Unentschieden in Stuttgart:Keiner weiß mehr

Lesezeit: 3 min

Erlösender Ausgleich: Stuttgarts Ozan Kabak trifft in der 75. Minute zum 1:1. Nürnbergs Torwart Christian Mathenia bleibt ohne Chance. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Beim 1:1 im Abstiegsduell zwischen Stuttgart und Nürnberg bleiben allzu große Erkenntnisse und Entwicklungen aus: Beide Klubs vergeben Chancen und bleiben dennoch im Rennen um den Nichtabstieg.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Am Ende war auch Ron-Robert Zieler etwas ratlos, was er mit diesem Arbeitstag anfangen sollte. Und in diesem Moment sagte Stuttgarts Torwart Sätze, die dieses Spiel gegen den 1. FC Nürnberg und die Situation des VfB vielleicht am besten zusammenfassten. "Ich weiß nicht so richtig, was ich jetzt mit diesem Punkt anfangen soll", sagte der 30-Jährige. "Ich weiß es nicht, die Mannschaft weiß es nicht und die Fans wissen es auch nicht." Niemand wusste es. Dieser Samstag hatte mit so viel Zuversicht und Optimismus begonnen. Der VfB Stuttgart wollte gegen seinen direkten Konkurrenten um den Relegationsplatz mit einem Sieg den Abstand nach unten vergrößern und sich dem rettenden Platz 15 annähern. Sogar die anderen Ergebnisse hätten diese Dramaturgie der unteren Tabellenregion begünstigt, Schalke verlor ja in letzter Minute gegen Frankfurt. Aber so? So trauerten beide Mannschaften nach dem 1:1 (0:1) vergebenen Chancen nach, der VfB womöglich sogar der vergebenen Chance schlechthin im Abstiegskampf.

Stuttgarts Trainer Markus Weinzierl - für den es zunehmend darum geht, Argumente für seinen Verbleib zu sammeln - wählte eine offensive Aufstellung wie selten. Bis auf Erik Thommy setzte er im Laufe der Partie all seine Offensivspieler gegen die zu Beginn dicht und diszipliniert verteidigenden Nürnberger ein. Nur gerieten die schwäbischen Versuche, die so wichtige Führung zu erzielen, zu hektisch, zu inkonsequent und zu unpräzise. Oft wurden falsche, zu vorsichtige Entscheidungen getroffen. Nach 34 Minuten hatte Marc-Oliver Kempf, wie zuletzt auch beim 0:3 gegen Frankfurt, die große Chance auf das so ersehnte 1:0. Nach einer Ecke landete sein Kopfball aber an der Latte, wieder mal. "Heute war entscheidend, wer in Führung geht", sagte Weinzierl. "Wenn dieser Kopfball ins Tor gegangen wäre, wäre das Spiel anders ausgegangen."

Nürnberg geht in Führung, Gomez verpasst den Ausgleich

Kempf traf aber nun mal nicht, auch Steven Zuber kurz danach aus 20 Metern nicht, und so jubelten als erstes die Gäste. Nach einer Ecke prallte der Ball in hohem Bogen von der Querlatte zu Matheus Pereira, der aus kurzer Distanz in der 42. Minute das 1:0 erzielte und danach ein ausgelassenes Freudentänzchen aufführte. Nur ein paar Minuten später hätte auch Mario Gomez ein solches Tänzchen aufführen können, aber sein Versuch, den Ausgleich zu erzielen, ließ dann doch eher den Gedanken zu: Das passiert nur einem Absteiger. Nach einer hohen Flanke über Nürnbergs Abwehr hinweg tauchte der 33-Jährige frei vor Christian Mathenia auf. Der Torhüter knallte Gomez den Ball beim Klärungsversuch ins Gesicht, von dort fiel der Ball dem Stürmer wieder vor die Füße - das Tor ganz leer. Im Fallen aber brachte Gomez weder mit dem linken, noch mit dem rechten Bein eine gelungene Bewegung zustande. Der Ball rollte knapp am Pfosten vorbei, der VfB rannte wieder einem kurz vor der Halbzeitpause geschossenen Gegentor hinterher. Die zur Halbzeit für den VfB ungünstigen Ergebnisse von Schalke (1:1) und Hannover (1:1) wurden im ausverkauften Stadion sicherheitshalber nicht publik gemacht.

Es entwickelte sich ein Hin und her, das keine der beiden Mannschaften für sich zu nutzen wusste - bis zur 75. Minute. Nach einer Flanke landete der Ball bei dem auch an diesem Tag auffällig antreibenden Anastasios Donis, von ihm kam der Ball zum talentierten Ozan Kabak und statt sich in das Muster vorheriger Chancen einzugliedern, traf der 19 Jahre alte Türke flach ins rechte Eck zum 1:1. Statt nun auch ein Tänzchen aufzuführen, richteten sich alle Blicke zum Schiedsrichter, der sich konzentriert an sein Ohr fasste. "Das braucht kein Mensch", echauffierte sich Weinzierl später. "Als Trainer in so einer Situation hast du da zwei Herzinfarkte und fragst dich, wieso das so lange dauert!" Gefühlte zehn Minuten vergingen, bis die Kölner Entscheidung zur großen Erleichterung der Stuttgarter führte. "Ich war innerlich, glaube ich, noch nie so aufgebraucht nach einem Spiel, ich bin richtig mitgegangen", sagte Stuttgarts Sportvorstand Thomas Hitzlsperger. "Es ist ein klares Zeichen, dass wir zurückgekommen sind. Wir haben gebissen und gekämpft. Aber natürlich tut das weh, das geht an die Substanz." Weil es eben zwei verlorene Punkte waren, kein gewonnener.

Und auch wenn Zieler Spielglück vermisste - letztendlich hatte der VfB genau das, denn die höhere Anzahl zwingender Chancen hatten die Nürnberger. "Aus meiner Sicht war das heute ausschlaggebend: dass wir unsere Kontermöglichkeiten nicht ausgespielt haben", sagte Club-Trainer Boris Schommers. "Wir waren nicht sauber und ruhig genug am Ball, sonst hätten wir den Sieg verdient gehabt." Robert Bauer rechnete sich Hoffnung herbei, indem er auf die nach wie vor vier Punkte Abstand auf den Relegationsplatz verwies und im nächsten Finale gegen Schalke einen psychologischen Vorteil sah. Zieler betonte, dass es doch gut sei, dass Nürnberg weiterhin vier Punkte entfernt sei. Und so waren es eigentlich banale Erkenntnisse, die von dieser für beide Bundesligisten entscheidenden Begegnung blieben.

© SZ vom 07.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: