TSV 1860:Bloß kein Karneval

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Wohlfühlatmosphäre: Sascha Mölders, Michael Liendl und Fanol Perdedaj (v.l.) feiern das 3:1. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Mit einem 6:2 gegen den FC Erzgebirge sichert die Mannschaft ihrem Trainer Kosta Runjaic den Job. Schiedsrichter Thorben Siewer und Aues Defensive helfen dabei entscheidend mit.

Von  Markus Schäflein

Es war eine akrobatische Rettungstat von Sebastian Hertner. Ivica Olic, Stürmer des TSV 1860 München, lief nach einem Konter ungedeckt aufs Tor zu, er schoss flach, und auf der Linie rettete Aues Verteidiger Hertner im Liegen mit dem Kopf. Das Kunststück nützte seiner Mannschaft allerdings nichts, denn Schiedsrichter Thorben Siewer ging davon aus, dass der frühere Sechziger den Ball mit der Hand gespielt hatte. Rote Karte, Elfmeter (44.), 1:3-Rückstand zur Pause und Unterzahl - es sollte die spielentscheidende Szene sein. Am Ende siegte die Mannschaft des TSV 1860 mit 6:2 Toren, befreite sich mit einer Art Festival aus der größten Not und sicherte ihrem Trainer Kosta Runjaic den Job. "Heute hatten wir das nötige Glück, das wir vorher nicht hatten", stellte 1860-Geschäftsführer Thomas Eichin fest, "und Kosta hat die richtige Mischung gefunden."

Runjaic hatte im Vergleich zum hart erkämpften Pokalerfolg in Würzburg (4:3 n.E.) die Startelf auf fünf Positionen verändert, er setzte diesmal wieder deutlich mehr auf spielerische Qualität statt bloßem Kampf. Levent Aycicek dankte seinen Startelfeinsatz, indem er den Freistoß an der Strafraumgrenze zum Führungstor erst mit beherztem Antritt herausholte und dann selbst verwandelte (16.). Michael Liendl kehrte nach zwei Spielen Denkpause als Spielgestalter zurück, war überall auf dem Platz zu finden, steuerte zwei Elfmetertreffer bei (23., 44.) und bereitete Sascha Mölders' 4:1 mit einem langen Pass vor (49.). Und Olic, wieder dabei nach seiner Sperre wegen Verstoßes gegen das Wettverbot, zeigte sich engagiert, holte beide Strafstöße heraus und legte Aycicek das wichtige 5:2 auf in einer Phase, in der Sechzig in Unterzahl noch einmal erstaunlich ins Wanken gekommen war (72.).

Die große individuelle Qualität der Sechziger-Offensive kam gegen die schwach verteidigenden Auer erstmals so deutlich zum Tragen wie erhofft. Was die eigene Abwehrarbeit anging, blieb allerdings auch diesmal viel Verbesserungsbedarf, was angesichts der Besetzung der Viererkette kaum verwunderte: Rechtsverteidiger Filip Stojkovic wirkte nach seiner Verletzungspause erstmals von Beginn an mit; dem 18 Jahre alten Linksverteidiger Kilian Jakob, der den gesperrtem Maximilian Wittek vertrat und zu seinem ersten Profieinsatz kam, halfen seine Mitspieler nach Kräften; in der Mitte verteidigte neben Jan Mauersberger erneut Felix Uduokhai, 19. Schon in der Anfangsphase hatten die Auer große Chancen, in Führung zu gehen, doch Louis Samson traf den Pfosten (7.), Pascal Köpke scheiterte an 1860-Torwart Zimmermann (14.). Beim Anschlusstreffer des FC Erzgebirge zum 1:2 patzte der in dieser Saison sonst so souveräne Zimmermann dann; als er eine Flanke unterlaufen hatte, schob Köpke den Ball am linken Pfosten ins Tor (29.).

Und selbst die beruhigende Drei-Tore-Führung kurz nach der Pause half den Sechzigern nicht, kompakt zu werden. Nach dem 2:4, bei dem Cebio Soukou nicht gestört wurde (55.), gerieten sie zum Erstaunen der 16 600 Zuschauer regelrecht in Not. "Ich bin ein bisschen angefressen, dass wir uns nach dem 4:1 so verhalten haben", sagte Eichin, "so kannst du nicht spielen. Wenn Aue das dritte Tor macht, hast du eine ganz andere Situation. Da müssen wir ein paar Dinge ansprechen." Schön zu kombinieren und gleichzeitig kompakt zu sein, mit ein und derselben Besetzung in ein und demselben Spiel - das scheint noch immer unmöglich zu sein.

Als sich die Löwen zum ersten Mal wieder befreien konnten, entschied Aycicek das Spiel, in der Schlussminute legte der eingewechselte Daniel Adlung noch ein Tor nach. Eichin legte den Fokus aber mit Recht lieber auf die negativen Aspekte: "Ich will verhindern, dass hier jetzt Karnevalsstimmung ist." Runjaic war in dieser Hinsicht bei aller Erleichterung ganz auf Linie: "Nein", antwortete er auf die Frage, ob sich die Mannschaft Frust von der Seele geschossen habe. "Heute ist einfach vieles in unsere Richtung gelaufen, aber wir haben es dem Gegner mal wieder bei den Toren zu einfach gemacht und ich bin nicht zufrieden mit ein paar Phasen, in denen wir einfach nicht souverän waren."

Ein paar positive Worte mussten dann aber doch erlaubt sein: "Die Jungs haben wieder alles gegeben", meinte Runjaic, "und nach dem Abpfiff war das für viele sehr emotional." Sicherlich auch für ihn selbst, auch wenn er sich seine Gefühlslage mal wieder nicht anmerken ließ.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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