackie Robinson in seiner Autobiografie "I Never Had It Made" über den 5. Oktober 1948 geschrieben hat: "Da war ich also, der schwarze Enkel eines Sklaven, der Sohn eines schwarzen Bauern, Figur eines historischen Ereignisses, symbolischer Held für meine Leute. Die Flagge wehte im Wind. Es sollte ein glorreicher Moment für mich sein, als die ergreifenden Worte der Nationalhymne von den Zuschauerrängen aufs Spielfeld strömten."

Robinson war ein Jahr zuvor der erste Afroamerikaner in der Baseball-Profiliga MLB gewesen, seine Aufnahme gilt heute als The Noble Experiment, als sportlicher Beitrag zur Bürgerrechtsbewegung. Er wurde von Mitspielern, Gegnern und Zuschauern rassistisch beleidigt, doch er setzte sich gegen diese Widerstände durch und führte die Brooklyn Dodgers in die World Series gegen die New York Yankees. "Ich kann nicht aufstehen und die Hymne singen. Ich kann der Flagge nicht salutieren", schrieb Robinson später über diesen Tag: "Ich weiß, dass ich ein schwarzer Mann in einer weißen Welt bin."

Am vergangenen Wochenende ging es in amerikanischen Stadien um The Star-Spangled Banner, um Hymne und Flagge. Mehr als 200 Profis in verschiedenen Sportarten knieten aus Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus während des Abspielens der Hymne oder blieben in der Kabine. US-Präsident Donald Trump hatte die Protestierenden zuvor "Hurensöhne" geschimpft und deren Entlassung gefordert. Nascar-Rennstallbesitzer Richard Petty verteidigte den Präsidenten: "Wer nicht aufsteht, sollte das Land verlassen."

Trump besänftigt mit solchen Provokationen seine Kernwähler, die wegen der politischen Erfolglosigkeit des Präsidenten nervös werden. Es geht jedoch um mehr - um die Grundsatzfrage des amerikanischen Sports: Sind Baseball und Basketball, Autorennen und Eishockey, Tennis und Football in Bezug auf die Hautfarbe tatsächlich so farbenblind, wie sie gerne tun?

Am Sonntag hatten Footballprofis wie Mike Evans (links) und DeSean Jackson von den Tampa Bay Buccaneers ihre symbolische Haltung gegen Rassismus fortgesetzt. (Foto: Loren Elliott/Imago)

"Ich lasse nicht zu, dass eine Person - unabhängig von ihrer Macht oder ihrem Einfluss - den Sport als Plattform nutzt, um uns zu spalten", sagt der Basketballspieler LeBron James. Er hatte Trump via Twitter einen "Penner" genannt, nachdem der den NBA-Meister Golden State Warriors vom traditionellen Besuch des Weißen Hauses ausgeladen hatte: "Sport bietet für jeden etwas, unabhängig von Form, Größe oder Rasse. Es führt die Menschen zusammen." Ist das wirklich so?

Wer ein Spiel der Eishockeyliga NHL besucht, der sieht: Da schicken hellhäutige Trainer hellhäutige Akteure vor überwiegend hellhäutigen Zuschauern aufs Eis. Nur fünf Prozent der Spieler sind Afroamerikaner, zum Beispiel P.K. Subban von Nashville, dessen Stadion nur 20 Autominuten von der Statue des Ku-Klux-Klan-Anführers Nathan Bedfort Forrest entfernt ist. Vor der Finalserie der vergangenen Saison wurde er rassistisch beschimpft.

Trump hat den NHL-Meister Pittsburgh Penguins am Sonntag ins Weiße Haus eingeladen - einen Tag, nachdem er den NBA-Titelträger ausgeladen und die Spieler der Footballliga NFL attackiert hatte. In der NFL sind 70 Prozent der Spieler Afroamerikaner, in der NBA gar drei Viertel. Im Juni hatte Trump den Baseball-Meister Chicago Cubs empfangen, der Anteil schwarzer Akteure in der MLB: 7,7 Prozent.

Ist das alles wirklich nur Zufall?

Trump behauptet bei Twitter: "Das Knien hat nichts mit der Rasse zu tun. Es geht um Respekt vor unserem Land, unserer Flagge und unserer Nationalhymne." Ein paar Minuten davor schrieb er: "Ich bin so stolz auf Nascar und seine Fans. Die lassen nicht zu, dass jemand unser Land und unsere Fahne respektlos behandelt - sie sagen das laut und deutlich." Viele dieser Autorennen finden in den konservativen Regionen von Texas bis Michigan statt, und wer eins besucht, bemerkt, dass dort nicht nur das Sternenbanner weht, sondern an den Wohnwagen der Fans auch die Flagge der Konföderierten Staaten, ein durchaus rassistisches Symbol. Der einzige schwarze Pilot, der erst vierte in der Geschichte der Rennserie, ist Darrell Wallace. Der Besitzer des Rennstalls, für den Wallace in der kommenden Saison fahren soll: Richard Petty.

Evans und DeSean haben ihre symbolische Haltung gegen Rassismus in den USA fortgesetzt, sehr zum Missfallen einiger Fans. (Foto: Christian Petersen/Getty/AFP)

Klubs und Ligen reagierten verhalten auf Trumps Anfeindungen. Michael Jordan (Charlotte) ist der einzige schwarze Klubbesitzer in der NBA, Magic Johnson der einzige in der MLB. Anteil afroamerikanischer Eigentümer in NHL und NFL: null. Die Pittsburgh Penguins haben die Einladung ins Weiße Haus angenommen - "aus Respekt vor dem Amt", wie sie mitteilten. NBA und NFL veröffentlichten softe Statements: Jeder Sportler dürfe gewaltfrei protestieren.

Die US-Ligen sind Profit-orientiert, wer die Proteste verstehen möchte, die Wucht der Debatte und die Heuchelei dabei, der sollte wissen, welches NFL-Trikot am Montag am häufigsten verkauft wurde: das von Alejandro Villanueva. Der einstige Soldat und heutige Offensivspieler der Pittsburgh Steelers blieb nicht in der Kabine, sondern verfolgte die Nationalhymne am Rand des Feldes. Stehend. Danach entschuldigte er sich bei seinen Kollegen, er habe sie nicht im Stich lassen wollen.

Das klarste Signal folgte am Montagabend. Jerry Jones, Eigentümer der Dallas Cowboys, kniete vor der Hymne mit den Spielern auf dem Feld, der Hymne lauschte er andächtig. Stehend, eingehakt zwischen zwei Akteuren. Das darf als Botschaft an Trump verstanden werden: Es geht bei diesen Protesten nicht um Respektlosigkeit der Flagge oder der Hymne gegenüber, sondern um schwarze Menschen in einer noch immer sehr weißen Welt.

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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