TSV 1860:Unter Rot-Verdacht

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Ein Machtwechsel könnte Geschäftsführer Stefan Ziffzer trotz seiner Erfolge den Job kosten.

Klaus Ott

Stefan Ziffzer, seit fünf Monaten Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, hat es nicht leicht. Manchen Fans der Blauen ist der Finanzexperte bis heute suspekt. Vor ein paar Jahren hat der gelernte Banker nämlich mit dem Todfeind paktiert, dem FC Bayern. Ziffzer war damals Manager bei der (inzwischen untergegangenen) Mediengruppe Kirch und unterschrieb dort ein TV-Abkommen mit den Bayern, den Roten, das denen zuerst viel Geld und später viel Ärger brachte. Die Roten mussten sich für ihren "Geheimvertrag" mit Kirch gegenüber der Bundesliga und der Öffentlichkeit rechtfertigen.

Zu nah an den Bayern? Löwen-Geschäftsführer Stefan Ziffzer (Foto: Foto: dpa)

"Person Ziffzer steht nicht zur Debatte"

Bei Treffen mit den Fangruppen von 1860 oder Vereins-Versammlungen wartet Ziffzer nicht, bis er auf diese Begebenheit angesprochen wird, sondern erzählt von sich aus, was es mit dem Vertrag auf sich hatte. Der Löwen-Chef weiß, dass er verdächtigt wird, ein Freund der Roten, also ein Verräter zu sein. Da hilft nur Aufklärung, und das auch nicht immer. Bei der einflussreichen Fangruppierung Pro 1860 gibt es erhebliche Vorbehalte gegen Ziffzer. Pro 1860 strebt nach der Macht im Verein; der erst vergangenen Winter gegründete Zusammenschluss will den Aufsichtsrat umbesetzen und den früheren Trainer Karsten Wettberg zum Präsidenten machen. Sind Ziffzers Tage bei den Blauen also gezählt, falls Pro 1860 den Durchmarsch schafft?

Nein, antwortet Steffen Kläne, Student aus Regensburg und Vorsitzender der neuen Fangruppe. "Die Person Ziffzer wird erstmal nicht zur Debatte stehen." Wie ein Vertrauensbeweis klingt das gerade nicht, ebenso wenig wie weitere Äußerungen. Ziffzer habe die Geschäftsführung in einer schwierigen Phase übernommen und gesagt, er wolle die Fehler der Vergangenheit abstellen, fährt Kläne fort. "Es bleibt im Moment nichts anderes übrig, als ihm das zu glauben." Und was ist mit dem Vorwürfen, die bei Pro 1860 intern gegen Ziffzer wegen dessen angeblicher, großer Nähe zum FC Bayern geäußert werden? "Dazu möchte ich im Moment nichts sagen", weicht Kläne aus.

In einem halben Jahr Klub geordnet und runderneuert

Präsidenten-Kandidat Wettberg war, am Dienstag noch, um einiges deutlicher. Man vermisse finanzielle Transparenz und sorge sich einzig und allein wegen der wirtschaftlichen Lage. Das konnte durchaus als Attacke auf Ziffzer verstanden werden. In Fankreisen kursieren Gerüchte über hohe Schulden, mal werden 16, mal 25 Millionen Euro genannt. Derlei Befürchtungen sollen offenbar auch Gegenstand der Pressekonferenz sein, bei der Pro 1860 am kommenden Dienstag das Führungsteam vorstellen will, mit dem man um Wettberg herum anzutreten gedenkt. Die neuerliche Unruhe passt dem amtierenden Präsidenten Alfred Lehner überhaupt nicht. Der Vereinschef warnt, solche Querelen könnten die Sanierung gefährden und auf die "sportlichen Leistungen abfärben".

In einem halben Jahr will Lehner den Klub geordnet und runderneuert an einen Nachfolger übergeben, der 1860 weiter voran bringt - zusammen mit Ziffzer. Der Vorwurf mangelnder Transparenz sei ungerecht gegenüber Ziffzer, sagt Lehner. "Wir sind umfassend informiert." So habe Ziffzer nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Fußball-GmbH in dieser Saison drei Millionen Euro Verlust machen werde; auch deshalb, weil die teuren Business Seats in der neuen Arena des FC Bayern ein Zuschussgeschäft seien. Die Liquidität sei aber nicht gefährdet, 1860 gehe das Geld nicht aus. Auch den Schuldenstand kennt der Aufsichtsrat: rund neun Millionen Euro bei Banken und anderen Geschäftspartnern sowie gut fünf Millionen Euro bei der Sportagentur IMG, die den TSV langfristig vermarktet.

Neuer Aufsichtsrat - und ein Kompetenzteam

Die Fangruppe Pro 1860 und deren Präsidenten-Kandidat wollen mehr wissen: Wie kam es dazu, dass der TSV im Frühjahr fast pleite ging, wie sehen die Finanzen im Detail aus? Das ziele aber nicht auf Ziffzer, beteuerte Wettberg am Mittwoch. "Er ist ein hervorragender Sanierer." Der Kandidat sagt, es liege ihm und seinem Team "völlig fern, einen Umsturz zu planen". Man wolle das unterstützen, was in den vergangenen Monaten bei 1860 neu entstanden sei.

Und dann sagt Wettberg sogar noch, 1860 könne vom FC Bayern lernen, erfahrene Leute einzubinden. Geplant sei neben einem neuen Aufsichtsrat ein Kompetenzteam mit den ehemaligen Löwen-Spielern Martin Max, Bernhard Winkler und Thomas Miller sowie mit Leuten mit "wirtschaftlichem und politischem Sachverstand". Wettberg wörtlich: "Hier ist der FC Bayern ein Vorbild."

© SZ vom 7.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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