Turnen:Gelungene Salti

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Die 16 Jahre alte Turnerin Tabea Alt. (Foto: Richard Heathcote / Getty Images)

Der Qualifikationswettkampf der Turnerinnen für die Olympischen Spiele endet mit einer Überraschung: Rumänien ist nicht dabei, Deutschland schon.

Von Volker Kreisl

Test-Events heißen die Veranstaltungen, die in diesen Wochen in der Olympiastadt Rio de Janeiro ablaufen. Probewettkämpfe sollen es sein, um zu sehen, ob die Arenen und ihre Technik olympiatauglich sind. In manchen Sportarten geht es auch um die letzten Startplätze, und zum Beispiel bei den Turnerinnen wurden so aus banalen Tests Wettkämpfe mit Salti, Stürzen, hysterischen Jubelschreien und echten Tränen.

In den Armen gelegen waren sich danach die deutschen Turnerinnen, die nach einem Schreck-Start am Schwebebalken aufholten, Zweiter hinter Brasilien wurden und wie Belgiens und Frankreichs Frauen im August bei der olympischen Hauptaufführung dabei sind. Zwölf Teams sind es dann insgesamt, die besten hatten sich längst qualifiziert. Zu den Top-Nationen zählte bis vor kurzem auch das rumänische Team. Doch das ist vorbei, in der Nacht zu Montag stahlen die Rumäninnen den Siegern, ohne es zu wollen, die Show, ihre Niederlage hatte sporthistorische Ausmaße. Nach den Männern werden auch die Frauen als Team die Spiele in Rio verpassen. Olympia-Turnen ohne Rumänien war bis zum Montag nahezu undenkbar.

Regelmäßig dabei waren sie seit 60 Jahren, seit 40 Jahren hielt ihre Medaillenserie. Rumäniens Frauen landeten stets auf dem Podest, 1984, 2000 und 2004 holten sie Gold, 2012 in London wurde es noch einmal Bronze. Begonnen hatte alles mit Nadia Comaneci, die 1976 und 1980 fünf olympische Goldmedaillen, dreimal Silber und einmal Bronze gewann. Sie hatte in Montreal als erste Turnerin die Traumnote 10,0 errungen, was seit der Reform des Notensystems 2004 nicht mehr möglich ist. Für 40 Jahre 10,0 wurde die heute 54-Jährige soeben in Berlin geehrt, ziemlich genau zur schwarzen Stunde des rumänischen Turnens.

Beobachtern des Sports hatte sich die Niederlage schon angekündigt, seit Jahren haben die Rumäninnen den Stufenbarren vernachlässigt, ihre Übungen sind einfach und trotzdem unsauber geturnt. Insgesamt nur 50,599 Barren-Punkte in Rio waren an den anderen Geräten im Grunde nicht mehr gutzumachen. Hinter dem Leistungseinbruch steckt unter anderem der Verlust guter Trainer wie Leo Cosma und Nellu Pop, eine unzureichende technische Ausbildung der Talente und letztlich ein veraltetes System. Das hatte einst auf eine äußerst strenge Erziehung mit wenig Schule und wenig Familienkontakt gesetzt, und funktioniert heute nicht mehr. Tiefpunkt in Rio war wohl der misslungene Rettungsversuch von Catalina Ponor, in London noch Bronzegewinnerin, die einen Jurtschenko mit zweifacher Drehung am Sprung versuchte, obwohl ihr Können da begrenzt ist. Ponor stürzte.

Damit war Rumänien früh aus dem Rennen - die Deutschen, die in der dritten Gruppe turnten, mussten sich mit anderen Nationen messen. Und obwohl Top-Kräfte wie Kim Bui und Kim Janas wegen Verletzungen fehlten, gelang ein ansprechender Auftritt. Zu Beginn mussten Pauline Tratz und Sophie Scheder zwar den Balken verlassen, aber die 16 Jahre alte Tabea Alt (im Bild am Boden) blieb oben. Nahezu ohne gröbere Fehler ging es danach weiter, und am Ende feierte das ganze Team nach diesem Test-Wettkampf, der in Wirklichkeit bitterer Ernst war.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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