TSV 1860:Trauerspiel mit Happy End

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Gegen den Tabellenletzten Duisburg vergibt der TSV 1860 München erst viele Chancen, schafft dann seinen ersten Saisonsieg - durch einen Treffer von Marius Wolf in der Nachspielzeit.

Von Markus Schäflein

Es lief schon die Nachspielzeit, der TSV 1860 München konnte sich nach einigen vergebenen Großchancen und einer miserablen Schlussphase mittlerweile glücklich schätzen, dass es noch 0:0 stand gegen den Zweitliga-Tabellenletzten MSV Duisburg. Die ersten der 17 100 Zuschauer, die sich das Trauerspiel an Allerheiligen angesehen hatten, verließen bereits die Arena. Dann gab es einen Einwurf für Sechzig, Korbinian Vollmann kam auf dem rechten Flügel an den Ball und schob ihn einfach in die Mitte zwischen Tor und Fünferlinie. "Der Trainer sagt immer, dass der Außenspieler den Ball einfach zwischen Tor und Fünferlinie hauen soll und dass ein Stürmer da zu stehen hat", berichtete Vollmann. In diesem Fall stand Marius Wolf, wo er zu stehen hatte, und beförderte den Ball ins Netz zum erlösenden 1:0, zum ersten Sieg in dieser Saison, am 13. Spieltag.

Und das in einer Schlussphase, in der Sechzig in dem Kellerduell nach einigen vergebenen Großchancen aus dem Tritt gekommen war. "Ich wollte mich ehrlich gesagt schon mit dem Unentschieden abfinden", sagte Benno Möhlmann, der von Vollmann angesprochene Trainer. "Aber dann hatten wir diese gute, schnelle Aktion, wie wir sie gerne öfter gemacht hätten." Kollege Gino Lettieri, der seinen Job in Duisburg nun wohl verlieren wird, war bedient von derselben Szene - ein fast identisches Gegentor hatte der MSV schon einmal bekommen, in Heidenheim. "Gleicher Einwurf, gleiche Stelle, gleiches Gegentor - wenn man so einen Fehler macht, verliert man auch", sagte Lettieri. Die Angst vor jenem spielentscheidenden Fehler war zuvor über die vollen 90 Minuten auf beiden Seiten zu spüren gewesen. Nach den Siegen von Fortuna Düsseldorf und Union Berlin drohte der Abstand zu den rettenden Plätzen bei Niederlage oder Remis immens zu werden. "Wir mussten unbedingt nachziehen", sagte Vollmann.

Spätes Glück: Es lief bereits die Nachspielzeit, als 1860-Stürmer Marius Wolf (links) eine Hereingabe von Korbinian Vollmann ins Tor beförderte. (Foto: SvenSimon)

Möhlmann hatte die Partie - abgesehen von der Torwartposition, die wieder Vitus Eicher einnahm - mit der Startaufstellung vom Pokalsieg in Mainz (2:1) begonnen. Daylon Claasen und Krisztian Simon besetzten die Flügel, in der Mitte stürmte Stefan Mugosa. Bis auf einen Kopfball Mugosas (10.), den MSV-Torwart Michael Ratajczak über die Querlatte lenkte, kamen die feldüberlegenen Löwen allerdings kaum zu Torchancen; auf der Gegenseite faustete Eicher den Ball nach einem Schuss von Giorgi Chanturia nach vorne. Doch der MSV nutzte die Chance nicht (16.).

Claasen enttäuscht, Simon verletzt sich - schon nach 35 Minuten ist die Pokalaufstellung Geschichte

Möhlmann hatte schnell genug, schickte schon nach 20 Minuten Wolf zum Warmlaufen und brachte ihn in der 32. Minute für den völlig neben sich stehenden Claasen ins Spiel. "Daylon ist zu weit zurückgekommen und hat dabei auch noch einige Bälle verloren", sagte Möhlmann. Nur vier Minuten später verletzte sich Simon schwer am Knie, für ihn kam Vollmann - die Pokalaufstellung war mithin schon nach 35 Minuten Geschichte.

Der Löwe auf dem Trikot des TSV 1860 München: Wer darf künftig neben dem Wappentier werben? (Foto: Tobias Hase/dpa)

Mit Wolf und Vollmann nahmen die Löwen mehr Fahrt auf. Wolf bekam bei seinem ersten Ballkontakt sofort die erste Chance (33.), und im zweiten Durchgang häuften sich die Möglichkeiten. Vollmann eroberte den Ball und setzte Wolf in Szene, der über die Querlatte schoss (51.); Wolf legte quer auf Vollmann, dessen Rückpass drosch Gary Kagelmacher übers Tor (52.); später scheiterten Wolf (68.) und Vollmann (71.), jeweils gänzlich ungedeckt auf ihrer Seite, an Ratajczak. Längst war der torlose Spielstand nicht mehr auf die Duisburger Abwehrmauer zurückzuführen, die erwies sich nämlich als löchrig; die miserable Chancenverwertung hingegen drohte dem TSV 1860 einmal mehr zum Verhängnis zu werden. "Wir hätten noch ein paar Tore mehr machen können", stellte Vollmann fest. Möhlmann wiederum war gar der Meinung, gegen die schwachen Duisburger wäre auch das Herausspielen von weitaus mehr Chancen möglich gewesen: "Wir müssen Überzahlsituationen schneller erkennen und besser ausspielen."

Das alte Fußballgesetz, dass sich so ein Umgang mit den eigenen Optionen rächt, wurde vom MSV Duisburg in den letzten Minuten aufgrund ebenfalls akuter Abschlussschwäche außer Kraft gesetzt. Der eingewechselte Zlatko Janjic verpasste zweimal das Tor (82., 84.), und dann kam Wolf. "Ich habe immer dran geglaubt, dass ich noch mal eine Chance bekomme", sagte der 20-Jährige nach seinen zwei vergebenen Szenen, "mit einem Tor in der 90. Minute ist ein Sieg noch mal schöner." Möhlmann war gut gelaunt, also sagte der Trainer über den Mann des Tages: "In drei, vier Jahren kann er ein guter Spieler werden." Womöglich wird Wolf das tatsächlich bei Sechzig - seine sehnlichst erwartete Vertragsverlängerung ist offenbar fix. Im Gehen rief er: "Am Montag wird etwas bekanntgegeben, aber ich sage nicht was."

Möglicherweise wird auch nur bekannt gegeben, dass die Mannschaft das Spiel in einer intensiven Videoanalyse konzentriert aufgearbeitet hat. Vollmann ist darauf jedenfalls schon gespannt: "Es gab sicherlich auch viel Negatives." Niemand widersprach.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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